Stadtbeleuchtung mit Kohlengas

Kohlengas zur Beleuchtung der Städte

Die Anforderungen, die wir an unsere Quellen für künstliches Licht heute stellen […] beschränken sich nicht mehr bloß auf die Lichtfülle im allgemeinen, sondern beziehen sich auch auf die Qualität des Lichtes. Dasselbe soll dem Sonnenlichte möglichst nahe kommen, soll thatsächlich die Tageshelle ersetzen. Wir trachten daher die Quellen desselben so zu vertheilen, das die Gegensätze zwischen Licht und Dunkel möglichst verschwinden, und berücksichtigen den Umstand, dass unser Auge ebenso wenig durch die bloße Empfindung von Licht oder Helligkeit befriedigt ist wie etwa das Ohr durch den Eindruck des Schalles.“ (Alexander Bauer, S. 31f.)

Die Herstellung von Holzkohle unter Luftabschluss ist alt bekannt. Mit dem starken Aufschwung der Eisenverhüttung seit dem späten Mittelalter wurde die Köhlerei immer wichtiger. Die entweichenden Gase jedoch konnten lange keiner entsprechenden Nutzung zugeführt werden. Zwar datieren erste Versuche mit brennbaren Gasen ins 17. Jahrhundert. Aber bis es zu einem gezielten Einsatz für Beleuchtungszwecke kam, dauerte es bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Das fachliche Wissen um die Holz- oder Kohlenvergasung steigerte sich zunehmend, ebenso die vielfältige Nutzung der gewonnenen Nebenprodukte: Neben Holzkohle und Koks als Brenn- und Heizmaterial fielen Kohlengas, Teer und Gaswasser sowie Ammoniak und weitere Produkte an. So entwickelten sich aus der Kohlengasproduktion für die Beleuchtung von Straßen und öffentlichen Einrichtungen heraus zentrale Bereiche der chemischen Industrie.

Erste Versuche mit Leuchtgasen
In Paris war Phillipe Lebon (1769–1804) einer der ersten der sich mit der Nutzung des Gases für die Ballonfahrt und für Beleuchtungszwecke beschäftigte. 1799 erhielt Lebon ein Patent für die Holzkohlenvergasung für Heizzwecke. Außerdem entwickelte er eine Thermolampe, einen Apparat zur Holzgaserzeugung mit Kondensationseinrichtung.
Etwa zur gleichen Zeit führte William Murdock (1754–1839, London) in der Eisengießerei Boulton & Watt in Soho die Beleuchtung mit Steinkohlengas ein. Für die Reinigung des Gases, die Murdock noch Probleme bereitete, fand sein Lehrling und späterer Mitarbeiter Samuel Clegg eine Lösung. Als Friedrich Albert Winsor (auch: Winzer), ein deutscher Kaufmann, 1804 für England ein Patent zur Leuchtgaserzeugung erhielt, setzte er sich zum Ziel eine Gesellschaft zu gründen, die mit einer eigenen Gaserzeugungsanlage und einem entsprechenden Leitungsnetz ganze Städte mit Gaslicht versorgen sollte. Am 1. April 1814 wurde in London erstmalig ein ganzes Stadtviertel mit Gas beleuchtet.

Gründung von Gasgesellschaften
London bzw. Großbritannien nahm in der folgenden Zeit die führende Stellung in der europäischen Gaswirtschaft ein. 1832 wurde die Imperial Continental Gas Association gegründet, die ab 1845 ein weitgehendes Monopol auf die Wiener Gasversorgung erringen konnte. Die Geschäftsziele der „Imperial Continental Gas Association“ werden schon aus dem Firmennamen klar: die Errichtung von Gaswerken und Gasbeleuchtungsnetzen auf dem Kontinent. Der technische Vorsprung auf dem Gebiet der Gasbeleuchtungstechnik sollte gewinnbringend vermarktet werden. Nach einer überaus erfolgreichen ersten Periode mit vielen Gaswerksgründungen wuchs im ausgehenden 19. Jahrhundert in den Kommunen die Unzufriedenheit mit den Verträgen, die mit den englischen Gasgesellschaften abgeschlossen waren und wurden die Forderungen nach einer Auflösung dieser Verträge und einer Übernahme in kommunales Eigentum immer vehementer.

