Schulbühnen – Klosterbühnen

Die Schulbühnen der Gegenreformation

Theaterliteratur in den Klöstern Oberösterreichs


Klöster als Kulturträger
Der Siegeszug reformatorischer Lehren führte im 16. Jahrhundert in den oberösterreichischen Klöstern, den ehemals wichtigsten Kulturträgern, zu massiven Verfallserscheinungen. Viele Konventualen traten aus, wer blieb, zeigte wenig Interesse an einem mönchischen Lebenswandel. Auch die einst arrivierten Schulen drohten gegenüber den protestantischen Bildungsstätten in der Bedeutungslosigkeit zu versinken; Belege für Theateraufführungen (Ranshofen, Kremsmünster, Lambach) sind äußerst rar. Erst mit den katholischen Restaurationsbemühungen unter Rudolf II. stabilisierte sich die Lage der Klöster um 1600 soweit, dass das Schultheater neue Bedeutung erlangen konnte, nun auch im Dienste der Gegenreformation. Zumal dem Ordenstheater der Jesuiten und der Benediktiner kam in den folgenden beiden Jahrhunderten eine besondere Stellung zu.

‚Belehrung‘ durch Theaterspiel
Auch wenn die Ordenstheater im Lauf der Zeit recht unterschiedliche Wege verfolgten, war ihnen der Grundgedanke gemein, die Lehrziele einer umfassenden Wissensvermittlung, moralischen Schulung und rhetorischen Ausbildung in ‚spielerischer‘ Weise zu erreichen und den Schülern die Möglichkeit zu geben, sich im sicheren Auftreten zu üben. Ähnlich waren auch die Aufführungsanlässe: Neben lediglich internen Präsentationen gaben die Prämienverteilungen am Ende des Schuljahrs, Festtage, Besuche hoher Persönlichkeiten, die großen Märkte oder die Faschingstage willkommenen Anlass, das Einstudierte öffentlich vorzuführen. Um allen Besuchern das Verständnis zu ermöglichen, wurden zu den in der Regel lateinischen Stücken Periochen erstellt. Dass diese Dramen, die von den – als Autoren nicht genannten – Lehrern verfasst wurden, aufgrund der institutionellen Vorgaben an Originalität und Unterhaltungswert der weltlichen Kunstdramatik zumeist unterlegen waren, liegt auf der Hand. Doch stellten sie einen interessanten Kontrapunkt zu den ‚unmoralischen‘ Spektakelstücken der Wandertruppen und dem biederen Repertoire der Laientheatergruppen dar.

Ordenstheater der Jesuiten
Das Ordenstheater der Jesuiten in Oberösterreich hatte zwei Zentren: Linz und Steyr. Durch den regen Austausch der Lehrkräfte folgte es im Wesentlichen der allgemeinen Entwicklung des Jesuitentheaters im deutschen Sprachraum, die Elida Maria Szarota in fünf Perioden unterteilt: die gegenreformatorische Funktionalisierung, die Prägung durch den Dreißigjährigen Krieg, die Krisenbewältigung angesichts der Türkengefahr, die Verweltlichung und schließlich die Öffnung für humanitäres und aufklärerisches Gedankengut.

Jesuitentheater in Linz
Die Gründung des Linzer Jesuitengymnasiums 1608 (ursprünglich im Landhaus untergebracht) war eine klare Positionierung gegen die protestantische Übermacht in der Landeshauptstadt. Die schauspielerischen Bemühungen der ersten Jahre standen entsprechend in direkter Konkurrenz zu den Theaterproduktionen der protestantischen Landschaftsschule. Auch inhaltlich ist der missionarische Antrieb nicht zu übersehen; so wird etwa im ersten uns überlieferten Stück, dem noch deutlich vom Spiel der englischen Komödiantentruppen beeinflussten Staurophilus (1614), das beliebte Motiv des verlorenen Sohns bearbeitet. In den folgenden Jahrzehnten der Glaubenskriege galt es Helden zu zeigen, die kompromisslos für ihre Überzeugung lebten und starben. Mit Gewaltszenen nicht geizende Märtyrerdramen wie Celsus puer Antiocheus (1631) erfüllten diesen Zweck nachdrücklich.

