Barockland Oberösterreich

Oberösterreich ist ein Barockland: die großen Klöster, die vielen Pfarrkirchen, das Bild der Städte und Märkte, die Kleindenkmäler überall im Land … alles atmet den Geist des Barock.

Erstarken der Klöster
Noch bevor die Kultur des Protestantismus in den Schrecken des Bauernkrieges unterging, konnte in den großen Klöstern die katholische Gegenreformation ihre ersten Erfolge feiern. Kremsmünster war das erste Stift, das sich erholte und schon um 1600 mit einer Erneuerung seiner Gebäude begann, bald gefolgt von Reichersberg, Schlägl und Lambach. Eine wichtige Funktion bei der Rekatholisierung hatten die Jesuiten, die in Steyr ab 1635 die Michaelskirche erbauten. Sie ist ein frühes Zeugnis der religiösen Erneuerung im Sinne des Konzils von Trient, das statt der erhofften Aussöhnung mit den Protestanten endgültige Trennungsstriche zog. Der Augsburger Religionsfriede bestimmte, dass die Untertanen den Glauben des jeweiligen Landesherrn anzunehmen hatten. In Oberösterreich, wo etwa 80 % der Bevölkerung protestantisch waren, zogen viele die Auswanderung einer erzwungenen Rückkehr zur katholischen Religion vor. Für die Wirtschaft war dies ein Aderlass, von dem sie sich nur langsam erholte.

Imponierende Bautätigkeit
Die katholische Seite griff nun zur Propaganda, wobei Predigt, Theater, Musik und bildende Kunst die Hauptrollen spielten. Vor allem aber erfolgte eine imponierende Bautätigkeit. Neben den Kirchen Roms waren die Münchener Jesuitenkirche St. Michael und vor allem der Salzburger Dom die großen Vorbilder. Zunächst wurden fast ausschließlich oberitalienische Künstler berufen, vor allem Mitglieder der Familie Carlone. Diese umfasste Baumeister, Bildhauer, Stuckateure und Maler. Ein frühes Gemeinschaftswerk war die Linzer Jesuitenkirche, der heutige „Alte Dom“, dessen Form auch für andere Klosterkirchen vorbildlich wurde. Das breite, von Seitenkapellen und Emporen begleitete Kirchenschiff war eine Errungenschaft der italienischen Renaissance, deren monumentale Strenge hier noch weiterwirkt. Ähnlich zukunftsweisend war die Stiftskirche von Waldhausen, die dem Team Canevale und Colomba zugeschrieben wird.

Die Klöster des Landes
Mit den um 1680 errichteten Stiftskirchen von Garsten und Schlierbach erreichte das Schaffen der Carlone einen Höhepunkt. Nach dem Vorbild des Passauer Domes formten sich hier Architektur, Stuckplastik und Deckenbilder zu einem Gesamtkunstwerk, zu dem die Altäre ebenso gehören wie die kostbaren Ausstattungsstücke. In Garsten und Kremsmünster sind es insbesondere die an den Pfeilern angebrachten Tapisserien (gewirkte Wandbehänge), in Schlierbach die kunstvoll gerahmten Blumenbilder.

Der mächtigste Barockbau des Landes ist zweifellos das Stift St. Florian, wo die Carlone ab 1686 die neue Stiftskirche erbauten. Es ist hier das erste Mal, dass im Gewölbe der Stuck völlig durch Malerei ersetzt wurde – ein wesentlicher Schritt zum Spätbarock. Carlone baute damals auch die „Dörflkirche“ in Vöcklabruck und die von Prandtauer vollendete, zum Stift Garsten gehörige Wallfahrtskirche von Christkindl.

Wiener Architekten kamen hingegen nur selten zum Zug. Eine Ausnahme war Johann Lukas von Hildebrandt, der Erbauer des Belvedere, dem wir die Pläne der Linzer Deutschordenskirche verdanken. Ausgeführt wurde sie vom Linzer Johann Michael Prunner, dessen originellstes Werk die Dreifaltigkeitskirche von Stadl-Paura ist, ein von der Dreizahl bestimmter Bau, an dem auch das Wiener Allround-Genie Antonio Beduzzi beteiligt war. Die Architektur ist hier nur die Hülle für einen aus Licht und Farbe gestalteten Raum, in dem Illusion und Wirklichkeit ineinander übergehen. Ähnliches gilt für die Stiftskirche von Spital am Pyhrn, wo die Fresken Bartolomeo Altomontes dem Chor zu einer visionären Wirkung verhelfen.

Hier bahnt sich eine Entwicklung an, die in der Stiftskirche von Wilhering ihren Höhepunkt erreicht. Andrea, Martino und Bartolomeo Altomonte schufen hier gemeinsam mit den Wessobrunner Stuckateuren Feichtmayr und Übelherr eine perfekte, an die süddeutschen Bauten der Brüder Asam erinnernde Inszenierung von berauschender Farbenpracht. Ein Abglanz davon ist die Klosterkirche von Engelszell, wo das verlorene Langhausfresko Altomontes erst 1957 im Deckengemälde Fritz Fröhlichs einen spannungsvollen Ersatz gefunden hat.

