Dialektik
des Fortschritts

Konsumarbeit
Lange bevor Schlagworte wie „Haushaltstechnik“, „Heimtechnik“, „Rationalisierung“ und „Technisierung“ als Metaphern für eine neuzeitliche Haushaltsführung zum Allgemeingut wurden - was erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts der Fall war - hatte der industrielle Aufschwung bereits damit begonnen, die Arbeit im Haushalt zu wandeln. Im Schatten eines steigenden Angebots an Fertigprodukten wurde die haushälterische Verantwortung für die Versorgung der Menschen mehr zur Konsumarbeit.

Mit den Fertigprodukten verschwanden auch verschiedenste Arbeiten aus dem hauswirtschaftlichen Verantwortungsbereich, nicht nur im Bereich der Vorratshaltung. Ein Beispiel dafür ist die Zunahme konfektionierter Fertigkleidung. Früher wurden mit sehr einfachen Mitteln viele komplizierte Kleidungsstücke selbst gefertigt. Heute besitzt fast jeder Haushalt eine raffinierte Nähmaschine (1974 besaßen über 90 Prozent aller Linzer Haushalte eine elektrische Nähmaschine), mit der aber meist nur alle paar Wochen eine aufgegangene Naht erneuert wird. Nach der Zahl jener verkauften Nähmaschinen müssten wir jedoch ein Volk der „Eigenkleidler“ sein. In Wirklichkeit wird die Chance, Eigen-tum durch Eigen-tun zu schaffen, nur selten wahrgenommen.

Zahlreiche Haushaltsgeräte
Bei der Verwendung des Begriffs „Haushaltstechnik“ denken wir doch heute gemeinhin an Geräte wie Waschmaschine, Staubsauger, Mixer ..., also Maschinen, Apparate oder Werkzeuge, die für die Reinigung von Wäsche und Wohnung oder zur Nahrungsmittelzubereitung benötigt werden. Ein Blick in die Wohnung offenbart darüber hinaus aber eine eindrucksvolle Palette an sonstigem technischem Gerät für Körpferpflege, Freizeit, Unterhaltung, Kommunikation ..., die ebenfalls der Haushaltstechnik zuzurechnen ist. Haushaltsgeräte sind also zunächst einmal durch den Ort ihrer Nutzung einzugrenzen sowie durch das Kriterium, dass Privathaushalte als Wirtschafts- und Lebensgemeinschaft über sie verfügen. In jedem Fall aber sind sie kein Novum des 20. Jahrhunderts, denn Geräte und Werkzeuge zur direkten Versorgung der menschlichen Grundbedürfnisse zählen zu den ältesten Techniken der Menschheit und ein Großteil von ihnen existierte schon zuvor in hand- oder fußbetriebener Form.

Zögerliche industrielle Produktion
Gehen wir von der heutigen Standardausstattung der Haushalte aus, so geben die Geräte nur einen kleinen Ausschnitt des gesamten Techniksystems preis, auf dem sie fußen. Denn das wesentliche Kennzeichen der „modernen“ im Unterschied zur „traditionellen“ Ausstattung ist ihre Abhängigkeit von zentralen Versorgungssystemen: Wasser, Strom, Gas, Nachrichtenübermittlung, Informations- und Unterhaltungssysteme (Hörfunk, Fernsehen ...), letztendlich auch die Müllentsorgung. Erst am „Ende“ der Leitung taucht das auf, was wir gemeinhin als Haushaltstechnik zu bezeichnen pflegen, was aber ohne die verborgenen Netze zumeist nicht funktionieren kann. Die Bereitstellung dieser verschiedenen Systeme war unabdingbare Voraussetzung für das reiche Warensortiment, das seit Mitte des 19. Jahrhunderts möglichst viele verschiedene Verbrauchergruppen ansprechen sollte. Dennoch wurde die industrielle Produktion dieser Geräte nur langsam begonnen, und noch erheblich länger dauerte es, bis die ersten Haushaltsgeräte von den Familien angeschafft wurden.

So kochte die Mehrzahl der Hausfrauen noch nach dem Zweiten Weltkrieg auf Kohleherden, obwohl seit Jahrzehnten das Prinzip der Gas- und Elektroherde entwickelt war. Bei Waschgeräten ist die Zeitdifferenz von technischer Entwicklung und Verbreitung noch extremer. Obwohl bereits 1815 erste Erfindungen zur Entwicklung der Waschmaschine gemacht wurden und das Geräte letztendlich in den 1920er Jahren technisch ausgereift war, war das Waschen mit Kessel und Waschbrett bis in die 1960er Jahre in Waschküche, Badezimmer oder auf dem Küchenherd in der Mehrzahl der Haushalte üblich.

