Der Innviertler
vs. Hausruckviertler

Bauernhofformen und Tracht

Was immer die Untertanen wirklich über ihre neue Zugehörigkeit zu Österreich dachten, es gab eine Menge Unterschiede zwischen den Menschen diesseits und jenseits des Hausrucks, die sowohl die Kultur, als auch den Charakter der Menschen betrafen.
 

Bauernhofformen

Zum größten Teil ist das Innviertel das Land der großen und schönen Bauernhöfe Typisch ist der Innviertler Vierseithof. Um einen meist quadratischen Innenhof sind die vier Hauptgebäude einzelnstehend angeordnet, sie werden verbunden durch vier Tore. Die Hauptgebäude sind Wohnhaus, Stall, Stadel und Schupfen. Früher waren sie meist aus Holz in Blockbauweise. Vorherrschend ist das Legdach, ein eher flaches Dach, das aber in den Bezirken Ried und Schärding oft einem sogenannten „Vierblattler“, einem pyramidenförmigen Zeltdach gewichen ist.

Der Hausruckhof stellt von seiner Form her einen Mischtyp zwischen Innviertler Vierseithof, bei dem die Gebäude einzeln stehen, und dem Vierkanthof, bei dem alle Gebäude zusammengebaut sind, dar. Beim Hausruckhof steht nur das Wohnhaus einzeln, es „springt ein“, davon kommt die Bezeichnung „Einspringer“ für diese Hofform. Das Wohnhaus hat einen eigenen, abgeschopften (abgewalmten) Giebel. Das früher übliche Legdach wurde zugunsten eines Zeltdaches ohne oder mit kurzem First aufgegeben. Es steigt zuerst flach an und wird dann steil.


Tracht

Um 1800 gab es noch stärkere Unterschiede in der Tracht, vor allem war der reichere Innviertler auch teurer gekleidet.

Im Hausruckviertel trugen Männer einen niederen groben Filzhut, einen schwarzen Halsflor, ein Wams von grobem Tuch oder Wollzeug, eine weite Jacke aus grünem Loden, kurze Hosen aus Kalbsleder, eine Schürze aus blauer Leinwand. Dazu trug man weiße oder schwarze Strümpfe und bis an die Knöchel reichende Schuhe oder Stiefel.

Die Frauen hatten einen weißen runden Filzhut oder eine Linzerhaube mit Spitzen auf, darunter ein braunes oder schwarzes Kopftuch. Sie trugen ein Korsett und einen Rock aus braunem oder schwarzem Kattun, eine blaue oder schwarze Schürze, schwarze oder weiße Socken und hohe Schnürschuhe.

Im Innviertel spielte die Tracht eine wichtige Rolle, besonders bei Hochzeiten. Die Männer trugen einen fein gearbeiteten Tuchrock, eine Samt- oder Seidenweste, die oft reich bestickt war, mit Pfauenfedern gestickte Gürtel (Ranzen) und ein buntseidenes Halstuch, dazu eine lange Tuch- oder Lederhose. Wahlweise kleidete man sich mit langen Schoßröcken oder kurzem „Scheikl“. Dazu wurde ein niederer Hut getragen.

Viel Wert wurde auch auf Schmuck und Uhren, schöne Knöpfe etc. gelegt. Die Frauen trugen um 1800 meist schon die Goldhaube bei festlichen Anlässen, sonst das Kopftuch. Oft hatte man auch schwere, brokatene Seidenkleider als Festtracht und schöne, dazu abgestimmte Tücher. Die Materialien waren teuer aber nicht protzig.

In der Münzkirchner Gegend hatten die Frauen eine besondere Tracht bei Begräbnissen. Die Klageweiber trugen lange, weiße, in Falten gelegte Schleier, die auf dem Kopf eine Haube bildeten und bis unter die Nase zusammengebunden waren.


Der Dialekt

Grundsätzlich stammen Innviertler und Hausruckviertler Dialekt aus derselben Wurzel, beide gehören zu den mittelbayrischen Mundarten. Heute ist es in beiden Vierteln zu Verschmelzungen gekommen und viele alte Dialektwörter verschwanden in den letzten Jahrzehnten. Bis etwa in die 60er Jahre konnte man die dialektalen Eigenheiten noch besser feststellen. Einzelne Vokale und Konsonanten wurden im Inn- und Hausruckviertel völlig verschieden gesprochen.


