Ein Versäumnis nachholen musste jene Arme Seele, deren Geschichte im „Hofkirchner Mirakelbuch“, das im letzten Raum genauer beschrieben wird, festgehalten wurde.
Die 18-jährige Dienstmagd Theresa Polzinger hörte zwei Wochen nach ihrem Dienstantritt in Gallspach kurz nach 11 Uhr nachts ein Geräusch, als ob etwas in der Kammer umgefallen sei. Sie rief eine andere Magd herbei, man konnte jedoch nichts finden, was das Geräusch verursacht hatte. Eine halbe Stunde später, als Theresa wieder alleine war, erschien eine gut gekleidete, schneeweiße Frau vor ihrem Bett. Theresa war zu Tode erschrocken und zog sich die Bettlaken über den Kopf, doch der Geist zog sie wieder weg. Dieser Vorgang wiederholte sich, bis Theresa doch die Augen öffnete und sich den Geist anschaute. Da fing dieser zu seufzen an und legte sich neben sie auf ihrer rechten Seite ins Bett, wo er bis zwei Uhr nachts neben der vor Angst erstarrten Magd liegen blieb. Danach verschwand er durch das Fenster. Auch als eine zweite Magd mit ihr die Kammer teilte, kam der Geist, den die andere Magd jedoch nur spüren konnte. Verschiedene Geistliche befragten die Mägde nun nach den Vorgängen und der Dechant machte Theresa Mut, den Geist anzusprechen und nach seinem Begehren zu fragen.
Theresa ging nun zur Beichte, legte sich alleine in das Geisterzimmer, rief den Beistand der Heiligen Dreifaltigkeit an und sprach die Worte: „Alle guette Geister Loben Gott den Herrn“. Vorerst gab der Geist keine Antwort, doch auf das zweite Mal erwiderte er: „Ich auch.“ Dann erzählte die „weiße Frau“, dass sie die Ahnfrau ihres Dienstherrn sei und umgehen müsse, weil sie einem Dienstmädchen den Lohn verweigert hätte. Sie bat Theresa auf den Knien von Gallspach nach Hofkirchen zu gehen und um ihren Lohn für sie zum heiligen Kreuz in Hofkirchen eine Messe lesen zu lassen. Tatsächlich versprach das Dienstmädchen die Erlösung der Ahnfrau. Am 29. Juni, um acht Uhr abends, begann sie dann in Begleitung vieler Menschen, die laut beteten, und des nur ihr sichtbaren Geistes, ihren Weg von Gallspach nach Hofkirchen auf den Knien. Am 30. Juni gegen acht Uhr vormittags kam sie bei dem Heiligen Kreuzaltar in Hofkirchen an. Dort wurde sie von Dechant Moriz Prechenstainer befragt und er nahm ihr die Beichte ab. Dann las er die von der Seele gewünschte Messe beim Kreuzaltar. Dabei wurde der Geist immer kleiner und flog schließlich gegen den Hochaltar auf. Theresa wurde bewusstlos und sah dabei wunderschöne Orte, die ihr noch lange im Traum begegneten. Nach dieser Zeit hörte sie nie mehr von der Armen Seele.
Autoren: Irene und Christian Keller, 2014
Glaube? Aberglaube? – Gelehrtenmagie - Dokumentation der Ausstellung im KULTURAMA Schloss Tollet vom 26. April bis 2. November 2014 und 2017.