Seinen Höhepunkt aber erreichte das Theater des Linzer Kollegs (dem 1669 ein Lyzeum angegliedert worden war) während der Regierungszeit Leopolds I., der seinen Hof 1680/81 auf der Flucht vor der Pest und 1683/84 wegen der Türkenbedrohung nach Linz verlegte. Man wollte mit den auf der neuen barocken Verwandlungsbühne gespielten Ludi caesarei den Wiener Kolleginszenierungen an multiler Prachtentfaltung und künstlerischer Raffinesse nicht nachstehen. In der Motivwahl versuchte man – wie etwa im David (1684) – die Gefahren der Zeit und das Schicksal des Herrscherhauses anklingen zu lassen, man appellierte an die Standhaftigkeit des Einzelnen und verwies auf die göttliche Gerechtigkeit. Der hohe personelle Aufwand und die aufwändigen Inszenierungsformen mit Tanz und Musik wurden auch in den folgenden Jahrzehnten beibehalten. Bis zu acht Aufführungstermine pro Jahr sind im 18. Jahrhundert nachweisbar.

Stoffe lieferten nun neben den traditionellen Themen aus Bibel und Legendendichtung vermehrt die Werke antiker Autoren, die plautinischen Komödien (für die Ludi saturnales) ebenso wie historische und mythologische Sujets. Aber auch die jüngere weltliche Theaterliteratur wurde aufmerksam rezipiert, der Trend zum Singspiel auf der neu erbauten klassizistischen Einortbühne (1734) mitvollzogen und die strikte Latinität vereinzelt durch deutsche Liedeinlagen und Intermedien (Zwischenspiele) aufgeweicht. Aber erst nach dem Verbot des Theaterspiels für Gymnasialklassen (1762) – das Schultheater stand den aufklärerischen Prämissen der maria-theresianischen Schulreform entgegen – kam, als Veranstaltung der Jesuitenakademie, mit Illustres e Flavia Gente Martyres (1763) ein deutsches Theaterstück zur Aufführung. Die Aufhebung des Jesuitenordens im Jahr 1773 verhinderte aber eine weitere Entwicklung in diese Richtung.

Jesuitentheater in Steyr
Im Repertoire unabhängig, entwicklungsgeschichtlich aber durchaus mit Linz vergleichbar, zeigt sich das Jesuitentheater in Steyr, von dem keine Dramentexte oder Periochen überliefert sind. Schon im ersten Jahr nach der Eröffnung von Schule und Residenz feierte es 1633 programmatisch mit dem Marienverehrungsstück Hermanulus seine erste Premiere und dramatisierte in den folgenden Jahrzehnten vornehmlich Heiligenlegenden. Anschluss an den Hochbarock fand man 1686 mit dem allegorischen Spiel IEOVA, das den Sieg über die Türken feierte. Seine produktivste Zeit erlebte das Kollegtheater um 1700, wo es das Kulturleben der Eisenstadt wesentlich prägte. Wie in Linz akzentuierte man nach dem Theaterumbau 1737 den Unterhaltungseffekt, doch ließen Lehrplanänderungen den Stellenwert des lateinischen Schauspiels noch vor dem endgültigen Verbot des Schultheaters sinken.

Benediktinisches Schultheater
Das Schultheater der Benediktiner war in seinen Anfängen noch vom Schauspielkonzept des Jesuitentheaters beeinflusst (zu nennen ist v. a. das Stift Garsten, dessen Schüler auch im nahen Steyr agierten). Doch wichen die gegenreformatorischen Tendenzen rasch einer weniger kämpferischen theatralen Inszenierung des christlichen Erlösungsgedankens und im 18. Jahrhundert entwickelten sich schließlich aus den verschiedenen Traditionssträngen ganz eigene Formen.

Stift Kremsmünster
Die wichtigste Barockbühne Oberösterreichs besaß das wirtschaftlich mächtige Stift Kremsmünster. Schon seit 1561 sind uns Aufführungen von eigenen und auswärtigen Kräften bekannt. Einen geregelten Spielbetrieb ermöglichte aber erst die Errichtung eines Theatersaals (1647) und die Installation eines Pater comicus, der für die Abfassung und Inszenierung der Stücke verantwortlich war. Die Bühnenmusik, auf die in Kremsmünster besonderes Augenmerk gelegt wurde, steuerte der Regens chori bei. Nach ersten, noch dem Fastnachtspiel verpflichteten Anfängen bildete sich unter Placidus Marstaller (1633–1692) die hochbarocke Form des oberösterreichischen Ordenstheaters aus. In seinem Eustachio (1673) lösten sich die Allegorien von der Haupthandlung und die komischen Szenen wurden zu einem fünfteiligen deutschsprachigen Intermedium ausgebaut, das akzentuierend das Hauptspiel begleitet (und – da es vor dem Velum, dem Vorhang, gespielt wurde – Umbauten auf der Bühne ermöglichte).

