Dichtung in Oberösterreich

Humanistische Dichtung in und um Linz als Residenz


Die landesfürstliche Burg Linz wurde von Friedrich III. nach seiner Flucht vor den Ungarn zur Hauptresidenz ausgebaut. Der Kaiser hielt sich in Linz von 1484 bis 1485 und dann dauernd ab 1489 auf. Die Stadt entwickelte sich in dieser Zeit zu einem kulturellen Mittelpunkt. Hier wirkte u. a. eine nach dem Vorbild der burgundischen Hofkantorei geschaffene Hofkapelle.

Gelehrte und Künstler am Hof
Ein Hofstaat von Gelehrten und Künstlern hatte sich um den Kaiser geschart, darunter Enea Silvio Piccolomini (1405/Corsignano bei Siena–1464/Ancona), der spätere Papst Pius II. Dieser Pionier des Renaissance-Humanismus in Österreich wurde von Kaiser Friedrich III. mit dem Dichterlorbeer gekrönt und nahm 1442 eine Stelle in der Reichskanzlei als Sekretär und Protonotar an. Der Passauer Bischof Leonhard von Layming verlieh ihm 1444 die Pfarre Aspach im Innviertel. Enea Silvios lateinische Antrittspredigt an der dortigen Marienkirche (1445) liegt im Wortlaut vor. Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass auch die lateinischen Distichen auf den 13 barocken Leinwandbildern mit Apostelmartyrien in der Aspacher Kirche nach älteren Vorbildern kopiert wurden und auf Enea zurückgehen.
Der Humanist Albrecht von Eyb (1420/Sommersdorf bei Ansbach–1475/Eichstätt) war kein Mitglied des Hofstaates, gehörte aber wie Piccolomini zum Kreis der Pfründeninhaber ob der Enns. Er besetzte von 1449 bis 1461 die Pfarrerstelle in Schwanenstadt. Während dieser Zeit hielt er sich allerdings vorwiegend anderwärts auf; er starb als Domherr von Eichstätt. Bekannt wurde er u. a. durch die Anthologie Margarita poetica (1459, gedruckt 1472), und deutsche Übersetzungen von Plautus’ Menaechmi und Bacchides sowie Ugolinos Philogenia (1475, gedruckt 1511).

Als Angehöriger des Hofstaates in Linz lebte Joseph Grünpeck (vermutlich 1473/Burghausen–nach 1532/Steyr), der Verfasser von Comoediae, medizinischen Traktaten, astrologischen Prognostiken und geschichtlichen Werken.

Vorübergehend hielt sich auch Johannes Reuchlin (1444/Pforzheim–1522/Liebenzell) in Linz auf, der hier seit 1492 bei dem aus Italien stammenden kaiserlichen Leibarzt Jacob ben Jehiel Loans († 1506) die hebräische Sprache studierte. Der Kaiser ernannte Reuchlin in Linz zum Pfalzgrafen, erhob ihn in den Adelsstand und verlieh ihm ein Wappen. Der Humanist war beim Tod des Kaisers in Linz am 19. August 1493 anwesend.

Mit Reuchlin freundete sich in Linz Petrus Bonomus (1458/Triest–1546/ebd.) an, der sich als geschickter Diplomat und Redner sowie als geistreicher, formvollendeter Dichter von Liebeslyrik und religiösen Versen bewährte. 1502 wurde er Bischof von Triest. Auch sein Bruder Franciscus Bonomus († um 1510/?), Sekretär der Gemahlin Maximilians I. – Bianca Sforza –, verfasste Gedichte. Seine Carmina ad Blasium Hölcelium (1518) enthalten einen dichterischen Beitrag des Arztes und Schriftstellers Paulus Ricius (Paulus Israelita) (um 1480/Trient?–1542/Sprinzenstein). 

