Wandlungen des „STOWASSER“
1893 bis heute

Fünf Jahre harter Arbeit sind seitdem dahingegangen. So gehe denn mein Buch hinaus und suche sich Freunde. Gebe Gott, dass es soviel Nutzen schaffe, als es mir Arbeit gegeben hat!

L e s t im Mühlviertel, 18. August 1893 J. M. Stowasser.

 

1. Die erste Auflage des „STOWASSER“ 1894
Das Schulwörterbuch umfasst XX und 1092 Seiten. Auf das Vorwort folgen die „Vorbegriffe“, in denen Stowasser das „sprachgeschichtliche Material leichtfasslich“ darstellt. Im lexikalischen Hauptteil stehen die lateinischen Texte in Antiqua, die deutschen Übersetzungen in Frakturschrift. Nach dem Erscheinen wurde das Wörterbuch sehr anerkennend rezensiert.

2. Die zweite Auflage des „STOWASSER“ 1900
„Als ich vor fünf Jahren dies Buch in die Welt sandte, war ich mir wohl bewusst, nach Kräften und ehrlich gearbeitet zu haben, aber nicht minder erkannte ich auch die Schwierigkeit der Aufgabe und war daher über den Erfolg nicht ohne Bedenken. Doch das Buch hat Glück gehabt. Es war natürlich, dass der praktische Gebrauch eine Reihe von Mängeln und Irrtümern entdecken ließ, die auszumerzen waren.“ (aus dem auf September 1899 datierten Vorwort zur 2. Auflage)
Auch die zweite, verbesserte und mit Nachträgen versehene Auflage des Schulwörterbuches – sie umfasst XX und 1104 Seiten – wurde äußerst positiv aufgenommen.

3. Die dritte Auflage des „STOWASSER“ 1910
Aufgrund seiner schweren Erkrankung sah sich Stowasser gezwungen, die Aktualisierung seines Schulwörterbuches anderen Gelehrten anzuvertrauen. Die dritte Auflage erschien in Stowassers Todesjahr 1910 und wurde vom Kärntner Philologen Michael Petschenig (1845–1923) und vom Breslauer Sprachwissenschaftler Franz Skutsch (1865–1912) besorgt. Sie weist aufgrund vorgenommener Kürzungen XXII und 804 Seiten auf. Trotzdem trägt sie den anspruchsvolleren Titel „Schul- und Handwörterbuch“. Typografische Änderungen – u.a. sind bei längeren Wörterbuchartikeln die Hauptbedeutungen in einem „Kasten“ vorangestellt – machen das Lexikon noch benutzerfreundlicher. Skutsch war für die Überarbeitung der oft gewagten Etymologien Stowassers verantwortlich.
Die vierte Auflage erschien mitten im Ersten Weltkrieg (1916). Bei der fünften bis zur siebten Auflage handelt es sich um unveränderte Nachdrucke.

4. „Der kleine Stowasser“ 1913 – ein Longseller unter den Schulwörterbüchern
Schon 1913 stellte Petschenig dem Schul- und Handwörterbuch den sog. „Kleinen Stowasser“ zur Seite. Da sich die bisherige Großausgabe für die Bedürfnisse der Schule als zu umfangreich herausgestellt hatte, wollte ihr der Lexikograf ein handlicheres und kostengünstigeres Buch zur Seite stellen. Der Buchtitel „Der kleine Stowasser. Lateinisch-deutsches Schulwörterbuch“ trug entscheidend dazu bei, dass sich der Name des Lexikografen zum Markenzeichen verfestigte. Der Jahrzehnte hindurch unverändert nachgedruckte „Kleine Stowasser“ umfasst 541 Seiten.