Wie die Kirchen sind auch die Stiftsgebäude im Frühbarock eher streng und entfalten nur im Inneren einen bescheidenen Prunk. Erst nach dem Sieg über die Türken (1683) wurden die Anlagen immer aufwändiger, etwa in Schlierbach und Kremsmünster, wo der Kaisersaal durch Melchior Steidl ein großes Deckenfresko mit gemalter Scheinarchitektur erhielt. In St. Florian entfalten die Stiftsgebäude dann auch nach außen eine neue Monumentalität, die vor allem auf das Konto Jakob Prandtauers geht. Auch ist das Innere von einer unglaublichen, an den kaiserlichen Bauten Wiens orientierten Pracht, insbesondere die unverändert erhaltene Ausstattung der Kaiserzimmer – eine der aufwändigsten Eigenheiten des österreichischen Barock. In jeder Hinsicht einzigartig ist der 1748/59 errichtete, schon zur Bauzeit heftig umstrittene „Mathematische Turm“ des Stiftes Kremsmünster, bei dem es sich nicht nur um das erste Hochhaus, sondern auch um eines der ältesten Universalmuseen Europas handelt.

Barocke Schlösser und Palais
Im Unterschied zu Niederösterreich besitzt Oberösterreich nur wenige Barockschlösser, darunter das von Prandtauer für St. Florian erbaute Jagdschloss Hohenbrunn, ein vornehmer Bau, dessen Fassade an das Treppenhaus des Stiftes erinnert. Anlässlich eines Jagdbesuches Kaiser Karls VI. wurde das reizvolle Landschloss Neuwartenburg von Anton Erhard Martinelli errichtet. Als „Innviertler Versailles“ gilt das erst vor kurzem vor dem Verfall gerettete Schloss Aurolzmünster, dessen Entwerfer, Johann Kaspar (Giovanni Gaspare) Zuccalli, sonst vor allem in Salzburg erbaut hat. Der Münchner Hofarchitekt François Cuvillié d. J. errichtete das Rokoko-Schloss Zell an der Pram, das der Hofmaler Christian Wink mit duftig-zarten Fresken versah. In den Städten Linz, Wels und Steyr zeugen die zahlreichen Palais und Freihäuser vom Reichtum der Bürger. Auf Entwürfe Prandtauers geht auch das noble, fast klassizistisch wirkende Kremsmünsterer Stiftshaus in Linz zurück, der heutige Bischofshof. Der wohl bedeutendste barocke Fabriksbau Europas war die von Johann Michael Prunner errichtete, 1969 abgerissene Linzer Wollzeugfabrik. Unter den Rathäusern ist jenes von Steyr hervorzuheben, dessen Architekt Johann Gotthard Hayberger zugleich Bürgermeister war.

Bildhauer und Maler
Auch in der Barockplastik spielten die Stifte eine Vorreiterrolle. So schuf der aus Weilheim stammende Hans Degler den später nach Grünau im Almtal gelangten Hochaltar der Stiftskirche von Kremsmünster. Seinem Mitarbeiter Hans Spindler verdanken wir den riesigen Hochaltar der Stiftskirche von Garsten, von dem sich Teile in der Spitalskirche von Eferding und im Linzer Schlossmuseum erhalten haben. Einzig der von Hans Waldburger geschnitzte Hochaltar der Stiftskirche von Mondsee blieb an Ort und Stelle. Er zeigt eine szenische Gruppe der Marienkrönung. Bewegte Gruppen sind auch für das Schaffen von Martin und Michael Zürn charakteristisch, deren originellstes Ensemble wohl die drei Altäre von St. Georgen an der Mattig sind. Es sind dies Werke von volkstümlicher Eindringlichkeit, die in manchem auf Thomas Schwanthaler vorausweisen.

Dieser schuf mit dem Rieder Ölberg, dem Doppelaltar von St. Wolfgang und der Gruppe der Anbetung der Könige in Gmunden Hauptwerke hochbarocker Skulptur. Sein Einfluss war gewaltig. Einer seiner Schüler dürfte Meinrad Guggenbichler gewesen sein, dem wir die Seitenaltäre der Stiftskirche von Mondsee verdanken. In St. Wolfgang können seine Werke neben jenen Schwanthalers studiert werden, vom erschütternden Schmerzensmann bis zu den entzückenden Engelsputten des Rosenkranzaltars. Zu den originellsten Werken Guggenbichlers gehört das Bett des Kaisers im einstigen Soldatenzimmer des Stiftes St. Florian, das so genannte „Türkenbett“.

