Geflügelte Wesen mit dämonischen oder helfenden Eigenschaften gab es in vielen vorchristlichen Kulturen. Die etruskische Todesdämonin Vanth z.B. hatte die Aufgabe, die Seelen ins Jenseits zu geleiten, Anaphita, eine persische Göttin, wurde schon 100 v. Chr. geflügelt dargestellt.
Interessant ist, dass man sich die ersten „Engel“ im Alten Testament anscheinend noch nicht als geflügelte Wesen vorstellte. Der biblische Gott trat mit ihrer Hilfe mit den Menschen in Kontakt, das hebräische Wort bedeutete „Bote“ aber auch „Botschafter“. Die Begegnung mit Engeln wurde also als Erlebnis beschrieben, bei dem Gott selbst Kontakt mit den Menschen aufnahm. In den Texten des Alten Testamentes, in denen man den Eindruck hat, dass es sich tatsächlich um personale Wesen handelt, erscheinen sie als ganz normale Menschen. Sie haben also weder Flügel, noch eine „erschreckende Gestalt“, wie sie ihnen im Neuen Testament zueigen ist. Ihre Aufgabe kann sein, den Menschen zu schützen, aber auch Rache zu üben und Verderben zu bringen.
Im Alten Testament gab es verschiedene Himmelswesen, die nicht definitiv als Engel bezeichnet werden. Dieser „himmlische Hofstaat“ wurde manchmal auch Söhne Gottes genannt. Als Wesen mit Flügeln sah man nur die Seraphim und Cherubim an. Sie konnten auch die Gestalt von geflügelten Schlangen haben. Die Cherubim beschützten im Bundeszelt und im Salomonischen Tempel mit ausgebreiteten Flügeln den Zugang zum Allerheiligsten.
Einen starken Einfluss auf das Bild der Engel hatte die Lehre Zarathustras, etwa 600 v. Chr. Dort gibt es viele gute und böse Wesen, den Gott Ahuramazda stellte man sich von Engelwesen umgeben vor.
Die Erzählung aus dem Buch Tobias (200 v. Chr.), in dem ein Engel Tobias begleitet und beschützt, wurde für das Bild des persönlichen Schutzengels wichtig. Ansonsten taucht der Gedanke an einen Schutzengel eher in außerbiblischen (apokryphen) jüdischen Schriften auf.
Auch als Todesengel haben die Gottesboten eine Aufgabe zu erfüllen. Sie sollten verhindern, dass eine Seele sich auf ihrem Weg ins Jenseits verirrt.
Im Neuen Testament bekommen die Engel dann ihre beeindruckende und oft erschreckende Gestalt und leiten daher ihre Botschaften mit dem: „Fürchtet euch nicht“ ein.
Etwa im 13. Jahrhundert hatte sich die klassische Lehre zu Wesen und Aufgabe der Engel herauskristallisiert. Engel hätten keinen Körper im menschlichen Sinn, sie seien aus „feinerem“ Material. Ihr Wissen bekämen sie nicht durch die Sinnesorgane, sondern von Gott selbst.
Neun Engelchöre gebe es: Seraphim, Cherubim, Throne, Herrschaften, Kräfte und Mächte, Gewalten, Fürstentümer, Erzengel und Engel. Menschen hätten hauptsächlich mit Erzengeln und Engeln, die als Schutzengel fungierten, zu tun. Namen von Engeln sind nur drei bekannt, die der Erzengel Michael (Wer ist wie Gott), Gabriel (Held Gottes) und Raphael (Gott heilt). Michael war Begleiter der Seelen ins Totenreich und durch die Schilderung seines Sieges über den Drachen (Teufel) in der Apokalypse wurde er zum himmlischen Heerführer. Deshalb wird er in der Kunst auch jung, kraftvoll und in der Ritterrüstung der jeweiligen Zeit dargestellt.
Die Lehre und die Vorstellung von den Engeln wurden in Kunstwerken gezeigt und diese beeinflussten wieder die Vorstellungen der Menschen von den Engeln. Die frühesten christlichen Engeldarstellungen trugen antike Tracht. Erst seit dem 5. Jahrhundert sind sie mit Flügeln ausgestattet. In der Ostkirche wurden sie sehr würdevoll und ernst, oft in prunkvoller Hoftracht und mit Heiligenschein abgebildet. Seit dem 13. Jahrhundert wurden die ernst blickenden Männerengel durch androgyne oder überhaupt weibliche, gefühlvollere Engel abgelöst. Ab dem 14. Jahrhundert kam auch der Kinderengel, den man als „Putto“, als Spielgefährten des Jesuskindes sah, auf.
Heute hat der Engelsglaube eine Renaissance erfahren, eine Flut von Büchern und Bildern zeigen das Bedürfnis der Menschen nach überirdischem Schutz und transzendentaler Hilfe.
Heutige Theologen, zum Beispiel der in Schwanenstadt geborene Priester und Universitätsprofessor Ferdinand Holböck (13. Juli 1913- 13. Oktober 2002), haben zu Engeln eine ähnliche Haltung wie zu Teufeln und Dämonen. Da über sie in der Bibel berichtet wird, sind sie Teil des christlichen Glaubens. Die Konzile nahmen die Existenz guter und gefallener Engel als Glaubenswahrheit. Auch in der Liturgie wird auf Engel hingewiesen. Das Feste der Erzengel wird am 29. September gefeiert und am 2. Oktober ein Gedenktag an den Schutzengel. Auch heute glauben Theologen noch, Engel seien zur Anbetung und Verherrlichung Gottes geschaffen, aber ebenso als Schutzengel für die Menschen.
Autoren: Irene und Christian Keller, 2014
Glaube? Aberglaube? – Gelehrtenmagie - Dokumentation der Ausstellung im KULTURAMA Schloss Tollet vom 26. April bis 2. November 2014 und 2017.