Simon Rettenpacher
Seine Glanzzeit aber erreichte das Stiftstheater durch das Zusammenspiel zweier Faktoren: 1676 schenkten die Landstände Kremsmünster eine technisch ausgefeilte Großbühne, die bei den Begrüßungsfeierlichkeiten Kaiser Leopolds I. zum Einsatz gekommen war; zur selben Zeit besaß das Stift in P. Simon Rettenpacher (1634–1706) den bedeutendsten Dramatiker des Benediktinerordens. Literarisch hochgebildet, war er als Professor für Ethik und Geschichte an die Salzburger Universität berufen worden, für deren Theater er 1672 bis 1674 seine drei wohl wichtigsten Dramen schuf: Demetrius, Atys und Perseus. Nach seiner Rückkehr kam zum 900-Jahr-Jubiläum des Stifts 1677 seine monumentale Dramatisierung der Klostergeschichte Callirrhoës ac Theophobi amores auf die Bühne, drei Jahre später in Anwesenheit des Kaiserpaars das Odysseus-Drama Prudentia Victrix. Beim nächsten Kaiserbesuch 1684 leitete Rettenpacher als Regens chori selbst das Spiel. Seine diesbezüglichen dramentheoretischen und dramaturgischen Vorstellungen legte Rettenpacher im Vorwort der Selecta Dramata (1683) dar. Bereits im Jahr zuvor hatte er seine Frauen-Treu in den Druck gegeben: das erste uns überlieferte rein deutsche Schauspiel des oberösterreichischen Ordenstheaters, ein durchaus eigenständiges Werk, das in keinerlei Zusammenhang mit der auf Volkstümlichkeit abzielenden Sprachgebung der Intermedien steht.

Nach Rettenpachers Tod verflachte die Theaterproduktion und bekam erst mit der Gründung einer Ritterakademie (1740), die in der standesgemäßen Erziehung adeliger Zöglinge bald den Bildungsstätten der Jesuiten den Rang ablief, neuen Aufschwung. Unter Johannes Weylgoune (1708–1760) und Matthias Pregg (1730–1775) zeigten sich die Prämienstücke bereits dem regelhaften Schauspiel verpflichtet; in Preggs deutschem Alexandrinerdrama Fulvius (1764) finden sich schon Anklänge an das bürgerliche Trauerspiel. Literarisch bemerkenswerter aber sind die unterhaltsamen Intermedien, die nun – nachdem deutsche Liedeinlagen und Zwischenspiele schon zuvor zu finden sind – immer öfter im Dialekt und durchgehend vertont sind wie Astrologus (1746, Musik: Placidus Fixlmillner), Trinkgern (1760, Musik: Johann Ernst Eberlin) oder Hanns (1764, Musik: Georg Pasterwitz).
Diese Intermedientradition wurde auch nach dem Verbot des Schuldramas weitergepflegt, als unter der Ägide des Regens chori Beda Planck (1741–1830) prunkvoll inszenierte italienische Opern und zeitgenössische Erfolgsdramatik den Spielplan bestimmten. Ab 1787 standen dabei neben den Studenten auch bürgerliche Dilettanten beiderlei Geschlechts auf der Bühne.

Stift Lambach
Schon deutlich früher als in Kremsmünster scheint sich in Lambach eine deutsche Aufführungspraxis etabliert zu haben. Zumindest überliefert uns ein Sammelband des Stiftsarchivs neben dem auf 1696 datierten Tapffermütigen Heraclius noch Texte zu drei weiteren deutschen Schuldramen, die auf den Bestand einer barocken Verwandlungsbühne hindeuten. 1713 kam dort ein gleichfalls deutsches Hirlanda-Stück zur Aufführung, mit Dialektsequenzen im Prolog. Anlässe und nähere Umstände der Aufführungen sind uns nicht bekannt; Prämienstücke waren es aber nicht. Auch wer hier agierte, ist nicht überliefert. Zuweilen sorgten Salzburger Studenten – wie 1721 mit einem lateinischen Julius Cæsar (samt Arie im bairischen Dialekt) – für Unterhaltung, dann wieder scheint man sich Unterstützung in Kremsmünster geholt zu haben, so etwa bei der von Franz Sparry vertonten lateinischen Kurzoper Charitum Trias.

