Die Nachricht vom Tode des Thronfolgers Franz Ferdinand am 28. Juni 1914 in Sarajewo traf auch die Einwohner von Purgstall an der Erlauf wie ein Schock. Als dann Österreich-Ungarn Serbien den Krieg erklärte, spielten sich im Markt Purgstall und den Umlandgemeinden Szenen wie überall in der Monarchie ab. Jubelnde, geschmückte Soldaten, die keinerlei Ahnung hatten, was sie erwarten würde.
"Weg des Friedens" – Ehemaliges Kriegsgefangenenlager
In Purgstall an der Erlauf existierte zwischen 1915 und 1918 auch ein Kriegsgefangenenlager ("Lager Schauboden"). Hier und im nahen Wieselburg wurden über 80.000 Kriegsgefangene interniert, zumeist Russen, aber auch Italiener und Serben. Unter den Bewachern fand sich auch der berühmte Maler Egon Schiele. Heute befindet sich im Ortsteil Schauboden der "Weg des Friedens", der Auskunft über das Kriegsgefangenenlager gibt.
Die jungen Männer aus Purgstall rückten zumeist entweder mit dem niederösterreichischen k. u. k. Infanterieregiment Nr. 49 "Freiherr von Hess" oder dem Landwehrinfanterieregiment "St. Pölten" Nr. 21 an die Fronten der Monarchie aus – viele von ihnen im Glauben, der Krieg würde nur wenige Monate dauern. Ein Blick auf den Friedhof von Purgstall macht es deutlich: 46 junge Männer kehrten nicht mehr aus dem Feld zurück.
Auch in Purgstall wich der Jubel bald der Ernüchterung. Der Krieg schränkte das tägliche Leben immer mehr ein. Lebensmittel und andere Waren wie Bekleidung und Rauchwaren konnten – wenn überhaupt – nur mehr über Lebensmittelkarten und Bezugsscheine erworben werden. Die Frauen des Ortes mussten in den Fabriken und den landwirtschaftlichen Betrieben die im Feld stehenden Männer ersetzen und den täglichen Überlebenskampf meistern. Kurz vor Kriegsende fuhr die Spanische Grippe wie ein Schnitter durch die Reihen der ausgemergelten Menschen. Zahlreiche Purgstaller und auch der Markt selber zeichneten Kriegsanleihen – und verloren nach dem Krieg damit fast ihr ganzes Vermögen. Zurück blieben nur die bunten, wertlosen Anleihen im Marktarchiv.
Im Marktarchiv findet sich eine Rede für die gefallenen Purgstaller des Gesang- und Turnvereines aus dem Jahr 1923:
"Ihr lieben verewigten Freunde: Turnbrüder und Sangesbrüder; Ihr Helden des Vaterlandes, die Ihr nun in kühlen Gräbern ruht!
Liebe und Verehrung im Herzen, begrüßen wir Euch heute auf geweihtem Boden. Worüber zieht Ihr wieder vor unserm Geistesauge, die Ihr uns unvergeßlich seid. Nicht als blasse Schemen sehn wir Euch, blutlos und nebelhaft; wir schauen Euch vor uns gesund und lebenswarm, so wie wir Euch gekannt in Eures Lebensbesten Tagen, da Ihr unter uns gelebt und unter uns gewirkt, in Eures Erdenseins kurz bemessener Spanne.
"Ihr lieben verewigten Freunde: Turnbrüder und Sangesbrüder; Ihr Helden des Vaterlandes, die Ihr nun in kühlen Gräbern ruht!
Liebe und Verehrung im Herzen, begrüßen wir Euch heute auf geweihtem Boden. Worüber zieht Ihr wieder vor unserm Geistesauge, die Ihr uns unvergeßlich seid. Nicht als blasse Schemen sehn wir Euch, blutlos und nebelhaft; wir schauen Euch vor uns gesund und lebenswarm, so wie wir Euch gekannt in Eures Lebensbesten Tagen, da Ihr unter uns gelebt und unter uns gewirkt, in Eures Erdenseins kurz bemessener Spanne.
Hans Hildebrand! Lebensfroh stehst Du vor uns: ein deutscher Mann vom Scheitel bis zur Sohle. Mit Wort und Tat tratst Du stets ein für Volk und Heimat, für Dein Vaterland. Untrübbar war Dein deutscher Sinn. So hast Jahre du gewirkt in unsrer Mitte. Als Helden grüßt Dich heut die Sängerfahne, die Du als erster uns vorangetragen.
Karl Loquai, Du lieber guter Freund! Aufsteigst Du vor uns, und herzgewinnend ist Dein Lächeln wie dies zueigen war im Leben. Deutsch warst Du; du des Jugendführers ideales Vorbild. Treu warst DU Deinem Volk im Leben, treu im Tode. Unvergeßlich bist Du uns, die wir um Dich trauern.
Karl Ossberger, Du wahrhaft guter Mensch! Still und bescheiden warst Du immer; wer Dich kannte war Dein Freund. Still bist Du gefolgt dem Ruf des Vaterlands; als Held bliebst Du im Felde. In Liebe denken wir an Dich.
Leopold Bresar, Du treuer Sohn der Heimat! Tätig stets und dienstbereit wenns für die Heimat galt und für des Volkes Sache. Vereint ist nun Dein Name mit der Fahne, die Du schwangst als erster Fahnenwart des Turnvereins, Wir denken Dein in Ehren.
Hans Koch! Der letzte Brave, der im Krieg die kleingewordne Turnerschar zusammenhielt und zum Geräte rief. Aushieltst Du bis zum letzten Tag da Du zu Felde zogst um für Dein Volk zu sterben.
Martin Winter! Treu zur Heimat hieltst auch Du. Dem Heimatsorte warst Du fest verbunden. Sein Wohl es lag Dir nahe bis zum Tode.
Hofstetter, Blaschitz, Schogger, Ressl, Dröscher! Wir grüßen Euch; habt Dank für Eure Treue! Nah seid Ihr uns alle, ob Ihr den Todeskeim im Herzen, die Heimat wiedersaht und nun in heimatlicher Erde ruht, ob Euer Grab im Feindesland, verschollen und vergrast. Es kann uns keine Ferne trennen; Ihr lebt in unseren Herzen fort; Ihr seid bei uns!
Und wenn als äußers Zeichen nun die Heldennamen von der Fahne leuchten, so sollen sie uns Führer sein und unseren Kindern, unseren Enkeln. Sie sollen stets in Freud und Leid gemahnen: „Seid würdig derer, die für Euch gefallen!“ Denn nicht mit Worten, nicht mit Kränzen, nicht mit Ehren ist der Schuldbrief einzulösen, der uns an des Vaterlandes Helden bindet; unser Wirken soll das Opfer sühnen. Die Ströme Blutes, die für unser Volk geschlossen, der Schwur der Treue fordern sie: Steh fest zu Deinem Volk, sei kein Verräter an dem Blute seiner Brüder, unserer Helden!
Geloben wollen wirs, in Treue stets zu wirken uns zur Ehre aller derer, die des Heldendichters Körner Wort besingt: Mag der Staub gefallener Helden modern, die dem großen Tode sich geweiht; Ihre Namen Flammenszüge lodern in dem Tempel der Unsterblichkeit!"
Autoren: Adolf Brunnthaler, Martin Prieschl, 2014
Weyer und der Große Krieg - Dokumentation zur Ausstellung im Ennsmuseum Weyer in den Jahren 2014 und 2015.