Die Stadt Steyr im 16. Jahrhundert

Höhepunkt einer Stadtgeschichte


Steyr im 16. Jahrhundert blickt auf eine Stadtgeschichte von rund 500 Jahren zurück. Vom Kern der Steyrburg aus ist die Stadt gewachsen. Die Verkehrslage an den Flüssen Enns und Steyr war günstig für die Entstehung des Handels. Das Erz aus dem Erzberg im Süden wurde hier gehandelt und verarbeitet. Dadurch gewann das Handwerk an Bedeutung.

Steyr war am Ende des 15. Jahrhunderts eine selbstbewusste und wohlhabende Stadt. Sie wuchs an Bedeutung im Zeitalter der Reformation und wurde zu einer evangelischen Stadt, „einem Bollwerk des Luthertums“, wie es von gegnerischer Seite bezeichnet wurde. Mit der Alternative zwischen Auswanderung und Konversion, vor die sich die Stadt in den 1620er Jahren gestellt sah, und die zu einer starken Abwanderung der Bürger und Handwerker führte, büßte die Stadt diese Stellung für lange Zeit ein.


Politik und Verwaltung
Im Jahr 1499 gewährt Kaiser Maximilian I. der Stadt Steyr das Recht, einen Bürgermeister zu wählen und schafft damit die Basis für mehr Autonomie und Freiheit. Die erste Wahl fällt auf den früheren Stadtrichter Kaspar Flädarn, der mit Beginn des Jahres 1500 sein Amt antritt.
Maximilian ist es auch zu verdanken, dass die sogenannte Sondersiechenanstalt zur eigenen Grundherrschaft erhoben, und die nun als „Bruderhaus“ bezeichnete Versorgungseinrichtung von einem Mitglied der Stadt verwaltet wird. Auch der „Gemeine Kasten“ in der Berggasse, also ein Haus für Arme und Bedürftige, wird dem Bruderhausverwalter unterstellt.
Das Erstarken der Zünfte führt am Beginn des 16. Jhdts. zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Ratsbürgern und Handwerkern. Im November 1506 lehnen sich etwa 180 Handwerker gegen den Rat auf und fordern eine Neuregelung der Bürgermeister- und Richterwahlen. Auch das Verhältnis von Produzenten (Handwerkern) und Händlern (Ratsbürger) soll neu geregelt werden.

Das Stift und die Stadt
Von großer Bedeutung für Steyr und das Umland ist das Benediktinerstift Garsten. Gegründet 1082, steht es während der gesamten Zeit des Mittelalters in religiöser, wirtschaftlicher und rechtlicher Hinsicht in enger Wechselbeziehung zur Stadt.
Die Stadtpfarre war nicht selbständig, sondern wurde von Garsten aus besetzt. Der Abt von Garsten war der „rechte Pfarrer“ zu Steyr. Diese Zuordnung vertrug sich mit der steigenden Bedeutung Steyrs und dem ebenfalls wachsenden Selbstbewusstsein der Stadt und ihrer Bürger schlecht. Die kirchliche Abhängigkeit wird als „schweres Joch“ empfunden.
Das Kloster spielte sowohl für die Einführung der Reformation in Steyr eine wichtige Rolle (weil viele evangelisch gesinnte Konventuale in Steyr als Pfarrer wirkten), als auch später, in Bezug auf die katholische Gegenreformation (weil die Äbte begannen ihre Jurisdiktion im katholischen Sinne durchzusetzen).

Blühendes Handwerk, einträglicher Handel
Mit 22 Zechen und Bruderschaften ist 1525 der Handwerksstand von Steyr führend im Lande ob der Enns. Ab dem Jahr 1540 wird der Zuzug von auswärtigen Handwerkern immer stärker. Um 1543 ist der Raum innerhalb der Stadtmauern bereits so beschränkt, dass für jene Messerer, die in großer Zahl aus Schwaben kommen, auf dem Wieserfeld zusätzliche Wohn- und Arbeitsstätten erbaut werden müssen. Aus dieser Zeit stammen auch die ältesten Steuerbücher der Stadt. Höchster Anerkennung beim Kaiser erfreuen sich die Büchsenmacher und Messerer, aber auch die Goldschmiedekunst ist in Steyr besonders hoch entwickelt.
Mit knapp 9.000 Einwohnern, die in rund 700 Häusern wohnen und arbeiten, ist Steyr für lange Zeit die zweitgrößte Stadt in Österreich und auch eine der reichsten.