Die Anfänge in Österreich
1803 hatte Dr. Zachäus Winzler in der Wiener Alserkaserne erfolglos mit einer Gasbeleuchtung experimentiert. Zum Pionier des Gaslichts in Österreich wurde der Direktor des Polytechnischen Instituts Johann Joseph Prechtl, ein "Mehrer des Lichtes in jedem Sinne", wie er später in einer Würdigung genannt wurde. 1818 wurden einige Gassen Wiens im Bereich Walfischgasse, Krugergasse und einen Teil der Kärntner Straße mit 25 Gaslaternen probeweise mit Gas beleuchtet und 1828 von Georg Pfendler ein erstes primitives Gaswerk in der Stadt errichtet, das aber mehr Ähnlichkeit mit einer Apotheke als mit einem Energieunternehmen aufwies. Er beleuchtete seine Apotheke mit Ölgas, das er aus Harz- und Rübsamenöl herstellte. Nach und nach hielt das Gas – allerdings in geringen Mengen und sehr umständlich in tragbaren Behältern transportiert – Einzug in die Wiener Privathäuser und nach der Verlegung erster Rohrleitungen auch in öffentliche Gebäude.

Frühe Gasbeleuchtungsversuche der Salzkammergut-Salinen
In Oberösterreich interessierten sich als erstes für die Gasbeleuchtung die Salinen des Salzkammergutes. Auf der Suche nach Holzeinsparungsmöglichkeiten und einer besseren Beleuchtung setzten die Salinenbetreiber in die Möglichkeiten einer Beleuchtung mit Gas große Erwartungen, waren doch bei den mit einfachen Rüböllampen die Arbeitsbedingungen höchst unzulänglich. Als Johann Prechtls Anleitung zur zweckmäßigen Einrichtung der Apparate zur Beleuchtung mit Steinkohlegas 1817 im Druck erschien, wurde sofort der Praktikant Andreas Egger mit dem nicht gerade einfachen Vorhaben der Errichtung einer Gaserzeugungs- und Beleuchtungsprobe nach Prechtls Vorlage beauftragt. Ihm standen statt der Steinkohle allerdings nur Fichtenscheiter zur Verfügung. Eifrig plante und errichtete Egger unter sparsamsten Bedingungen eine möglichst kostengünstige Anlage. Im Probebetrieb erzielte diese jedoch ein eher unbefriedigendes Ergebnis. Die Gasausbeute bei der Holzverkohlung stellte sich als äußerst gering heraus und die Leuchtkraft des erzeugten Gases war ebenso wenig zufriedenstellend.

Ein von Egger auf der Basis seiner Versuche verfasster Bericht mit Verbesserungsvorschlägen wurde vom Salzoberamt sogleich der Wiener Hofkammer zwecks Finanzierung einer neuen, größeren Anlage in Ebensee vorgelegt. Die unzureichend getesteten und schlecht kalkulierten Projektunterlagen wurden von der Hofkammer zurückgewiesen und das Oberamt mit der Erstellung eines neuen, fundierteren Konzeptes beauftragte. Mangels entsprechender Fachkenntnisse und Experten – Egger war mittlerweile nach Ischl versetzt worden – kam es jedoch nie zu einer gangbaren Umsetzung. So fand die viel versprechende Probebeleuchtung der Salzkammergut-Salinen mit Holzkohlengas ein frühes und eher unrühmliches Ende. (Quelle: Schraml)

Erste öffentliche Gasbeleuchtung Österreichs
Ab 1838 wurde in Wien mit der Umstellung der Beleuchtung öffentlicher Plätze und Straßen auf Gaslicht begonnen. Auch in zahlreichen Industriebetrieben setzte sich bereits im Vormärz Gas als Lichtquelle durch. Die Gründung der ersten Wiener Gasgesellschaft erfolgte durch Theodor Friedrich Hené, der seit 1840 eine Ölgasfabrik in Fünfhaus betrieb. Mit der Übernahme der Fabrik durch die Imperial Continental Gas Association im Jahre 1845 und der Umstellung auf Steinkohlengas musste die Gemeinde Wien der Imperial Continental Gas (ICGA) sehr weitgehende Monopolrechte einräumen. Die ICGA zeichnete bis zur Errichtung eines eigenen Gaswerkes in Simmering durch die Stadt Wien (1899) bzw. bis zum Auslaufen des Beleuchtungsvertrages 1911 für die Gaswirtschaft der Stadt Wien verantwortlich.

