Als die OÖ. Ferngasgesellschaft 1964 ihre operative Tätigkeit aufnimmt, gilt das Produkt Erdgas vor allem aufgrund seiner prozesstechnischen Vorteile als zentrale Zukunftsoption für die oberösterreichische Industrie. Nicht nur die Österreichischen Stickstoffwerke (heute AMI), die Erdgas ab 1964 als Rohstoff für die Düngemittelproduktion nutzen, sondern auch Zement- und Ziegelwerke, Brauereien und zahlreiche andere Industriezweige drängen Mitte der 60er-Jahre auf eine rasche Versorgung mit der besonders kostengünstigen Energie. Denn Erdgas ist – zum Beispiel im Vergleich zu Kohlengas – nicht nur unvergleichlich sauberer (dadurch u. a. Kostenersparnis in der Wartung der Anlagen), sondern in Verbrennungsvorgängen auch weitaus präziser zu steuern; eine entscheidende Voraussetzung sowohl für Modernisierungen in Herstellungsprozessen als auch für Produktverbesserungen.
Der rasante Fortschritt im Aufbau des oberösterreichischen Erdgas-Hochdrucknetzes ermöglicht der OÖ. Ferngas bald die Belieferung zahlreicher „Abnehmer“ im Bundesland: Ende der 70er-Jahre versorgt das Unternehmen u. a. die Voest, die Chemiefaser Lenzing, die Papierfabriken Steyrermühl und Laakirchen, die Gmundner Zementwerke und Stadt Gmunden, das OKA-Kraftwerk Timelkam, die Städte Wels und Steyr, die Steyr-Werke, Saline Ebensee und Solvay. Die Voest beispielsweise verwendet dabei Erdgas als Brenngas anstelle von Kokerei- und Flüssiggas. Betriebe wie Saline Ebensee und Solvay verwenden Erdgas anstelle des bisher verwendeten Schweröls zum Betrieb ihrer Dampfkessel. Kommunale Stadtwerke wie z. B. die Stadt Gmunden ersetzen mit Erdgas das bisher verwendete „Stadtgas“ und versorgen damit ihre städtischen Haushaltskunden.
Als mit dem Aufbau von Erdgasspeichern gegen Ende der 70er-Jahre (z. B. ÖMV-Speicher Thann ab 1977) erstmals auch eine flächendeckende Versorgung von Haushalten mit gesicherter Spitzenlastabdeckung im Winter möglich wird, erwirbt die OÖ. Ferngas auch die Konzession zur Niederdruckversorgung und steigt ins Haushaltsgeschäft ein. Wesentliche Anreize für einen Umstieg auf Erdgas im Haushaltsbereich sind zunächst vor allem die geringeren Sicherheitsaufwendungen (z. B. im Vergleich zu Flüssiggas) der Preisvorteil und das wegfallende Brennstofflager. Bald allerdings spielt auch das Thema Komfort in der Endkundenwerbung für Erdgas eine zentrale Rolle. Gaskonvektoren bzw. Etagen- und Zentralheizungen lösen zunehmend Festbrennstoffheizanlagen ab. Ab Mitte der 80er-Jahre ist der Einsatz von Erdgas zum Kochen, zum Heizen und zur Warmwasserbereitung längst auch in ländlichen Gemeinden Oberösterreichs, die bereits über eine so genannte „Ortsgasversorgung“ verfügen, möglich. Erdgas gilt nun nicht nur als modern, sondern auch als besonders umweltfreundlich.
Zur gleichen Zeit – also ebenfalls in den 1980er Jahren – bringt der allgemeine Technologiefortschritt auch entscheidende Preisreduktionen bei Feuerungsanlagen für die Industrie mit sich. Ein erneuter Anreiz für Unternehmen, auf Erdgas als Prozessgas umzustellen. Als wichtigster Vorteil von Erdgas gilt Ende der 1980er Jahre aber auch in der Industrie längst nicht mehr nur der Kostenvorteil (z. B. in Form der Einsparung von Betriebs-, Wartungs- und Lagerungskosten). Der Erlass von Emissionsvorschriften für Brennstofffeuerungen (z. B. Luftreinhaltegesetz für Dampfkessel 1988 als Nachfolgegesetz zum 1982 erlassenen Dampfkessel-Emissionsgesetz) infolge der zunehmenden Sensibilisierung für den Umweltschutz bringt für die Marktbearbeitung in den 90er-Jahren einen neuen, bislang kaum beachteten Erdgas-Produktvorteil ins Treffen: Erdgas verbrennt – z. B. im Gegensatz zu Schweröl – weitgehend emissionsfrei.
Im Jahr 1990 untersucht und bewertet eine von der Oberösterreichischen Kraftwerke AG in Auftrag gegebene Energieflussstudie der Technischen Universität Wien unter der Leitung von Prof. Dr. P. Jansen die „Schadstoffemissionen typischer Heizsysteme“ und kommt zum Schluss, dass Erdgas vor allem auch im Bereich der Wohnraumbeheizung entscheidende Vorteile für die Umwelt bringen kann. Den größten umweltaktiven Effekt bringt nach der Studie Jansens eine Umstellung von mit Kohle, Koks oder Holz befeuerten Einzelöfen auf erdgasbeheizte Etagenheizungen; Anlass und Grund für die OÖ. Ferngas weiterhin intensiv in die Errichtung der Ortsgas-Infrastrukturen im Bundesland zu investieren. Die Erdgasabgabe durch das OÖ. Ferngas-Niederdrucknetz wächst zu dieser Zeit jährlich um mehr als 20%. Vor allem die Einführung der bezüglich Brennstoffausnutzung und Betriebskosten hocheffizienten Erdgas-Brennwerttechnologie unterstützt diesen Trend ab Anfang der 1990er Jahre nachhaltig.
Darüber hinaus beginnt ab Anfang der 1990er ahre auch die Verwendung von Erdgas als Kraftstoff – als Zukunftshoffnung für die Reduktion der Treibhausgase und des Sommerozons – in den Blickpunkt der Öffentlichkeit zu rücken. Der Erdgas-Kraftstoff, der bei seiner Verbrennung im Vergleich zu herkömmlichen benzin- und dieselbetriebenen Fahrzeugmotoren bis zu 90% weniger Schadstoffe absondert, heißt CNG, die Abkürzung für Compressed Natural Gas. Die OÖ. Ferngas selbst betreibt ab 1991 zwei CNG-Testfahrzeuge. Als der erste serienmäßige Erdgas-BMW in Österreich auf den Markt kommt, hat die OÖ. Ferngas bereits fünf Jahre Erfahrung mit ihrem – inzwischen auf acht CNG-Fahrzeuge angewachsenen – unternehmenseigenen Erdgasauto-Fuhrpark. Die erst vor wenigen Jahren wieder aktuell gewordenen Diskussionen rund um den Klimawandel sprechen für die Weiterentwicklung dieser Technologie, insbesondere auch unter Berücksichtigung einer zumindest komplementären Verwendung von veredeltem Biogas (die erste Biogasbetankung Österreichs erfolgte 2006 an der OMV-Tankstelle Ansfelden in Oberösterreich).
Redaktionelle Bearbeitung: Elisabeth Kreuzwieser, 2006