Der dritte große Barockbildhauer unseres Landes war Marian Rittinger, der fast ausschließlich für das Stift Garsten und seine Pfarren arbeitete. Außer großen, von der Kunst Italiens geprägten Altarfiguren schnitzte er für Garsten auch eine Krippe aus Buchsholz. Verschiedene Mitglieder der weitverzweigten Familie Schwanthaler schufen ebenfalls Altar- und Krippenfiguren. Völlig einzigartig, sind die Kanzeln in Traunkirchen, Fischlham und Gaspoltshofen, deren Form dem Schiff der fischenden Apostel nachgebildet ist.

Im Unterschied zu den unzähligen Holzaltären waren Arbeiten aus Stein sehr teuer und dementsprechend selten. Eine Stiftung Kaiser Ferdinands III. war die 1647 für den Platz „Am Hof“ in Wien angefertigte Mariensäule, die 20 Jahre später an das Innufer von Wernstein versetzt wurde. In den überlebensgroßen Steinfiguren Christoph Abraham Walters in der Stiftskirche von Lambach zeigt sich erstmals in Oberösterreich ein direkter Einfluss Italiens. Auch der geniale, jung verstorbene Michael Zürn d. J. kam wahrscheinlich mit dem italienischen Hochbarock in Berührung. Seine Marmorengel in der Stiftskirche von Kremsmünster gehören zum Besten, das die Barockskulptur nördlich der Alpen hervorgebracht hat. Ein Werk von außerordentlichem Rang ist auch die von Antonio Beduzzi entworfene und 1717 begonnene Linzer Dreifaltigkeitssäule. Leider blieb der ausführende Bildhauer bisher unbekannt. Wenig später schuf Georg Raphael Donner für Linz die große Figur des hl. Johann von Nepomuk, die erst 1898 mitsamt ihrer Nische von der Deutschordenskirche an den Chor der Stadtpfarrkirche versetzt wurde.

In der Malerei gelangten durch Adriaen Bloemaert und Joachim von Sandrart erstmals die Errungenschaften des Barock nach Oberösterreich. So zeigt vor allem Bloemaerts Hochaltarbild der Stadtpfarrkirche von Freistadt Anklänge an Rubens und Barocci. Johann Michael Rottmayr und der Garstener Stiftsmaler Carl von Reslfeld, denen wir eine große Zahl von Altarbildern verdanken, erhielten ihre Ausbildung in Venedig beim berühmten Carl Loth, der u. a. für Stift Kremsmünster arbeitete. Das dortige Hochaltarbild lieferte der Münchner Hofmaler Johann Andreas Wolf. Sonst aber beherrschten mit Carlo Carlone sowie den beiden Altomonte die Italiener das Feld. In den Fresken von Johann Jakob Zeiller in Suben wendet sich das Barock ins Rokoko, von dem Wolfgang Andreas Heindl eine spezielle Facette vertritt. Mit den berührenden, von der Kunst Rembrandts geprägten Altarbildern des Kremser Schmidt ist schließlich das Ende des Barock erreicht.

Wichtige Barockbauten in Oberösterreich:
Aurolzmünster Schloss
Baumgartenberg ehemalige Stiftskirche
Christlkindl bei Steyr Wallfahrtskirche
Engelszell Klosterkirche
Garsten ehemaliges Stift
Hartkirchen Pfarrkirche
Hohenbrunn Schloss
Kirchberg bei Kremsmünster Filialkirche
Kremsmünster Stift und Stiftskirche
Lambach Stiftskirche
Linz Kirche der Barmherzigen Brüder
Bischofshof
ehemalige Deutschordenskirche
Dreifaltigkeitssäule
Elisabethinenkirche
Jesuitenkolleg
„Alter Dom“
Karmelitenkirche
Minoritenkirche
Pöstlingbergkirche
Prunerstift
Ursulinenkirche
Wollzeugfabrik
Neuwartenburg Schloss
Pfarrkirchen bei Bad Hall Pfarrkirche
Ranshofen ehemaliges Stift
Reichersberg Stift und Stiftskirche
St. Florian Stift
St. Lorenz bei Mondsee Filialkirche
St. Wolfgang am Stein Wallfahrtskirche
Schenkenfelden Kalvarienbergkirche
Schlierbach Stift
Spital am Pyhrn ehemaliges Stift und Stiftskirche
Stadl-Paura Wallfahrtskirche
Steyr ehemalige Dominikanerkirche
Michaelskirche
Rathaus
Sternhaus
Schloss Lamberg
Suben ehemalige Stiftskirche
Tillysburg Schloss
Traunkirchen ehemalige Klosterkirche
Vöcklabruck Dörflkirche
Waldhausen ehemalige Stiftskirche
Wels Kalvarienbergkirche
mehrere Stadthäuser
Wilhering Stift
Zell an der Pram Schloss

Autor: Lothar Schultes

Oberösterreichische Nachrichten, 24. Mai 2008