Schon seit Anfang des 20. Jahrhunderts herrschte in Linz Wohnungsnot. Der Zuzug von Arbeitskräften, die in neuen Betrieben arbeiteten, konnte durch die wenigen neugebauten Wohnungen nicht kompensiert werden. Von 1929 bis 1937 errichtete die Stadt Linz knapp 500 Wohnungen pro Jahr. Gleichzeitig zwang die Arbeitslosigkeit Anfang der 1930er Jahre viele LinzerInnen in kleinere Wohnungen zu ziehen, größere 3-4 Zimmer-Wohnungen waren nicht erschwinglich und zudem in Linz kaum vorhanden. Diesen Mißstand konnten die Nationalsozialisten für ihre Propaganda bestens ausnutzen und inszenierten sich als Meister der Aufbaus, wie in den zahlreichen Beiträgen von Franz Schmuckenschläger (Stadtbauamt Linz) und des Bürgermeisters Leo Sturma nachzulesen ist.
Zwei Gesellschaften waren Träger der Wohnungsbauinitiative in Linz ab 1938: zum einen baute die „Wohnungsaktiengesellschaft der Reichswerke ‚Hermann Göring‘ Linz“ (heute: WAG) Werkswohnungen für ihre „Gefolgschaft“. Die Bautätigkeit begann u.a. 1938 in der Spallerhof-Siedlung. Die Stadt gründete ebenfalls eine Gesellschaft: Die „Gemeinnützige Wohnbauförderungsgesellschaft der Stadt Linz G.m.b.H.“, auch „Stadt- und Wohnungsgesellschaft Linz“ (heute: GWG) sollte erschwingliche Wohnungen bauen, wie im unter anderem im sogenannten Gesellschaftsvertrag nachzulesen ist. Die Lichtbildstelle des städtischen Kulturamtes dokumentierte eines der ersten städtischen Bauprojekte in der Wimhölzl-Siedlung.
Der Wohnungsbau in Linz war jedoch nicht von den Entwicklungen im Reich abgekoppelt. Das Architekturbüro der „Deutsche Arbeitsfront“ (DAF) unter Julius Schulte-Frohlinde, der zusehends durch den Reichsleiter der DAF, Robert Ley, an den Rand gedrängt wurde, erprobte seit den 1930er Jahren Typengrundrisse. Auch der Normungsexperte im Büro von Albert Speer, Ernst Neufert, experimentierte mit Grundrisslösungen (noch heute haben viele ArchitektInnen das Ergebnis seiner Forschungen in Form der „Bauentwurfslehre“ im Schrank stehen). Wichtigster Akteur war jedoch Robert Ley, der 1940 von Adolf Hitler zum „Reichskommissar für den sozialen Wohnungsbau“ und im Frühjahr 1942 zum „Reichswohnungskommissar“ ernannt wurde. Unter seiner Ägide entstanden die „Reichstypen für den Wohnungsbau“, die auch in Linz verbaut wurden. Sie zeichneten sich durch großzügige Lösungen für kinderreiche Familien aus: Eine Standardwohnung sollte 50 bis 80 qm Wohnfläche besitzen.
Ziel der Normierung war eine Rationalisierung im Baugewerbe. Die Reduzierung der Formate sollte Kosten sparen: statt unterschiedliche Formate zu verwenden, wurde für Ziegelsteine ein „Normalformat“ eingeführt. Bei allen Vereinheitlichungsanstrengungen wurde jedoch auf regionaltypische Formen, wie hier in Oberösterreich der Vierkanthof, geachtet. Am deutlichsten ist die Adaption der ländlichen Bautradition an den Blöcken der Harbach-Siedlung in der Leonfeldner Straße zu sehen.
Autorin: Sylvia Necker
"Hitlerbauten" in Linz. Wohnsiedlungen zwischen Alltag und Geschichte. 1938 bis zur Gegenwart - Dokumentation zur Ausstellung im Nordico Stadtmuseum Linz vom 21. September 2012 bis 20. Jänner 2013.