Einleitung
„Butter zentnerweise eingemacht ...“

Vorratswirtschaft
Johann Wolfgang von Goethes Mutter, Frau Rat, stand im ausgehenden 18. Jahrhundert einem kleinen Produktionsbetrieb vor. Die meisten Güter wurden nicht als fertige Produkte gekauft, sondern erst im Haus produziert oder weiterverarbeitet. Alles geschah unter dem Zeichen der Vorratswirtschaft. So wurden im Herbst im Haus ein Schwein geschlachtet und Gänse und Rindfleisch geräuchert und gepökelt, Wein aus dem eigenen Garten gekeltert, Obst, Sauerkraut und Bohnen eingemacht. Frau Rat berichtet, dass in den „fatalsten“ Monaten im Frühjar, in denen sie vor Arbeit „aus ihrem Geschick und Gerick nicht komme“, nicht bloß Holz eingekauft, Molken gekocht, die große Wäsche besorgt, sondern auch „für's ganze Jahr Butter zentnerweise eingemacht“ wurde. Herr Rat ließ auf der Mühle in Niederursel Korn mahlen und das Mehl beim Bäcker für sich verbacken. Das Tuch zum Kleide wurde vom Tuchscherer erst zurechtgemacht, dann stelllte der Diener die Männerkleidung zuhause her. Schuhe wurden im Hause gesohlt und geflickt. Nur weniges kaufte Frau Rat in einem Laden: Essig, Öl, Tee, Kaffee, Zucker und Gewürze wurden bei den Materialwarenhändlern erstanden und dabei jede Ware bei einem anderen Händler. Die Haupteinkaufsmöglichkeiten waren in Frankfurt die Messe oder der Markt, auf denen Stoffe, Haushaltsgeräte, Geschirr und Bücher eingekauft wurden.

Personal
Zu den ständig im Haus beschäftigen Personen gehörten eine Köchin, zwei Hausmädchen und ein Diener. Darüber hinaus gab es einen Kreis nicht ständig beschäftigter Personen, die aber trotzdem in dauerndem Zusammenhang mit dem Haushalt blieben und in festem Sold standen: die Waschfrau, die Reinemachfrau, die Näherin, der Schuster, der Schneider, die Schneiderin, der Fleischer, der Polsterer, der Ofensetzer, der Ofenkehrer, der Böttcher, der Schmied ..., ja, der Barbier und der Zahnarzt wurden hier ebenfalls zu den dem Haushalt zugehörigen Kräften gezählt. Es war ein großer Apparat, den Frau Rat zu bewältigen hatte. Die Kunst des Kochens scheint ihr aber nicht bekannt oder nicht sympathisch gewesen zu sein; als ihre Köchin einmal krank war, musste sie auswärts essen, da sie „nichts Ordentliches“ zu Hause hatte.

Dieser bürgerlich-städtische Haushalt, der zwar aus dem Zustand der vollen hauswirtschaftlichen Autarkie herausgetreten und nur noch in wenigen Punkten eine Selbstversorgung war, zeigt klar die Merkmale der Güterbeschaffung des 18. Jahrhunderts: Einmal spielte der Kauf nur eine geringe Rolle, während Eigenproduktion und Eigenverarbeitung im Vordergrund standen. Zweitens erfolgte die Güterbeschaffung in großen Quantitäten und auf lange Sicht.

Gravierender Wandel
Der Wandel, der sich seitdem in der historisch sehr kurzen Zeit von etwas mehr als 200 Jahren abgespielt hat, ist gewaltig. Wollte man Herrn und Frau Goethe das Haushalten und Wohnen im ausgehenden 20. bzw. beginnenden 21. Jahrhundert erklären, sie würden natürlich staunen über die Wunder der Elektrizität, der Zentralheizung, des aus der Wand fließenden Wassers. Noch mehr aber würden sie verwundert sein, wie die Menschen in den Wohnungen leben: Dass dort nur die engsten Verwandten zusammenleben und kein zusätzliches Personal für die Hausarbeit zur Verfügung steht; noch mehr über die Ein- und Zweipersonenhaushalte. Verwundert hätte sie auch, dass in diesen kleinen Haushalten eine so große Anzahl arbeitserleichternder Maschinen herumsteht, die für eine großbäuerliche oder großbürgerlich-städtische Haushaltung wie geschaffen gewesen wären, hier jedoch im Grunde überflüssig sind, da die oben betriebenen Tätigkeiten im modernen Haushalt nicht selbst verrrichtet werden.

Autorin: Ingeborg Micko, 2008

Das bisschen Haushalt ...“ Geräte und Techniken im Wandel. Dokumentation zur Sonderausstellung im Stadtmuseum Wels-Burg vom 25. Juni bis 26. Oktober 2008.