Luthers Vorstellungen von einem Friedhof: Ein Friedhof ist ein stiller, durch eine Mauer eingefriedeter Ort, den die Christen aufsuchen um zu beten und über den Tod, das Jüngste Gericht und die Auferstehung nachzudenken. Nach dem Vorbild des alten Israel liegt er außerhalb der Stadt. Bilder an der Mauer oder auf den Grabdenkmälern erinnern an die biblische Botschaft.
Bei Begräbnissen verkündet der Prediger die Botschaft von der Auferstehung der Toten. Im Vertrauen auf die Rechtfertigung des Sünders allein durch die Gnade Gottes werden die Verstorbenen Gott überlassen und „schlafen“ bis zur Auferstehung am Jüngsten Tag. Der Friedhof wird zum „Schlafhaus“, das Grab zum „Schlafkämmerlein“, der Tod zum Durchgang auf dem
Weg zur „fröhlichen Auferstehung“.
Der Steyrer Friedhof
1569 entschloss sich der Rat von Steyr, auf Drängen der Prediger, zur Errichtung des neuen Friedhofs auf dem Tabor. Bis 1584 wurde an seiner Fertigstellung gearbeitet.
Er war im Sinne der Reformation ein stiller Ort außerhalb der Stadt. Biblische Szenen schmückten die durch Mauer und Arkadenganggebildeten „Kapellen“. Im Turm über dem Tor befand sich die Kanzel für den Prediger. Eine Inschrift verkündet die Funktion des Friedhofs:
HAEC LOCA CORPORIBUS DEFUNCTIS STIRA PARAVIT
AETERNI AT DOMINI EST FERTILIS ILLA SEGES
SOMNUM, NON MORTEM SPECTAS IN MORTE PIORUM
INQUE DEO SALVI, QUI MORIUNTUR ERUNT.
DIESE STÄTTE BEREITETE STEYR DEN VERSTORBENEN KÖRPERN
EIN FRUCHTBARES SAATFELD IST JENE DES EWIGEN HERRN
SCHLAF NICHT TOD SIEHST DU IM TODE DER FROMMEN
IN GOTT NÄMLICH GERETTET WERDEN SEIN DIE STERBEN.
„Bedenck mensch das wir sterblich sein /
Du gehest für aus oder ein.
Glaube an Christum den Herren /
So wirstu nicht ewig sterben.
Tausendfünfhundertachtzigvier /
Baut Steirstadt das Schlafhaus allhier /
Auferstehn und ewigs Leben /
Wird uns Gott aus gnaden geben.“
Evangelische Grabdenkmäler
Evangelische Grabdenkmäler („Epitaphe“) sollen zum Nachdenken über Tod und Auferstehung anregen. Die Verstorbenen dienen als Vorbilder im Glauben. Biblische Texte und Szenen verdeutlichen die Überwindung des Todes durch Gottes Handeln in Christus. Alttestamentliche Szenen (Jona, Hiob…) werden als Vorwegnahme des Wirkens Christi interpretiert.
Doch den meist wohlhabenden Auftraggebern der Denkmäler war der Nachruhm genauso wichtig. Deshalb ließen sie sich auch nach Fertigstellung des neuen Friedhofs in der Pfarrkirche begraben und die Gedenktafeln an gut sichtbarer Stelle anbringen.
EIN FRIEDHOF IST „EIN ORT, IN DEM DIE VERSTORBENEN MITGLIEDER CHRISTI IN EINEM STILLEN SCHLAFHAUS RUHEN UND BIS ZU IHRER FRÖHLICHEN AUFERSTEHUNG VERWAHRT SEIN MÖGEN.“
Begräbnisordnung Steyr, 1567
„IN MEINEM ELEND WAR DIES MEIN TROST:
ICH SPRACH, ER LEBT, DER MICH ERLÖST,
AUF DEN ICH IN DER NOT VERTRAUT,
WIRD MICH WIEDER MIT MEINER HAUT,
UMGEBEN, DASS ICH AUS DER ERD´,
VOM TOD WIEDER ERWECKET WERD´.
IN MEINEM FLEISCH WERD ICH GOTT SEHEN
DAS IST GEWISSLICH WAHR UND WIRD GESCHEHEN,
AM JÜNGSTEN TAG, WENN GOTT DER HERR,
GEWISS KOMMT MIT DES HIMMELS HEER,
UND RICHTET DAS MENSCHLICHE GESCHLECHT:
EIN GOTT, GEWALTIG UND GERECHT.“
Hiob am 19. Kapitel, Inschrift auf einem Epitaph
1517! Und Heute? Steyr 2017. Reformationsstadt Europas - Dokumentation zur Sonderausstellung im Museum der Stadt Steyr vom 24. März bis 5. November 2017.