Die Landwirtschaft

"Wertvoll ist alles gewesen.
Nichts wurde weggeworfen.
"

Während des Krieges wurden viele Bauern und ihre Söhne zur deutschen Wehrmacht eingezogen. Ihre Arbeit mussten, neben den Bäuerinnen und den Kindern, Zwangsarbeiter aus allen unterworfenen Ländern Europas leisten – zumeist ohne jede Bezahlung. Sie wurden nicht überall gut behandelt.

Nach dem Krieg wollten die meisten Zwangsarbeiter umgehend in ihre Heimatländer (Frankreich, Polen, Ukraine etc.) zurückkehren. Das bedeutete für die Bäuerinnen und die landwirtschaftlichen Arbeitskräfte oft vermehrt schwere körperliche Arbeit. Auch die Kinder mussten überall mithelfen, worunter häufig auch der Schulbesuch litt. Aufgestanden wurde im Sommer um 4 Uhr, im Winter um 5 Uhr. In der Landwirtschaft waren sehr viele Mägde und Knechte beschäftigt. Es bestand eine starre Hierarchie vom „kleinen Menschen“ bis zur „Großdirn“, vom „Stallbub“ bis zum Hausknecht.

Die meisten Bauern hatten Pferde und Ochsen für Spanndienste, Kühe, Schafe, Ziegen, Schweine, Gänse und Hühner. Angebaut wurden Weizen, Roggen, Hafer, Gerste, Kartoffel, Mais, Futter und Zuckerrüben sowie Zichorie als Kaffeezusatz. An den Feldrainen standen Obstbäume,  wie auch als Allee entlang der Bundesstraße 1. Aus den Birnen und Äpfeln wurde der „Haustrunk“ Most gepresst.

Wald gab und gibt es in Marchtrenk sehr wenig. Besonders in den ersten Nachkriegsjahren bestand ein großer Brennholzmangel. So wurden auch Gummiabfälle des in Marchtrenk ansässigen Semperit-Werkes verbrannt.

Die Bauern waren praktisch Selbstversorger. Aber auch die Kleinhäusler und Arbeiter pachteten und betreuten Land und legten große Gärten an. Im Dorf Marchtrenk kannte fast jeder jeden. So bestand große Solidarität und die Bereitschaft, einander zu helfen. Den fürchterlichen Hunger in den Städten und in den Lagern kannten die meisten Marchtrenker nicht.

Eine große Gefahr für das Volksnahrungsmittel Kartoffel war 1945 bis 1955 der Kartoffelkäfer. Schüler wurden zum Käfersuchen eingeteilt. Auch die gefürchtete Maul- und Klauenseuche trat in Marchtrenk auf.

Bis 1949 wurden Lebensmittel, Zigaretten und Bekleidungsmarken ausgegeben. Für diese Mangelbewirtschaftung gab es eine Karteistelle beim Gemeindeamt. Auf Veranlassung der Bezirkshauptmannschaft wurden die Bauern (streng) kontrolliert, ob sie ihrer Ablieferungsverpflichtung (Eier, Fleisch, Milch etc.) auch ordnungsgemäß nachkamen.

Nicht nur bei den Bauern, sondern auch in der Gesamtbevölkerung wurde zwischen Alltags und Sonntagsgewand unterschieden. Letzteres wurde sehr sorgsam behandelt. Brauchte man Schuhe, ging man zum Schuster, das Gewand machte der heimische Schneidermeister. Anfangs wurde jedes Stück Stoff genutzt. Sogar aus Fallschirmseide wurden Kleider genäht, aus Uniformen wurden Mäntel und Jacken für Kinder.

Am Ende der 1940er und zu Beginn der 1950er Jahre gab es einen gewaltigen Wandel in der Landwirtschaft: Die ersten leistbaren Traktoren und gemeinschaftlich genutzte Mähdrescher veränderten alles in der Landwirtschaft. Die früher landwirtschaftlich Beschäftigten wurden zumeist Industriearbeiter. Eine neue Zeit begann.

Autor: Reinhard Gantner, 2015

Nach dem Krieg. Marchtrenk 1945-1955. Eine Dokumentation zur Ausstellung des Museumsvereins Marchtrenk - Welser Heide vom 11. bis 15. September 2015 im Volkshaus Marchtrenk.