Innviertler Dialekt

Der Innviertler Dialekt ist zum Teil vom bayrischen stärker beeinflusst, hebt sich von diesem aber doch deutlich ab. Durch das Innviertel verläuft eine Dialektgrenze, die sich mit der Grenze zwischen Mattig- und Rotagau deckt. Das Hausruckgebiet gehörte zum Mattiggau und war eines der Gebiete, in denen sich dialektale Eigenheiten am längsten hielten.

Durch oi für e oder a bei nachfolgendem l (Geselle/ Gsoi, fällt/ foit, Wald/ Woid) grenzt sich das Kerngebiet des Innviertels vom übrigen Oberösterreich ab. Diese Eigenheit hat auch das bayrische Rotttal.

Im ganzen bayrischen Raum wird e vor r (er, är) offen gesprochen. Weritag (Werktag), wern (sich wehren), steribn (sterben). Im Hausruckviertel spottet Stelzhamer spreche man dagegen e(r)scht (erst) und ze(r)scht (zuerst). Er führt den Satz an „Dö escht mein, d´ander dein, sagns im Höbellant ent.“ (Die Erste mein, die Andere dein sagen sie im Hausruckviertel).


Hausruckviertler Dialekt

Der Hausruckviertler Dialekt war immer stärker vom restlichen oberösterreichischen Dialektgebiet geprägt als der Innviertler. Das Hausruckgebiet nimmt hier allerdings eine Sonderstellung ein, da die Einflüsse von der anderen Seite gerade in Haag, Rottenbach und Pram stark waren. Dieses Mischmundartgebiet wird nach der Aussprache altes a als ä, die man sonst im Taiskirchner Raum findet, auch als „Plätzer-Gebiet“ bezeichnet. Hier hat sich zum Teil die Innviertler Mundart durchgesetzt. Das Gebiet ist aber nur ca. 10 Kilometer lang und eher schmal, schon Teile Haags gehören ihm nicht mehr an.

Das „Plätzen“ ist normalerweise eine sprachliche Eigenheit des Innviertels, besonders um Taiskirchen, über die sich die Hausruckviertler gerne lustig machten: „Geh a wenig ana, dass di da Gädän nöt plääzt.“ (Geh ein wenig herein, damit dir der Gatter nicht hinaufschlägt).

Die restlichen Gemeinden im Gerichtsbezirk Haag liegen im eo-Gebiet. Im Hausruckviertel wird für das o kurzes eo gesprochen.

Brot=Breod, tot=teod, rot=reod. Im Innviertel dagegen kurz „oe“ Broed, toed, roed.

Im Hausruckviertel wird das r noch nicht so stark vokalisiert wie im Innviertel. Im Anlaut bleibt es: Bauer, sauer, Mauer, bei: her, mehr, der fehlt es allerdings auch (he, me, de). Über dieses Auslassen des r machten sich die Innviertler, die hea, mea, dea sprechen, mit dem Satz lustig: „Geh he da, kaf ma Kesch a, i gib dar um uini mera wia de da!“ (Geh her da, kaufe mir Kirschen ab, ich gebe dir um eine mehr als der da!)

Vor s, sch, l, f und n verschwindet es: Gerste (Gestn), Erle (Eln), werfen (wefn). Vor k, z, t wird das r zu ch: Herz (Hechz), merken (mechen), Schwert (Schwecht). Im Innviertel wird das r als Vokal gesprochen: Geaste, meaken, weafen…

Im Hausruckviertel wird il und el zu ü und ö: Gabel/Gabö, mild (müd), im Innviertlerischen wird es zu einem kurzen e: Gowe.

Im Hausruckviertel wird iu gesprochen: friusen (frieren), im Innviertel ia: fiasn.

In manchen Teilen des Landls wird ei zu ui: kui (kein), im Innviertel oa: koa. Für die Ohren des Innviertlers „singt“ der Hausruckviertler beim Sprechen, wenn er mehr Zwielaute kennt. Er nennt ihn daher „landlerischen Hoidei“ und spottet ihn „Dadeigl“ (der Teufel), er selbst spricht „da Teixl“.


