Entwicklung des Unternehmens seit 1957
Die Gründung der OÖ. Ferngas erfolgt am 8. Februar 1957 auf Initiative oberösterreichischer Industriebetriebe (Gründungsgesellschafter sind 14 Industriebetriebe, Handelskammer OÖ., Land OÖ. und OKA). Ziel des Unternehmens ist es, eine Erdgasinfrastruktur für die oberösterreichische Industrie aufzubauen. Bis das Unternehmen allerdings auch operativ tätig werden kann, dauert es sieben Jahre. Erst am 29. Juni 1964 kann ein Gasbezugsvertrag zwischen der OÖ. Ferngasgesellschaft und er Austria Ferngasgesellschaft über jährlich 40 Millionen Kubikmeter Erdgas aus Niederösterreich zur Versorgung der Österreichischen Stickstoffwerke in Linz abgeschlossen werden.
Als die RAG 1965 erstmals große Mengen Erdgas im Gebiet um Voitsdorf in Oberösterreich findet, wird ein Bezug des günstigen Energieträgers endlich auch für andere oberösterreichische Unternehmen realistisch. Insbesondere für die Umsetzung von Modernisierungs- und Rationalisierungsmaßnahmen bietet Erdgas große Vorteile; denn im Unterschied zu den bislang genutzten Energieträgern (z. B. Kohle, Kokereigas) ist Erdgas im Produktionsprozess nicht nur besonders sauber, sondern auch besonders präzise zu steuern.
Der erste österreichische Russengasvertrag am 4. Juni 1968 ist gleichzeitig der erste Gasexportvertrag der Sowjetunion mit einem nichtkommunistischen Staat. Das sowjetische Erdgas ergänzt ab sofort die Inlandsförderung und die OÖ. Ferngasgesellschaft bereitet sich auf eine künftige internationale Erdgasverbundwirtschaft vor. In Diskussion sind Importoptionen aus Holland, Libyen, Algerien und Nigeria, von wo aus Erdgas in verflüssigter Form über Tankschiffe transportiert werden könnte. Als Ende der 1960er Jahre auch die ÖMV in ihren eigenen Konzessionsgebieten um Kematen, Piberbach und Wirmsberg im Bezirk Steyr beträchtliche Erdgasmengen entdeckt, ist Erdgas plötzlich nicht nur verfügbar, sondern um 50% günstiger als Erdöl.
Die OÖ. Ferngas-Unternehmensentwicklung der 70er Jahre ist vor allem geprägt durch spektakuläre Bauprojekte zur Herstellung von Verbundleitungen zwischen den oberösterreichischen Erdgasfeldern und der Errichtung einer überregionalen Hochdruck-Infrastruktur. Das erste wesentliche Projekt stellt die Verbindung zwischen Windern am Traunfall und Linz-Ebelsberg dar. Weitere zentrale Projekte Anfang der 1970er Jahre sind eine Verbindungsleitung zwischen Ebelsberg und Voest – zur Versorgung der Voest – sowie der Bau einer Leitung zwischen Gmunden und Ebensee zur Versorgung von Solvay und Saline Ebensee. Zu den Erdgas-Großabnehmern der OÖ. Ferngas zählen in den 70er-Jahren auch bereits Unternehmen wie die Chemiefaser Lenzing, die Papierfabriken Steyrermühl und Laakirchen, das Gaswerk Gmunden sowie die Stadt Steyr und die Steyrer Werke.
Aufgrund von Verbrauchsrückgängen in der Industrie – infolge der ersten Energiekrise und Rezession Mitte der 1970er Jahre – der neuen Erdgasspeichermöglichkeit (ÖMV-Speicher Thann ab 1977) und der ab 1984 aus dem vierten Russengasvertrag der ÖMV erwarteten Erdgasmengen beginnt die OÖ. Ferngas sich Ende der 1970er Jahre erstmals auch im Bereich Haushaltsversorgung zu engagieren. Das erste Niederdruckversorgungsprojekt ist Haid/Ansfelden 1977 mit gleichzeitiger Begründung einer ersten dezentralen Niederlassung in Haid. Von hier aus folgt die Errichtung weiterer Ortsnetze; erst später begründet das Unternehmen zusätzliche Niederlassungen in Regau (1985), Braunau (1986), Bad Ischl (1989), Gallneukirchen (1992), Rohrbach (1999) und Gmunden (2001).
Um das neue Engagement im Niederdruckbereich auch finanztechnisch zu unterstützen, gründen die Gesellschafter am 14. Dezember 1979 eine Ferngas Holding AG als Muttergesellschaft der operativen Ferngas Ges.m.b.H. Der Abschluss eines Generalvertrages mit der RAG – ebenfalls im Jahr 1979 – ermöglicht dem Unternehmen erstmals auch eine einheitliche Preisgestaltung sowie einen Lastausgleich zwischen den Abnehmergruppen.
Nach wesentlichen Änderungen in der Gesetzgebung (u. a. Dampfkesselemissionsgesetz 1982 und 1988) beginnt Erdgas ab Ende der 1980er Jahre – auch aus umweltpolitischen Gründen – eine zentrale Rolle in Österreichs Energieversorgung zu spielen. Infolge umweltbewusster Heizungsumstellungen von Kohle, Koks oder Holz auf Erdgas erlebt die OÖ. Ferngas nun einen regelrechten Erdgasboom – auch im Haushaltsbereich.
1991 betreibt die OÖ. Ferngas die erste große Umorganisation ihrer Unternehmensgeschichte (Dezentralisierung). Drei Jahre später, im Jahr 1994, wechselt das Unternehmen darüber hinaus seine Eigentümer. Nach Verschmelzung der neu gegründeten OÖ. Ferngas AG mit der OÖ. Ferngas Holding AG halten OKA (heute Energie AG Oberösterreich) und OÖ. Ferngasbeteiligungs AG (34% daran hält die OMV, weitere Anteile halten SBL, ESG und E-Werke Wels) je 50% der Anteile.
Der Liberalisierung des österreichischen Erdgasmarktes 1998 bis 2002 begegnet die nunmehrige OÖ. Ferngas AG u. a. mit einer weiteren Umorganisation und Ausgründung zweier Tochtergesellschaften: Der Erdgasindustrieversorgungs GmbH, die noch im Jahr 2000 in die im Rahmen der großen österreichischen Gaslösung neu gegründete Großkundenvertriebsgesellschaft EconGas eingebracht wird (die OÖ. Ferngas AG hält an dieser 15,55%) und der erdgas oö., die seither Kunden mit einem Jahresverbrauch bis zu 500.000 m³ bedient.
Heute engagiert sich die OÖ. Ferngas AG nicht nur im Bereich Erdgas, sondern – über ihre Beteiligungen ENSERV, MEA solar und Ferngas Service GmbH – auch in den Bereichen Biogas, Solarenergie und Lichtwellenleiter. Für die erste Biogaseinspeisung Österreichs ins Erdgasnetz wird das Unternehmen im Jahr 2006 mit dem internationalen Energy Globe Award in der Kategorie Luft ausgezeichnet.
Redaktionelle Bearbeitung: Elisabeth Kreuzwieser, 2006