Geräte zur Unterhaltung
Im Gegensatz zur Ungleichzeitigkeit bei Haushaltsgeräten, die zur Arbeitserleichterung dienen, gilt dies für Haushaltsgeräte, die für die Unterhaltung entwickelt wurden, nur in sehr geringem Maße. Sobald die technischen Grundprinzipien entwickelt waren, wurden Serienproduktionen in Gang gesetzt und auch die Verbreitung der Geräte schritt schnell voran. Als etwa 1923 in Österreich die ersten Radiosendungen übertragen wurden, waren 500 Rundfunkteilnehmer gemeldet. Die Radio Verkehrs AG (RAVAG), die ein Monopol für Sendeanlagen und Rundspruch erhielt, nahm am 1. Oktober 1924 offiziell den Programmbetrieb auf. Das Radiogeschäft boomte. „Vom Hausknecht bis zum Direktor, ein jeder sitzt beim Detektor“, tönte es im Foxtrott-Rhythmus. Das Radio drang in die entferntesten Nester vor; die Hörerzahlen stiegen sprunghaft an. 1924 gab es schon 30.000 Empfangsgeräte. Durch die ab 1934 serienmäßige Produktion eines kostengünstigen Röhrengerätes, den so genannten Volksempfänger, wurde die Verbreitung nochmals gefördert.

Auch beim Fernseher ist der Schritt von der technischen Idee bis zur Verbreitung relativ kurz. Als Erfinder des Fernsehens gilt der Deutsche Paul Nipkow, der sich 1884 die nach ihm benannte Spirallochscheibe als mechanischen Bildfeldzerleger und die Erfassung und Übertragung der einzelnen Bildpunkte mittels Selenzellen patentieren ließ. Allerdings gehörte nicht der mechanischen, sondern der elektronischen Bildzerlegung mit der Braunschen Röhre die Zukunft. Bis zum Zweiten Weltkrieg waren die fundamentalen technischen Probleme des Fernsehens im Prinzip gelöst, einschließlich des Farbfernsehers. Nur der Krieg hatte die Durchsetzung des Gerätes verzögert. Der regelmäßige Fernsehbetrieb wurde in Österreich 1958 aufgenommen. 1960 besaßen nur 100.000 Haushalte eine Fernsehbewilligung, 1967 bereits eine Million.

Unterhaltung vor Hausarbeit
Vergleicht man die Kaufentscheidung für Arbeitsgeräte mit jener für Geräte der Unterhaltungstechnik und nimmt zum Vergleich solche Angebote, die erstens gleichzeitig auf den Markt kamen und zweitens etwa gleich viel kosteten, dann zeigt sich verblüffenderweise, dass die Unterhaltungstechnik durchwegs früher angeschafft und mithin schneller verbreitet wurde. Das gilt sowohl für das Radio in den 1920er/1930er Jahren als auch für den Fernseher in den 1950er/1960er Jahren. Weder eine Gas- oder eine Elektrobackröhre, der „Traum der Hausfrau“ in den 1920er Jahren, noch eine Waschmaschine konnten diesen Unterhaltungsgeräten ernsthaft Konkurrenz machen und wurden in der Regel später angeschafft. Die Entscheidung „zuerst Radio, später Bratröhre“ versprach den Anschluss an die Welt für alle Familienmitglieder, während die Bratröhre ja „nur“ der Hausfrau diente.

Ähnlich verlief die Kaufentscheidung dann in den 1950er/1960er Jahren, als es darum ging, eine Waschmaschine oder einen Fernseher anzuschaffen. Obwohl Waschen ohne Maschine eine zeitintensive und körperlich sehr anstrengende Arbeit war, die die Hausfrau überwiegend allen verrichtete, wurde in den meisten Familien der Fernseher vor der Waschmaschine angeschafft. Beides gleichzeitig zu kaufen, war für die meisten Haushalte undenkbar.

Autorin: Ingeborg Micko, 2008

Das bisschen Haushalt ...“ Geräte und Techniken im Wandel. Dokumentation zur Sonderausstellung im Stadtmuseum Wels-Burg vom 25. Juni bis 26. Oktober 2008.