Die Feindschaft

Die Feindschaft zwischen Innviertlern und Hausruckviertlern war natürlich historisch entstanden. Durch die verschiedene geschichtliche Entwicklung hatte sich ein sehr unterschiedlicher Charakter ausgebildet. Die verschiedenen Kriegshandlungen zwischen Bayern und Österreich hatten diese Gegensätze noch vertieft. Auch dass die Hausruckviertler am Bauernkrieg teilgenommen hatten und die Innviertler nicht, erzeugte eine andere Mentalität. Der Innviertler hatte nicht erleben müssen, wie sein Widerstand gewaltsam gebrochen und ihm die Ausübung der neuen Lehre verboten wurde.

So hatte man bei der Eingliederung des Innviertels auf beiden Seiten des Hausrucks große Vorbehalte gegen die neuen Landsleute. Im Innviertel wurde der Ausdruck „Landler“ für die Hausruckviertler meist als Schimpfwort gebraucht, auf den man „Bandler“ reimte, womit man einen feigen Zauderer meinte. Der Landler rief dem aufbrausenden Innviertler gelegentlich „Hehapeda“ und „Protzen“ nach, was soviel wie Großredner und Aufschneider bedeutet.

Der wehrhafte, aufbrausende Charakter des Innviertlers erfuhr historisch gesehen keine größeren Dämpfer. Stelzhamer meint in einem Vierzeiler:

Frisch außa, was drin is,
nöt kriachn am Bauch,
frei d´Hand göbn, ins Gsicht schaun,
is Innviertler Brauch.“


Der Charakter des Hausruckviertlers vor den Bauernkriegen mag ganz ähnlich gewesen sein. Auch er wird in den Schriften und auf Bildern als wehrhaft und Waffen tragend dargestellt. Doch durch die Bauernkriege wandelte sich der Charakter des Hausruckviertlers.

Was nöt wahr is, muaßt b´stattn,
was wahr is, laugnst a(b).
muaßt di(ch) kloan verdraht stölln,
wanns di(ch) ausfratscheln (fragen) wölln.


Traf man sich nun auf Kirchtagen oder zum Tanz, führte der unterschiedliche Charakter oft zu heftigen Auseinandersetzungen.

Der für unsere Gegend typische Tanz war und ist der Landla. Er entwickelte sich besonders dort, wo es Zechen gab. Gerade sie machten aus dem Landlatanz eine Art Sport. Es ist ein gegangener, fortschreitender Rundtanz, bei dem sich die Paare gegen den Uhrzeigersinn um die eigene Achse drehen und durch Verschlingung der Arme verschiedene Tanzfiguren bilden. Diese werden von allen Tänzern gleichzeitig ausgeführt.

Dazu kam noch ein mehrstrophiger Gesang, der von der begleitenden Musik unabhängig war, bis zu acht Stimmen hatte und das zum Vierschlag gesteigerte „Paschen“ und „Stampfen“, das einheitlich klingen sollte. Die beliebtesten Begleitinstrumente des Landlers waren Geigen, von „Landlageigern gespielt“, zwei genügten dabei meist. Monatelang übten die Zechen die Tänze. Zechen sind Vereinigungen von Bauern, die sich dazu gebildet hatten, um einander zu helfen, sich gemeinsam zu verteidigen und gemeinsame Auslagen zu bestreiten, aber auch, um gemeinsam zu feiern und zu tanzen. Man konnte nicht einfach zu einer Zeche gehen, man musste zuerst bei einem Mitglied anfragen, ob man „mitgehen dürfe“. Dies war erst ab 16 Jahren möglich, dann wurde über eine Aufnahme beraten. Hielt eine Zeche etwas auf sich, wurde streng geprüft, damit man sich in Zukunft nicht für den Neuling genieren musste. Geschlossen traten die Zechen beim Tanz, bei Hochzeiten und beim „Reiten“ auf.

Das Konkurrenzdenken beim Tanzen und das Dreintanzen führten immer wieder zu Streitigkeiten.

Stolz und Rauflust zeigten sich hier ebenso wie in den Gstanzln, die zuerst die Burschenzechen am Tanzboden sangen, bevor es zu den unumgänglichen Raufereien kam.


