Aufbau der Ortsgasversorgung seit den 1970er Jahren
Als Ende der 1970er Jahre mit der neuen Möglichkeit der Erdgasspeicherung (z. B. im 1977 eröffneten ÖMV-Speicher Thann) auch die Versorgungssicherheit und Möglichkeit der Spitzenlastabdeckung für Haushalte mit Wohnraumbeheizung massiv ansteigt, beginnt die OÖ. Ferngas mit dem Aufbau eines eigenen Niederdruckversorgungsnetzes. Das Unternehmen beliefert zu dieser Zeit zwar bereits Haushaltskunden mit Erdgas; allerdings nur indirekt, über kommunale Versorgungsbetriebe wie z. B. die Gmundner Stadtwerke, die Steyrer Stadwerke oder die Stadt Wels, die schon seit Anfang der 1970er Jahre ihre Kunden nicht mehr mit „Stadtgas“, sondern mit Erdgas beliefern. Auch die damalige Linzer SBL bezieht für ihre zu diesem Zeitpunkt rund 50.000 Haushalte bereits Erdgas der OÖ. Ferngasgesellschaft.
Das erste Ortsgasversorgungsprojekt des Unternehmens ist Haid/Ansfelden. Der erste Niederdruckgaskunde in Haid wird im Herbst 1977 über eine 555 Meter lange Hauptleitung versorgt. Ein Jahr später errichtet man in Haid weitere 860 Meter Hauptleitung zum Anschluss weiterer acht Haushalte. Die Nachfrage steigt jedoch bald sprunghaft an: Zwischen 1983 und 1984 erhöht sich die Ausbaulänge von 18,5 Kilometern Hauptleitung und 274 Hausanschlüssen auf 45 Kilometer Hauptleitung und 568 Hausanschlüsse. Ab diesem Zeitpunkt ist jährlich eine Steigerungsrate dieses Umfangs zu bewältigen. 1997 erreicht der Aufwärtstrend seinen Höhepunkt bei 193,5 Kilometern Hauptleitung und 3200 Hausanschlüssen mit mehr als 50 Kilometern Hausanschlussleitung.
Während zu Beginn sämtliche Rohrbauarbeiten noch mit eigenem Personal bewältigt werden, beschäftigt die OÖ. Ferngas – um diese enormen Bauleistungen überhaupt realisieren zu können – längst auch Baufirmen, sowohl für den Rohrbau als auch für den Tiefbau. In den bauintensivsten Jahren setzt das Unternehmen bis zu 18 Rohrbaupartien und 36 Baupartien gleichzeitig ein und errichtet in den 30 Jahren seit Beginn der Niederdruckversorgung (1977–2007) mehr als 4100 Kilometer Haupt- und Hausanschlussleitungen mit knapp 55.000 Hausanschlüssen.
Als das Unternehmen 1983 – anlässlich seines 25-Jahr-Jubiläums – seine erste überregionale Werbekampagne für die Akquisition von Haushaltskunden startet, gibt es neben der Ortsgasversorgung von Haid auch bereits OÖ. Ferngas-Ortsnetze in St. Florian, Enns und Gunskirchen. Die erste kommunale Ortsgasversorgung außerhalb des Linzer Zentralraumes wird 1984 in Schwanenstadt errichtet. Attnang-Puchheim versorgt man – wie später viele Gemeinden mit Anschlussinteresse – ab 1981 interimistisch mit einer transportablen Flüssiggasmischanlage. Nach Fertigstellung des Anschlusses an das übergeordnete Hochdrucknetz kann dann problemlos auf Erdgas umgestellt werden.
Organisatorisch wird der Aufbau des Niederdruckversorgungsnetzes von Beginn an dezentral gesteuert. Seit 1977 unterhält die OÖ. Ferngas eine erste Außenstelle mit kleiner Mannschaft in Haid. Von hier aus werden neben den bereits erwähnten Ortsnetzen in Ansfelden, St. Florian Enns, Gunskirchen und Attnang-Puchheim auch Ortsnetze in Neuhofen an der Krems, Bad Hall, Freistadt, Perg und Rohrbach im Mühlviertel errichtet. Die immer weiteren Entfernungen veranlassen das Unternehmen schließlich dazu, weitere Außenstellen im Bundesland zu errichten: 1985 in Regau, 1986 in Braunau, 1989 in Bad Ischl (gleichzeitiger Kauf des städtischen Gaswerks Bad Ischl, das als alte „Kaiserstadt“ eines der ältesten Gasnetze Österreichs besitzt und zum Zeitpunkt des Erwerbs das letzte oberösterreichische Gaswerk mit Stadtgas-Betrieb ist), 1992 in Gallneukirchen, 1999 in Rohrbach und 2001 in Gmunden (mit Erwerb der Stadtwerke Gmunden).
Unter anderem entscheidend für den Erfolg des zunächst unternehmensintern durchaus umstrittenen Engagements im Niederdruckbereich (die OÖ. Ferngas wurde von Industriebetrieben – für die Erdgasversorgung von Industriebetrieben – gegründet) ist das von Beginn an hohe bautechnische Innovationsniveau des Unternehmens. Während man im Hochdruckbereich u. a. europaweit einzigartige Trassenführungen (z. B. Traunseeleitung, Pyhrnleitung etc.) realisiert, engagieren sich die OÖ. Ferngas-Techniker im Niederdruckbereich für (später österreichweit gültige) Standards und Verlegerichtlinien sowie für Schulungen im Zusammenhang mit dem Einsatz von Polyethylen als Rohrmaterial (statt Stahl, Guss oder PVC) und der Kunststoffschweißtechnik.
Durch die konsequent umgesetzte 1-bar-Technik mit PE-Rohren (österreichweit liegt der Standard-Betriebsdruck damals bei 100 Millibar, da PVC-Rohre nur für diesen Betriebsdruck zugelassen sind), erzielt das Unternehmen auch wirtschaftliche Vorteile und einen entscheidenden Vorsprung gegenüber anderen, zu dieser Zeit ebenfalls an der überregionalen Niederdruckversorgung interessierten kommunalen Gasversorgern. Allerdings gibt es für die 1-bar-Betriebstechnik – so wie für die Kunststoffschweißtechnik – Anfang der 1980er Jahre österreichweit noch kaum gültige Regelwerke. Die OÖ. Ferngas arbeitet daher mit Regelwerken aus der benachbarten BRD (vor allem Bayern verfügt zu dieser Zeit bereits über hohes Know-how in diesem Bereich) baut zunächst betriebsinterne Qualitätsrichtlinien auf und bringt ihre Erfahrungen später auch maßgeblich in die Entwicklung der Regelwerke der Österreichischen Vereinigung für das Gas- und Wasserfach (ÖVGW) ein. Im Zuge der in Bad Ischl und Gmunden notwendigen umfassenden Rohrnetzsanierungen nach den Übernahmen 1989 bzw. 2001 erwirbt sich das Unternehmen auch spezifisches Know-how in der Sanierungstechnik.
Redaktionelle Bearbeitung: Elisabeth Kreuzwieser, 2006