Maurus Lindemayr
Bedeutung aber erlangte das Stiftstheater erst unter dem kunstsinnigen Abt Amand Schickmayr, der beste Kontakte mit Salzburg und den oberösterreichischen Abteien pflegte. Ihm stand mit P. Maurus Lindemayr (1723–1783) der bedeutendste österreichische Ordensdramatiker des 18. Jahrhunderts zu Diensten. Geschult im Theaterspiel am Linzer Jesuitenkolleg, hatte dieser während seiner Studienzeit in Salzburg die Dialektstücke Ignaz Anton Weisers ebenso kennengelernt wie das Repertoire der italienischen und deutschen Wandertruppen. Wohl schon in den frühen 1750ern entstanden seine ersten derb-komischen Dialektsingspiele wie die Saufsucht, die 1765 im Stift Wilten vor kaiserlichem Publikum aufgeführt wurde, Hans in der Klause oder Jodel, der Friedensstifter, allesamt Vorstufen für seinen Ernsthaften Spaß (1776).
Das früheste datierbare Lustspiel ist sein Storax (1757), eine kloster-bühnengerechte Bearbeitung von Molières Pourceaugnac, während Die Hochzeit nach Geld (1765) Anleihen bei der Com dell’arte nimmt. In Szene gesetzt wurden diese Stücke bei Festbesuchen und in den Faschingstagen von Stiftsmusikern, Sängerknaben und Kindern der Waisenstiftung in der Paura.
Darstellerinnen (Familienmitglieder von Stiftsbediensteten und Klerikern) finden wir erst nach der Renovierung des heute noch erhaltenen Stiftstheaters im Jahr 1770. Anlass dafür war der Aufenthalt der Dauphine Marie Antoinette im Stift Lambach, zu deren Ehren das dialektale Singspiel Kurzweiliger Hochzeit-Vertrag gegeben wurde, das bäuerliche Heiratsvorbereitungen ins Bild setzt.

In den folgenden Jahren kamen beinahe ausschließlich Werke Lindemayrs auf die Bühne, u. a. die Mythentravestie Argonautenzug (1771), der literatursatirische Unentbehrliche Hannswurst (1772), die Verlachkomödie Der Chamäleon des Herrn Rabeners (1775), Die Komödieprob (1746) zum 30-jährigen Amtsjubiläum Abt Amands und Die reisende Ceres (1780), zu der Joseph Haydn die Musik komponiert haben soll. Keine Aufführungen mehr belegt sind für Der engländische Patriotismus (Musik: Michael Haydn) und Der heruntergesetzte Herr von Hochaus, da sich die Aufführungsbedingungen unter dem Druck der josephinischen Reformen drastisch verschlechterten.

Stift St. Florian
Das Lindemayr-Singspiel Die Binder wird wohl in der Vertonung des Chorherrn Franz Joseph Aumann (1728–1797) auch in St. Florian aufgeführt worden sein. Das Augustinerstift muss schon im 17. Jahrhundert eine beachtliche Theatertradition aufgewiesen haben, wie ein Inventarverzeichnis zum reichen Kostüm- und Requisitenfundus von 1690 belegt. Immerhin hatte man schon zehn Jahre zuvor ein Stück des Regens chori Paul Perger vor dem Kaiserpaar aufgeführt; auch von einem Faschingsspiel wird berichtet. Doch sonst sind die Nachrichten spärlich. Ein Cyrus-Stück (1732) zur feierlichen Einweihung des Marmorsaals blieb als Perioche erhalten, ein weiteres mit volkstümlichen Episodenszenen kam mehr als drei Jahrzehnte später zur Aufführung; dazwischen war von Probst Johann Baptist III. eine neue Bühne errichtet und von dessen Nachfolger wieder abgetragen worden. Doch wie bei anderen Klöstern Oberösterreichs fehlen uns hier Texte und Aufzeichnungen, um ein klareres Bild vom fraglos regen Theaterleben zu bekommen.

Autor: Christian Neuhuber, 2011