Der Glaube an Arme Seelen steht in Verbindung mit der im 12. Jahrhundert entstandenen Idee des Fegefeuers, vermischte sich im Volksglauben aber mit älteren Vorstellungen um Totengeister und Geister überhaupt.
In Oberösterreich glaubte man, Tote, die weder in den Himmel noch in die Hölle kamen, müssten auf der Erde bleiben und mit dem Teufel in der Wilden Jagd ziehen. Man begegnete ihnen an Gattersäulen und durfte daher die Gatter nicht zuwerfen, weil ihnen dies Schmerz bereite. Auch im Feuer hörte man sie singen und konnte ihre Qualen durch das Hineinwerfen von Salz lindern. Wenn Brotbrösel auf den Boden fielen, machte man ein Kreuz darüber und warf sie für die Armen Seelen ins Feuer. Man sollte auch kein Messer am Rücken liegen lassen, weil sie sich sonst darauf setzen müssten.
In älteren Sagen kommen die Toten noch als "Nachzehrer" vor, die den Rest der Familie nachholen. Unter christlichem Einfluss wurde daraus die Arme Seele, die man durch Gebete erlösen könnte. Sie konnte als Lichterscheinung oder in durchscheinender menschlicher Gestalt auftreten.
In Zell an der Pram stellte man am unschuldigen Kindertag für sie Milch und Semmeln ins Feuer. Wenn der Ofenring singe, würden die Armen Seelen weinen. Beim Rosenkranzbeten stellte man für sie eine Kerze unter den Tisch und hängte über den Weihwasserkessel ein kleines Seelenbildchen auf, damit man beim Nehmen des Wassers an sie dachte.
Arme Seelen büßten meist für ein begangenes Verbrechen, für etwas, das sie im Leben unterlassen hatten, oder Verstöße gegen den Ehrenkodex, wie das Versetzen von Grenzsteinen. Ging eine Arme Seele um, musste man sie nach ihrem Anliegen fragen und dann für sie beten oder eine bestimmte Aufgabe erfüllen. Dies galt als besonders gute Tat.
Autoren: Irene und Christian Keller, 2014
Glaube? Aberglaube? – Volksfrömmigkeit - Dokumentation der Ausstellung im Kulturgut Hausruck vom 26. April bis 2. November 2014 und 2017.