Der Ausbau von Industriezentren im ganzen Reich war ein wichtiger Teil nationalsozialistischer Wirtschaftspolitik. Für die Aufrüstung wurden Werke gebraucht, die Kübelwagen für die Wehrmacht, Panzerteile und Waffen produzierten. Es fehlten jedoch Standorte für die Gründung neuer Werke. Schon vor 1938 war Linz im Gespräch, mit der Ansiedelung konnte jedoch erst nach dem sogenannten „Anschluss“ begonnen werden. Am 4. Mai 1938 gründete sich die Reichswerke AG für Erzbergbau und Eisenhütten „Hermann Göring“ Linz als Tochtergesellschaft der „Reichswerke Hermann Göring“. Mit der Gründung konnten die Österreichisch-Alpine Montangesellschaft und die Eisenwerke Oberdonau GmbH übernommen wurden. So entstand ein ganzes Netz an Betrieben und Hochöfen im Osten der Stadt.
Der Architekt Alexander Popp plante die Anlagen auf dem Werksgelände. Dafür mussten die Dörfer St. Peter und Zitzlau verschwinden. Popp – Schüler von Peter Behrens, mit dem er 1929 bis 1935 die Tabakfabrik in Linz gebaut hatte – realisierte als Industriearchitekt moderne Stahlskelettbauten mit Ziegelmauerwerk. Architekten wie Popp, aber auch Friedrich Tamms (Ingenieur der Nibelungenbrücke) oder Peter Koller (Architekt des Volkswagenwerkes in Wolfsburg – damals „KdF-Wagen“) oder Herbert Rimpl (Wohnsiedlungen und Betriebsanlagen in Salzgitter und Linz) können als Beispiel herangezogen werden, dass das NS-Regime moderne Industriearchitektur genauso in ihr Stiltableau intergrierte wie ländliche Bautraditionen. Industriearchitektur war somit wichtiger Teil der architektonischen Inszenierung wie auch der expandierenden Rüstungsindustrie im Nationalsozialismus. Nach 1945 versuchten jedoch vor allem Industriearchitekten zu betonen, sie hätten lediglich „Zuflucht im Industriebau“ gefunden, wie es der Hamburger Architekt Rudolf Lodders (im Nationalsozialismus für die Borgward-Automobilwerke tätig) formulierte.
Neben den Betriebsanlagen und Hochöfen, die der Linzer Grafiker Leo Adler in den 1940er und 1950er Jahren in mehreren Kreidezeichnungen festhielt, musste vor allem die Infrastruktur der Stadt Linz ausgebaut werden. Es fehlten Straßen, Kanäle, Wasserzu- und abfuhr sowie Stromleitungen. Parallel zu diesen Maßnahmen wurde schon 1938 mit dem Bau der ersten Wohnsiedlungen in Linz begonnen. Insgesamt waren 18 Siedlungen geplant, wie ein Übersichtsplan demonstriert. Wie eng Wirtschafts- und Stadtentwicklung zusammenhängt, kann am Wirtschaftsplan für die Stadt Linz von 1938 abgelesen werden.
Eine Dokumentation von Maria Karl und Stefan Kurowski (A 1998, 40 min). gainfaktor produktion, Kirchberg-Thening
Eine Dokumentation von Maria Karl und Stefan Kurowski (A 1998, 40 min). gainfaktor produktion, Kirchberg-Thening
Der Film erzählt die Geschichte der Umsiedler aus St. Peter, die im Frühjahr 1938 zwangsweise "abgesiedelt" wurden, um Platz für das Werksgelände der Reichswerke "Hermann Göring" Linz zu machen. Zeitzeugen berichten über ihre Erinnerungen an St. Peter am östlichen Stadtrand von Linz.
Autorin: Sylvia Necker
"Hitlerbauten" in Linz. Wohnsiedlungen zwischen Alltag und Geschichte. 1938 bis zur Gegenwart - Dokumentation zur Ausstellung im Nordico Stadtmuseum Linz vom 21. September 2012 bis 20. Jänner 2013.