5. „DER KLEINE STOWASSER“ 1979 – der erste „STOWASSER“ ohne Frakturschrift
65 Jahre nach der ersten Auflage des „Kleinen Stowasser“ kam es immer häufiger vor, dass die Schülerinnen und Schüler das sogenannte „lange s” des Buchtitels nicht mehr erkannten und daher glaubten, der Lexikograf habe „Stowaffer“ geheißen. Es war daher hoch an der Zeit, dass Hubert Reitterer gemeinsam mit Wilfried Winkler 1979 eine Neubearbeitung vorlegte. An dieser sowie an der folgenden Ausgabe hatte Kurt Smolak maßgeblichen Anteil. Durch die Verwendung schmaler Drucktypen war der „KLEINE STOWASSER“ 1979 trotz der größeren Anzahl an Stichwörtern schlanker als sein Vorgänger (XXXII und 507 Seiten).

6. Der Jubiläums-STOWASSER 1994 – der „STOWASSER“ ist nicht mehr „klein“
Schon 15 Jahre später erlebte der „STOWASSER“ eine weitere Neubearbeitung. Da die große Ausgabe seit 1938 nicht mehr gedruckt wurde, verzichtete man auf das nicht mehr sinnvolle Attribut „der Kleine“.
Infolge des erweiterten Autorenkanons stieg der Umfang des Buches, das genau 100 Jahre nach der Erstauflage erschien, auf XXXIX und 574 Seiten. Als Generalredaktor der Jubiläumsausgabe konnte der erfahrene Lexikograf Fritz Lošek gewonnen werden. Die auffallendste Änderung des „STOWASSER“ 1994 betrifft das Erscheinungsbild: Das bisher übliche grüne Cover machte einem farbenfrohen Einband Platz, den der Künstler Friedensreich Hundertwasser in 100 Variationen gestaltete.
6a. Der „Hundertwasser-STOWASSER“ erschien auch in etwas schlichterer Aufmachung als Österreichische Schulausgabe.

7. Der „STOWASSER primus“ 2010 – ein kompaktes Schulwörterbuch für die Erstlektüre
Das handliche Wörterbuch – es präsentiert sich anders als sein „großer Bruder“ nicht in Groß-, sondern in Klein-Oktav – umfasst XIV + 473 Seiten und weist erstmals in der Geschichte der STOWASSERFormate auch einen deutsch-lateinischen Teil auf. Der von Fritz Lošek herausgegebene „STOWASSER primus“ erschien 2010 bei Oldenbourg in München und wurde von der Stiftung Buchkunst unter die schönsten Bücher des Jahres 2010 gewählt.

8. Der „STOWASSER“ 2016 – eine der Tradition verpflichtete, aber vollständige Neubearbeitung
Das 776 Seiten umfassende Wörterbuch kam im Oldenbourg-Verlag München heraus. Es trägt nun folgenden Titel: Stowasser. Lateinisch-deutsches Schulwörterbuch. Begründet von J. M. Stowasser, M. Petschenig, F. Skutsch. Völlige Neubearbeitung 2016 hg. von Fritz Lošek.
Die Neubearbeitung verwirklicht „ein Konzept, in dem einerseits die traditionellen Stärken der Marke Stowasser beibehalten, ja sogar noch ausgebaut oder verbessert werden, andererseits der Zugang des Nutzers zu den gebotenen Informationen möglichst erleichtert wird und diese den aktuellen Wissensstand in Fach und Methodik widerspiegeln“ (der Herausgeber Fritz Lošek im Vorwort).
Die wichtigsten Neuerungen: Die lateinischen Texte sind durch blauen Farbdruck hervorgehoben, die Verben werden im Infinitiv angeführt, ehemals versteckte Stichwörter bekommen eigene Einträge, die deutschen Bedeutungen sind nach dem Häufigkeitsprinzip gereiht, alle Zitate werden vollständig ins Deutsche übersetzt.
Seit November 2022 liegt die Ausgabe von 2016 auch in digitaler Form als E-Book vor.

Die angeführten Exemplare lagen in den Vitrinen der Stowasser-Ausstellung auf.

Autor: Hermann Niedermayr

Dokumentation der Ausstellung „130 Jahre Stowasser“, 2023 organisiert und gestaltet vom Verein „Kunst Kultur in Kefermarkt“ und der Bundesarbeitsgemeinschaft Klassischer Philologen und Altertumswissenschafter Österreichs „Sodalitas“ im „Stöckl“ in Kefermarkt.