Eisenstraße und Ennsschifffahrt
Mit dem Aufblühen von Handwerk und Handel geht auch ein gesteigerter Eisen-und Holzbedarf einher. Damit verbunden ist der dringend notwendige Ausbau des Land- und Wasserweges von Eisenerz über Hieflau nach Steyr.
Nach mehrmaliger Besichtigung der Flussstrecke durch Fachleute, wird von 1559 bis 1563 der Schiffweg bis Haimbach bei Altenmarkt unter Überwindung zahlreicher Schwierigkeiten erbaut. Verantwortlich dafür zeichnet der kaiserliche Baumeister Lienhard Prandtstetter. 1569 übernimmt der damals berühmte Wasserbauingenieur Hans Gasteiger aus Tirol den weiteren Bau des Schiffwegs, der 1583 seine Vollendung erfährt. Wahrscheinlich wurde Gasteiger im Zuge dieser Tätigkeit auch als Ratgeber für den Bau des Neutores in Steyr zugezogen, den der Italiener Jakob Marconi leitete. Sowohl der „Treppelweg“ entlang der Enns als auch das Neutor zählen in dieser Zeit zu den hervorragenden Leistungen der Bautechnik in Österreich.

Wasserturm
1572 beauftragt der Magistrat den Steyrer Michael Aidn mit dem Bau eines Wasserturmes in Zwischenbrücken. Das Wasser- und Hebewerk liefert um 200 Rheinische Gulden der Brunnenmeister Peter Wagner aus Augsburg. Das technische Kunstwerk erregt solches Aufsehen, dass die kaiserliche Hofkammer im Jahr 1586 ein Modell und den Plan davon begehrt. Seit dem Jahr 1574 speist diese Anlage die öffentlichen Brunnen am Stadtplatz mit Wasser.

Seuchen und Friedhof
Trotz der zahlreichen Hygienemaßnahmen wird Steyr in diesem Jahrhundert mehrmals von großen Seuchen heimgesucht. Am heftigsten wütet dabei die Pest in den Jahren 1541/42, 1569/70 und 1584/85. Als Reaktion darauf erlässt der Magistrat eine erste Infektionsordnung. Personen, die der Seuche erliegen, bestattet man im so genannten „Weichselgarten“. Da dieser Friedhof 1569 zu klein wird, beschließt der Rat einen neuen, modernen Friedhof im Stil eines italienischen „Campo Santo“ (Heiliges Feld) auf der „grünen Wiese“ des Tabors anlegen zu lassen. 1584 ist der Bau des Renaissancefriedhofes vollendet. Er ist damit der erste Friedhof dieser Art nördlich der Alpen.

Lateinschule und deutsche Schulen
Der neue, reformatorische Glaube, bewirkt eine Umgestaltung des gesamten Schulwesens. Die alte Stadtschule wird in eine moderne, evangelische Lateinschule umgewandelt. Im Jahr 1559 wird das Dominkanerkloster wieder aufgebaut und darin eine Lateinschule eingerichtet. Theologie, Griechisch, Latein und Musik sind dabei die wichtigsten Unterrichtsgegenstände. Als Rektoren wirken an dieser Schule Andreas Khuttner, Thomas Brunner (Pegaeus), Daniel Moller und Georg Mauritius. Nach einer kurzfristigen Schließung von 1600 bis 1608 aufgrund der ersten katholischen Restauration wird die beliebte Schule 1608 wieder eröffnet und besteht bis 1624. Letzter und bekanntester Rektor ist dabei der Regensburger Ägidius Weixelberger.
Die rasche Verbreitung von Druckwerken, der ständig steigende Handelsverkehr sowie die Reformation drängen die Stadtväter in der ersten Hälfte des 16. Jhdts. Zur Einführung eines Volksunterrichtes, der neben religiösen Unterweisungen vor allem die elementaren Kenntnisse des Lesens, Schreibens und Rechnens vermitteln sollte. So entstehen in Steyr neben der Lateinschule zwei „Deutsche Schulen“, von denen eine im „Gemeinen Kasten“ (Berggasse) und die andere nach 1560 im alten Lateinschulgebäude untergebracht war. Von 1567 – 1594 wirkte an dieser Schule der berühmte Rechenmeister Kaspar Thierfelder aus Freiburg, der 1587 sein bekanntes Rechenbuch herausgab. Alle diese Schulen waren protestantisch geprägt.

Brände und Hochwässer als Zeichen Gottes
Fast ebenso häufig wie die Brände sind in diesem Jahrhundert die Hochwässer. Die größte jemals verzeichnete Hochwasserkatastrophe erlebt Steyr am 8. Juli 1572. Die Fluten der Enns steigen so weit, dass der gesamte Stadtplatz und die Engegasse unter Wasser stehen. Zahlreiche Häuser, die Stadtmauer am Ennskai und die Neutorbastei stürzen ein. Gemeinsam mit Heuschreckenplagen und Hagelunwettern werden die Brände und Hochwässer auch als Zeichen Gottes gegen den Sittenverfall gedeutet.