Zwischen 1846 und 1857 erhielten die meisten wichtigeren Städte der Habsburgermonarchie eine Gasbeleuchtung. Der Einfluss ausländischer Gesellschaften war hoch und meist mit der vertraglichen Verbriefung einer Monopolstellung abgesichert.

Die neuen Beleuchtungsmöglichkeiten, die im Vergleich zu den lichtschwachen Petroleum- und Öllampen vielerlei Vorzüge besaßen, brachten in den Städten sowohl im öffentlichen und privaten Raum als auch in Fabriken bedeutsame Änderungen mit sich: Durch die viel umfassendere Straßenbeleuchtung konnte die Sicherheit für die Stadtbewohner verbessert und die Kriminalität reduziert werden. In den Fabriken gab es durch besseres Licht einerseits angenehmere Arbeitsverhältnisse, andererseits auch die Möglichkeit längerer Arbeitszeiten, da nun der Unterschied zwischen Tag und Nacht endgültig entfiel.

Neue Konkurrenz: Elektrizität
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte sich das Gas in der öffentlichen Beleuchtung praktisch eine Monopolstellung verschafft. Gas wurde fast ausschließlich zu Beleuchtungszwecken eingesetzt. Ab den 1880er Jahren begann diese Stellung durch die neue Konkurrenz der elektrischen Beleuchtung abzubröckeln. Der Durchbruch der Elektrizitätswirtschaft erfolgte durch die Erfindung der Kohlenfadenlampe, die 1879 von Thomas A. Edison und Joseph Swan unabhängig von einander in Amerika und England entwickelt worden war, was die Gaswirtschaft, deren Hauptsektor die Beleuchtung war, abermals schwächte. Allerdings wurden die Vorzüge des elektrischen Lichts anfangs noch durch das Problem der Dosierung beeinträchtigt: Ein gleichmäßiger Lichteffekt konnte (noch) nicht verlässlich hergestellt werden.

Die Elektrizitätswirtschaft orientierte sich an der Gaswirtschaft und stand in unmittelbarer Konkurrenz zu ihr. Man versuchte den Konsumenten den Übergang möglichst vertraut zu machen. Die Einschraubfassung der Glühlampen (wie in ein Gasrohr), der Lichtschalter (als Drehschalter), die Helligkeitsregelung, das Aussehen der Lampen und ihre Verteilung im Raum wurden den bestehenden Gewohnheiten bei der Gasbeleuchtung nachempfunden und angepasst. Das Glühlampenlicht wurde so eingesetzt wie frühere Lichtquellen, mit Lampenschirmen wie bei den Gaslampen.

Carl Auer von Welsbach
Die Gaswirtschaft suchte der neuen elektrischen Konkurrenz mit der Erfindung des Gasglühstrumpfes von Carl Auer von Welsbach (1858–1929) entgegen zu treten und konnte die drohende Verdrängung vorübergehend sogar noch einmal abwehren. Auer von Welsbach, der über die Gasflamme einen mit Thoriumoxyd getränkten Glühstrumpf stülpte, erzielte mit seiner Erfindung bei sparsamerem Gasverbrauch ein weitaus besseres Leuchtergebnis als das bisherige Gaslicht oder die elektrische Kohlenfadenlampe. Sein „Auerlicht“ wurde zum anerkannten Standard der damaligen Zeit. Jedoch war Auer von Welsbach es selbst, der den Erfolg seiner eigenen Erfindung wieder zunichte machte, da ihm durch die Entwicklung der Osmium-Glühfäden (1904) eine bedeutende Steigerung in der Ausbeute des elektrischen Lichts gelang. Ab da war der Siegeszug der Elektrizität auf dem Beleuchtungssektor nicht mehr zu bremsen.

Gas hatte als Pluspunkt, dass es billig war, zumindest viel billiger als elektrisches Licht, dass es schon weit verbreitet war, da die Gaswerke und Kommunen hohe Summen in die Gaswirtschaft investiert hatten. Aber die negativen Seiten des Gaslichts waren nicht zu übersehen: Hierzu zählten die Explosions-, die Brand- und die Vergiftungsgefahr, die Ruß- und Wärmeentwicklung, das Kopfweh durch entweichendes Kohlenmonoxyd. Nicht zuletzt war Gas eine fortwährende Quelle der Umweltverschmutzung durch die Emissionen der Gaswerke und die vielen undichten Stellen im Rohrnetz.

Redaktionelle Bearbeitung: Elisabeth Kreuzwieser, 2006