Um den schrecklichen Weltkrieg rascher zu beenden, flog die US Air Force im Deutschen Reich zahlreiche Angriffe – auch gegen die Stadt Wels. Am 20. März 1945 waren dreihundert amerikanische Flieger im Einsatz. Das wichtigste Ziel an diesem Tag war der Welser Bahnhof und die nach Marchtrenk und Lambach führenden Geleise. So wurde auch ein am Bahnhof Marchtrenk stehender Zug mit Flakgeschützen durch Bombenabwurf zerstört. Über diesen Tag erzählt ein Marchtrenker:
„Der Himmel war schwarz von Fliegern, der Lärm ohrenbetäubend. Ich bin als Bub voller Panik mit dem Fahrrad nach Kappern gefahren. Im Gasthaus Kumpl sind die Leute in der Wirtsstube gesessen und haben zusammen laut gebetet.“
Gefürchtet waren die amerikanischen Tieffliegerangriffe. Unter anderem wurde der Wasserturm beschossen. Die Einschusslöcher sind auch jetzt noch gut zu sehen.
Beim Einmarsch der Amerikaner am 4. und 5. Mai 1945 kam es zu keinen Kampfhandlungen in Marchtrenk, da ein Teil der deutschen Wehrmacht abgezogen war und ein Teil sich den Amerikanern ergeben hatte. Offizielle Unterlagen über das Kriegsende in Marchtrenk gibt es nicht, ebenso dürfte es aus dieser Zeit keine Fotos geben. Wir sind daher auf die Erzählungen von Zeitzeugen angewiesen. Einige waren zu der Zeit noch Kinder, einige in Kriegsgefangenschaft.
Zur Abwehr der amerikanischen Flieger standen – verteilt im Ortsgebiet – Flugabwehrkanonen (Flak). Eine größere Flakabteilung war in einem Wäldchen in Perwend. Vor dem unmittelbaren Kriegsende wurden die Geschütze durch Sprengungen unbenutzbar gemacht. Zwischen dem Fahrradhändler Petz und dem ersten Marchtrenker Feuerwehrgebäude wurde eine 1,5 bis 2 Meter hohe Panzersperre aus Baumstämmen errichtet. Verfüllt wurde die circa zwei Meter breite Sperre mit Steinen und Schotter. Auch im oberen Dorf, auf der Höhe der Firma Beisl, wurde mit der Errichtung einer Barrikade begonnen. Bei der Heimstätten- und der Kindergartenstraße wurden Schützenlöcher ausgehoben, am Perwenderbach Schützengräben angelegt.
Beim Abzug der Wehrmacht wurde ein Teil der Holzbrücke über die Traun vom Reichsarbeitsdienst gesprengt. Hier zogen sich die Amerikaner vorübergehend zurück. Vereinzelt wurde auch von Weißkirchen nach Marchtrenk geschossen. Da es keinen Bahnverkehr gab (zerstörte Geleise, Kohlemangel), wälzten sich 1944 und 1945 endlose Kolonnen von heimatvertriebenen „Volksdeutschen“, vor den Russen fliehende Wiener und Wehrmachtsautos durch Marchtrenk.
In den letzten Kriegstagen wurden auch zahlreiche Häftlinge aus dem Konzentrationslager Mauthausen in das KZ-Nebenlager Gunskirchen getrieben. Die meisten mussten von Linz kommend über Pucking, Weißkirchen, Schleißheim und Thalheim gehen. Auf diesen Todesmärschen zwischen 16. und 21. April starben sehr viele Häftlinge. In Bergern, Gemeinde Weißkirchen, wurden am 22. April 119 KZ-Häftlinge in einem Massengrab verscharrt. Es handelte sich zumeist um ungarische Juden. In der Marchtrenker Au lebende Landwirte hörten die Schüsse. Ein großer Zug dieser Opfer ging auf der Bundesstraße und wurde nach Weißkirchen geführt. Dieser von SS-Wachmannschaften aus Mauthausen begleitete Elendszug löste Entsetzen und Angst bei den Marchtrenkern aus.
Angst vor den amerikanischen Truppen hatten nach der Befreiung die zahlreichen Nationalsozialisten im Ort. Viele Marchtrenker erinnern sich noch an das erste Zusammentreffen mit dunkelhäutigen Soldaten.
Gemeindepolitik
Eine der ersten Maßnahmen der amerikanischen Militärregierung war, dass der Bürgermeister und alle politisch Verantwortlichen sofort abgesetzt wurden. Von den geschätzten 3.300 Einwohnern waren 245 Mitglieder der NSDAP. Der Großteil wurde als Minderbelastete eingestuft.