Die Freundschaft

Aber es gab natürlich nicht nur Raufereien zwischen Inn- und Hausruckviertlern. Die jungen Leute trafen sich zu Tänzen, besonders am Hausruckkamm und in den angrenzenden Orten. Und trotz Spötteleien auf die Mädchen der anderen Seite verliebte man sich doch oft in eine oder einen von drüben, auch wenn dies von den Mädchen und Burschen im eigenen Ort nicht so gern gesehen wurde.

Schon um 1600 traf man sich am alten Tanzplatz am Hausruckkamm (siehe Libell, erster Raum). Dieser könnte ein alter Taidingsplatz gewesen sein, worauf auch die Bezeichnung „Galgenpuchen“ ganz in der Nähe hinweisen könnte.

Auch um 1815 traf man sich noch auf diesem Tanzboden. Pfarrer Wessiken von Geboltskirchen berichtet:
Merkwürdig ist der mit Tannen und Buchen gut bewachsene Hausrukberg, weil auf dessen Rücken sich bis zum Jahre 1779 die Grenze zwischen Oesterreich und Bayern hinzog, welche durch- noch zum Glücke vorhandene- Pfähle bezeichnet war, und auch späterhin die Grenze zwischen dem Hausruck- und Innkreise blieb. Mehrere Blockhäuser hatte Oesterreich auf diesem Berge an der Grenze der hiesigen Pfarr, welche den angrenzenden Bewohnern beider Nationen in friedlichen Zeiten Sammelplätze zur Erhollung und Belustigung waren;…

Diese Treffen zum Tanz hatten sicherlich nicht nur Anhänger gefunden. Es gab immer wieder Zeiten, in denen die Kirche solche Vergnügungen nicht gerne sah und sie mit dem Teufel in Verbindung brachte. So ranken sich um Tanzböden oft solche Teufelssagen:
Es wird erzählt, daß vor mehr als 200 Jahren, als der Hausruck noch die Grenze zwischen Österreich und Bayern war, die Burschen und Mädchen von Eberschwang in Bayern, und die von Hausruckedt und Mühlau in Österreich oft auf den Urhamer stiegen, um dort fröhliche Feste zu feiern, die oft bis nach Mitternacht gedauert haben. Eines Nachts, als die jungen Leute besonders ausgelassen tanzten, soll sich der Teufel oder Menschen in Teufelsgestalt unter die Tanzenden gemischt haben. Zu Tode erschrocken stoben die Burschen und Mädchen auseinander. Seither ist es wieder still am Urhamer.

Nicht nur von den angegebenen Orten kam die Jugend herauf, auch von Geboltskirchen, von der Gschwendt beim Giselastollen, führt ein schnurgerader, uralter Weg auf den Tanzboden.

Andere Sagen über den Tanzboden erzählen, dass sich zur Geisterstunde Hexen, als hübsche Mädchen verkleidet, zu den Tanzenden gesellten. Da die Burschen nur mehr mit diesen „feschen Dirndln“ tanzten, kam es bald zu einer wüsten Rauferei, bei der die Hexen die Oberhand gewannen und die Tanzenden vertrieben.

Das Entstehen solcher Teufels- und Hexensagen lässt sich leicht erklären. Manche Mutter wird wohl ihrer Tochter ganz gezielt Angst vor diesem Platz gemacht haben, um zu verhindern, dass sie sich nachts fortschlich, auf finsteren Waldwegen herumlief und an „unzüchtigen“ Tanzereien teilnahm. Auch mögen die Hausruckviertler Mädchen die Innviertlerinnen wohl manchmal als Hexen bezeichnet haben und umgekehrt, wenn sie einander die Burschen ausspannten.

Auch ein Gasthaus am Tanzboden soll es gegeben haben, in dem sich allerlei Seltsames ereignete. So soll dort einmal ein Bauer mit dem Teufel um dessen Stiefel gespielt und gewonnen haben, sodass der Teufel barfuß heimgehen musste.

Heute sind sowohl das Gasthaus am Tanzboden als auch die Blockhäuser verschwunden. An den seltsamen Ort, an dem man sich von beiden Seiten traf, erinnern nur mehr Sagen und einige verwachsene Grundmauer.

Autoren: Irene und Christian Keller, 2012

Der Hausruck als Grenze. Landler/Bandler - Innviertler/Rindviertler - Dokumentation zur Ausstellung im Kulturgut Hausruck und Schloss Starhemberg, in Kooperation mit der OÖ. Landesausstellung 2012.