August Strindberg
Von Stockholm nach Berlin
August Strindberg war längst über die Grenzen seiner schwedischen Heimat hinaus bekannt, als er nach der Scheidung seiner ersten Ehe im Herbst 1892 von Stockholm nach Berlin übersiedelte. Seine wichtigsten Dramen lagen bereits in deutschen Übersetzungen vor. Die Stücke Der Vater (1887) und Fräulein Julie (1888), die den Machtkampf der Geschlechter zum Thema hatten, waren 1890 bzw. 1892 an der Freien Bühne in Berlin aufgeführt worden. Die Premiere seines Einakters Gläubiger am Residenztheater stand unmittelbar bevor. Strindberg erhoffte sich in Berlin neue Kontakte und bessere Verdienstmöglichkeiten als in Schweden.
August Strindberg und Frida Uhl
Der 43-jährige Autor wurde zum Mittelpunkt eines Künstlerkreises, der sich regelmäßig in einer Weinstube mit der Insider-Bezeichnung Schwarzes Ferkel traf, und stieg rasch zum neuen Stern in der Berliner Boheme auf. Am 7. Jänner 1893 lernte er bei einem Empfang die 20-jährige Journalistin Frida Uhl kennen, die aus Mondsee stammte. Seit 1891 schrieb die einstige Klosterschülerin Literaturkritiken und Feuilletons für die Wiener Zeitung, deren Chefredakteur ihr Vater Friedrich Uhl war, ein angesehener Wiener Theaterkritiker und Schriftsteller. Frida Uhl begeisterte sich für die Ideen der Naturalisten, die sie als Vorkämpfer gegen die „künstlichen“ Konventionen der bürgerlichen Gesellschaft schätzte.
August Strindberg und Frida Uhl kamen sich näher und heirateten am 2. Mai 1893 auf der Insel Helgoland. Nach einem Kurzaufenthalt in London und auf der Insel Rügen verbrachte August Strindberg im Juli 1893 einige Tage in der Sommervilla seines Schwiegervaters in Mondsee, während sich Frida in London um den Verkauf seiner Werke bemühte.
Mit dem Erscheinen seines Romans Das Plädoyer eines Irren (1893), einer schonungslosen Abrechnung mit der ersten Ehefrau, festigte sich Strindbergs Ruf als Skandalautor, Frauenhasser und Verrückter. Er wandte sich nun naturwissenschaftlichen Experimenten zu.
Übersiedlung nach Saxen
Im November 1893 zwang die finanzielle Not das Ehepaar zur Übersiedlung zu Verwandten Frida Strindbergs, nämlich deren Großeltern, nach Dornach bei Saxen. Strindberg beschäftigte sich hier mit alchimistischen Experimenten und fotografierte mit seiner selbst gebauten Kamera die Gegend. Als er wegen angeblicher unsittlicher Passagen in seinem Roman Das Plädoyer eines Irren ins Greiner Gericht vorgeladen wurde und dessen Zuständigkeit anzweifelte, verbannten die Verwandten ihn und seine Frau aus dem Gutshof in ein kleines Nachbarhaus.
Im April 1894 erschien in einem Berliner Verlag August Strindbergs naturwissenschaftliches Werk Antibarbarus. Für französische Zeitschriften bereitete er eine Serie von Essays (Vivisektionen II) vor, darunter einen bedeutenden über die Rolle des Zufalls im künstlerischen Schaffen. Im Mai 1894 malte er in Dornach symbolistische Landschaftsbilder, die heute hoch geschätzt werden. Bei seinen vielen Spaziergängen durch die Aulandschaft an der Donau beobachtete Strindberg die ursprüngliche Tier- und Pflanzenwelt. Er träumte auch von der Gründung eines esoterischen Männerklosters, in dem alle Künste und Wissenschaften gepflegt werden sollten.
Am 26. Mai 1894 brachte Frida Strindberg in Dornach die gemeinsame Tochter Kerstin zur Welt.
Reise nach Paris
Am 14. August 1894 reiste August Strindberg nach Paris, wohin ihm seine Frau etwa einen Monat später folgte. Frida Strindberg strebte nach der monatelangen Gebundenheit an häusliche Belange wieder in ihre berufliche Tätigkeit als Feuilletonistin und Übersetzerin zurück. Als sie Kontakte zu Verlegern knüpfte, reagierte Strindberg gereizt. Nach ihrer Abreise im Oktober 1894 folgten maßlose Anschuldigungen per Brief. Daraufhin trennte sich Frida Strindberg von ihrem Gatten. 1897 wurde die Ehe von einem österreichischen Gericht für ungültig erklärt.
Besuch in Saxen
Im Herbst 1896 besuchte August Strindberg seine Tochter Kerstin in Saxen und Klam. Frida Strindberg war aber nicht anwesend. Am 3. September 1896 ließ Strindberg beim Greiner Drucker Hiebl eine Beschreibung seiner Goldversuche mit dem Titel Goldsynthese drucken. Der Besuch der Klamschlucht (in der Gemeinde Klam) und die Begegnung mit dem katholischen Milieu seiner Schwiegermutter regten August Strindberg zu neuen literarischen Projekten an.
Rückkehr nach Schweden
Am 26. November 1896 kehrte er in seine schwedische Heimat zurück. Im autobiografischen Roman Inferno (1897) assoziierte Strindberg literarische Höllenwanderungen eines Dante Alighieri (1265–1321) – La divinia com – und Emanuel Swedenborg (1688–1772) – De Coelo et eius mirabilibus, et de inferno – mit der realen Klamschlucht und präsentierte seine okkulten Verfolgungserlebnisse in religiös-didaktischer Umrahmung. Im Nachfolgeband Das Kloster (1898) beschrieb er seine Ehe mit Frida Strindberg, der er Züge einer Femme fatale verlieh. Frida reagierte nach Lektüre der deutschen Ausgabe 1909 in einem Brief zwiespältig: „Du hast mir Unrecht getan – Unrecht – Unrecht – und so hast du mich auch in die Nachwelt befördert!“
Mit dem dreiteiligen Stationendrama Nach Damaskus (1898–1901), das viele Oberösterreich-Bezüge aufweist, wurde Strindberg bahnbrechend für das moderne Theater des Expressionismus. Der anonyme Protagonist begegnet auf seinem Weg vom Atheismus zum Christentum Personen, die wie Projektionen seiner Komplexe und Schuldgefühle wirken.
Bis zu seiner dritten Eheschließung im Jahr 1902 hielt August Strindberg noch intensiven Briefkontakt mit seiner Tochter Kerstin. Frida Strindberg hatte in der Zwischenzeit eine kurze Liaison mit dem Dramatiker Frank Wedekind (1864–1918), aus der 1897 der Sohn Friedrich hervorging. Dieser wuchs wie Kerstin bei Frida Strindbergs Mutter Marie Uhl in Saxen auf.
Nach längeren Aufenthalten in New York und London, wo sie das erste Kabarett Englands gründete, kehrte Frida Strindberg in die väterliche Villa nach Mondsee zurück. Dort schrieb sie 1936 ihr Erinnerungsbuch Lieb, Leid und Zeit über die Ehe mit August Strindberg, die sie rückblickend allerdings verklärte.
August Strindberg verstarb 1912 in Stockholm, Frida 1943 in Salzburg.
Seit 1997 besteht in Saxen das einzige Strindbergmuseum außerhalb Schwedens.
Autor: Friedrich Buchmayr, 2011