Die erste Gemeinderatssitzung nach der Befreiung war am 23. Oktober 1945. Bürgermeister war der Gendarmerie-Inspektor Josef Frint, Vizebürgermeister war Josef Scherney. Es gab sieben Beiräte. In dieser Sitzung teilte der Bürgermeister den Beiräten mit, dass die Bezirkshauptmannschaft und die Militärregierung gegen ihre Bestellung zu Gemeinderäten keine Einwendung erheben. Die erste Gemeindevertretung wurde eingesetzt, nicht demokratisch gewählt. Die Vertriebenen ersuchten um Beistellung eines Raumes für eine Schulklasse.
Dies wurde mit Hinweis auf die leerstehende evangelische Schule in Jebenstein abgewiesen.
Weitere Gemeinderatssitzungen gab es am 21. November und am 27. Dezember 1945. Die sozialistische Partei ersuchte um Überlassung von 15.000 m² Grund für einen Sportplatz. Dies wurde einstimmig angenommen. Die Erteilung von Zuzugsgenehmigungen für mehrere Familien wurde abgewiesen. Es wurde auch über den geplanten Großarbeitseinsatz der ehemaligen Nationalsozialisten berichtet. Bei den Sitzungen wurde darauf gedrängt, ein neues Gemeindehaus zu errichten. Provisorisch wurde im gemeinsamen Kindergarten und Versorgungshaus, wo Junge und Ältere betreut wurden, ein Sitzungssaal eingerichtet.
Amerikanische Besatzung
Am 4. Mai kam ein Vorauskommando der Amerikaner aus Wels nach Marchtrenk. Erst am nächsten Tag fuhren die US Soldaten in einer endlosen Kolonne von Jeeps, Panzern und Lastwagen Richtung Linz. Die energische Suche nach Soldaten bzw. Angehörigen der SS ist den meisten älteren Marchtrenkern noch erinnerlich. In einzelnen Gebäuden und Häusern wurden vorübergehend amerikanische Offiziere und Soldaten einquartiert. Nach einer gewissen Zeit normalisierten sich die Beziehungen.
In den ersten Tagen und Wochen kam es zu Plünderungen und Diebstählen. Die Polizei und die Gendarmerie waren auf Weisung der Amerikaner ohne Waffen. Bürgermeister Frint, der Beamte Burgstaller und der Fabrikant Willi Becker konnten beim amerikanischen Militärgouverneur erreichen, dass für schwere Gewalttaten die Todesstrafe angedroht wurde.
In der Volksschule wurden entlassene KZ-Häftlinge einquartiert. Sie litten zum Teil an Fleckfieber und Flecktyphus. Da es sich um eine epidemische, schwere Infektionskrankheit handelte, wurde über den Ort Marchtrenk eine Typhussperre verhängt. Durchziehende Fremde durften die Häuser nicht mehr betreten.
Schule
Auf Grund der vielen Fliegeralarme und -angriffe und wegen fehlender Schutzbunker wurde die Volksschule Anfang Februar 1945 geschlossen. Unterrichtet wurde im Kindergarten und im Gasthaus Pölzl. Denn schon Ende Oktober 1944 war die Volksschule vom Fluggeschwader Boelcke beschlagnahmt worden. Nach der Schließung der Schule gab es vier ortsansässige Lehrpersonen. Drei wurden als Mitglieder der NSDAP entlassen, sodass nur mehr Paula Weber als provisorische Schulleiterin übrigblieb. Im Juli wurde das Schulhaus geräumt und von den ehemaligen Nazis sauber gemacht und wieder hergerichtet.
Am 17. September wurde die Schule wieder eröffnet. Für acht Klassen gab es nur fünf Lehrpersonen. Alle Schüler mussten ihre Klasse wiederholen. Einzelne gute Schüler und Schülerinnen durften im Folgejahr eine Klasse überspringen. Da im Winter wegen fehlendem Heizmaterial eine Schulsperre drohte, wurden die Kinder aufgefordert, an abwechselnden Tagen je ein Scheit Holz in die Schule mitzubringen.
Autor: Reinhard Gantner, 2015
Nach dem Krieg. Marchtrenk 1945-1955. Eine Dokumentation zur Ausstellung des Museumsvereins Marchtrenk - Welser Heide vom 11. bis 15. September 2015 im Volkshaus Marchtrenk.