Die Meistersinger von Nürnberg und von Steyr
Steyr zählt in Österreich zu den wenigen Städten in denen der Meistergesang eine gastliche Heimstätte findet. Gemeinsam mit der Handelspartnerstadt Nürnberg formiert sich hier eine bedeutende Meistersingschule, deren hervorragendster Vertreter Severin Kriegsauer ist. In der Blütezeit gehören dieser Schule 34 Meistersinger an, deren Lieder und Texte weit über die Grenzen Österreichs bekannt wurden. In den Wirren der Gegenreformation verstummt der Steyrer Meistergesang nach seiner kurzen, intensiven Blüte für immer.

Reichtum durch Eisen-, Stahl-und Messerhandel
Die kurz vor Beginn der Reformation aus deutschen Landen eingewanderten Händler- und Kaufmannsfamilien bringen der Stadt und ihren Bewohnern einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung. In Konkurrenz mit den alt eingesessenen Steyrer Händlern steigern sie den Stahl-, Eisen-, Messer- und Rohleinenhandel nach Venedig und in die süddeutschen Metropolen um ein vielfaches. Viele von ihnen erlangen im Rat der Stadt die höchsten Ämter und anschließend meistens einen Adelstitel. Die mächtigsten Familien in dieser Epoche sind die Aettl, Attaler, Dorninger, Engel, Fenzl, Forster, Gstettner, Gutbrot, Händl, Kernstock, Köberer, Pfefferl, Reischko, Resch, Rottaler, Strasser, Urkauf, Winkler und Zuvernumb. Auf Betreiben Erzherzogs Karl von Steiermark wird trotz des scharfen Einspruchs dieser Händler 1581 die „Steyrer Eisenkompagnie“ gegründet, um den immer mehr werdenden Privathandel ein Ende zu bereiten.

Die Steyrer Burggrafen schließen sich der Reformation an
Mit Hans Hoffmann von Grüenbühel und Strechau tritt im heiß umkämpften Jahr 1532 (Türkenkrieg) ein Burgherr seine Pfandherrschaft in Steyr an, der zunächst als treuer Katholik zu Buche steht. Erst mit fortschreitendem Alter wendet er sich, nicht zuletzt aufgrund seiner Bildung, um 1560 dem evangelischen Glauben zu. Damit schlägt er eine geistige und religiöse Brücke zum Stadtpatriziat, welches Steyr für fast ein halbes Jahrhundert eine Vorzugsrolle unter den protestantischen Städten Österreichs einräumt.
Mit Adam, Ferdinand, Hans Adam und Hanns Friedrich Hoffmann verwalten und gestalten vier weitere Angehörige dieser Familie mit einer kurzen Unterbrechung bis 1610 die Entwicklung der Stadt und der Burgherrschaft zu einem wirtschaftlichen, bildungsorientierten und neugeistigen Zentrum der Region Eisenwurzen.

Valentin Preuenhueber: Chronist der Stadt
Zur Blütezeit der Stadt gehört auch ihr bedeutendster Geschichtsschreiber, der bis heute großes Ansehen genießt, Valentin Preuenhueber.
Über sein Leben wissen wir nicht viel. Sein Geburtsdatum ist ebenso unbekannt wie sein Geburtsort in der Obersteiermark. Auch wo er seine Bildung erworben hat, bleibt im Dunkel. Irgendwann zwischen 1607 und 1612 ist er als Schreiber der Stadtkanzlei in den Dienst der Stadt Steyr getreten. Bis 1620 ist er auf diesem Posten tätig und wird dann vom Magistrat zum Sekretär der Eisengewerkschaft befördert.
1628 muss er Steyr auf Grund seines evangelischen Glaubens verlassen und geht zunächst nach Regensburg.  Preuenhuebers Hauptwerk sind die „Annales Styrenses“, eine Geschichte der Stadt Steyr von ihren Ursprüngen bis zum Jahre 1618.

Bauernaufstand und Gegenreformation
Dem ersten Bauernkrieg von 1525 folgt in den Jahren von 1594 bis 1597 ein zweiter. Religiöse und soziale Beweggründe stehen auch diesmal wieder im Vordergrund. Nach anfänglich vereinzelten Erfolgen wird der Aufstand 1597 in allen Teilen des Landes ob der Enns endgültig niedergeworfen und zahlreiche Redelsführer ohne Prozess verurteilt und enthauptet. Im Zuge dieser Unruhen beginnt Anfang 1599 in Steyr die erste Gegenreformation. Zunächst werden die Lateinschulen geschlossen und in der Stadtpfarrkirche wieder ein katholischer Gottesdienst gehalten. Die protestantischen Bürger der Stadt sind verunsichert und weichen für ihre Gottesdienste auf die Adelskirchen rund um Steyr aus (Losensteinleithen und Stadlkirchen).

1517! Und Heute? Steyr 2017. Reformationsstadt Europas - Dokumentation zur Sonderausstellung im Museum der Stadt Steyr vom 24. März bis 5. November 2017.