Paulus Ricius

In einer jüdischen Familie in Trient aufgewachsen, wurde Paulus Ricius in Hebräisch und im jüdischen Ritus unterwiesen. In jungen Jahren konvertierte er zum Christentum und lehrte an der Universität Pavia Philosophie und Medizin. Im Gefolge von Bianca Maria von Mailand kam er an den Kaiserhof. Er stand im Briefwechsel mit führenden Humanisten und publizierte Übersetzungen hebräischer Texte ins Lateinische. Der Bischof von Passau belehnte Ricius mit der Feste Sprinzenstein (heute pol. Gemeinde Sarleinsbach). So wurde er zum Ahnherrn der Adelsfamilie von Sprinzenstein, aus der die Mutter des Dichters Christoph von Schallenberg stammte.

In einer deutschsprachigen jüdischen Familie in Trient aufgewachsen, wurde Paulus Ricius in Hebräisch und im jüdischen Ritus unterwiesen. In jungen Jahren konvertierte er zum Christentum und lehrte an der Universität Pavia Philosophie und Medizin. Im Gefolge von Bianca Maria von Mailand kam er an den Kaiserhof, wurde einer der Leibärzte des Kaisers und blieb nach dessen Tod Leibarzt Annas von Ungarn, der Gemahlin Ferdinands I. Ricius verfasste mehrere theologische und philosophische Werke, arbeitete an der Lektionsordnung König Ferdinands für die Universität Tübingen (1525) mit und hielt beim Reichstag von Speyer (1544) eine vielbeachtete Rede.

Er stand im Briefwechsel mit führenden Humanisten (Erasmus von Rotterdam, Johannes Reuchlin, Ulrich von Hutten und Willibald Pirckheimer) und publizierte u. a. Übersetzungen hebräischer Texte ins Lateinische. Ricius’ geistesgeschichtliche Bedeutung lag in dem Versuch, zwischen Talmud und Kabbala einerseits und den christlichen Heilswahrheiten andererseits zu vermitteln. Überdies spielte er eine wichtige Rolle bei der Übertragung des italienischen Aristotelismus nach Österreich.

Zum Lohn für treue Dienste belehnte ihn über Empfehlung König Ferdinands I. der Bischof von Passau 1529 mit der Feste Sprinzenstein im Mühlviertel (heute pol. Gemeinde Sarleinsbach); Kaiser Karl V. erhob ihn im Jahr darauf in den Freiherrnstand. So wurde Ricius zum Ahnherrn der Adelsfamilie von Sprinzenstein, aus der die Mutter des Dichters Christoph von Schallenberg stammte.

Sein Sohn Hieronymus Ricius von Sprinzenstein (um 1500/?–1570/Neuhaus an der Donau), später Obersthofmeister der Töchter Ferdinands I., hielt die offizielle lateinische Festrede bei der Krönung Ferdinands I. zum König von Böhmen (1527, gedruckt 1541).

Gelehrte um Friedrich III. und Maximilian I.
Johannes Fuchsmagen
(Fuxmagen) (um 1450/Hall in Tirol–1510/Melk), u. a. Verfasser einer Geschichte Karls des Kühnen, kam mit Kaiser Friedrich III. als dessen Geheimrat nach Linz und blieb dort noch einige Zeit über den Tod des Herrschers hinaus. Er war es auch, der Reuchlin in Linz zur Dichtkunst anregte. Im Codex Fuchsmagii trug Fuchsmagen Gedichte von Zeitgenossen zusammen. Auch er selbst schrieb lateinische Gedichte.

Von Friedrich III. 1489 nach Linz mitgebracht wurde der Dichter Quintus Aemilianus Cimbriacus (1449/Vicenza?–1499/Cividale). Vermutlich gleichzeitig mit ihm kam sein Schüler, der Franziskaner Paulus Amaltheus (1460/Pordenone–1517/? in Deutschland ermordet) nach Linz. Sein Epos De ludo Troiano über Kampfspiele in Linz im Jahre 1489 wurde zusammen mit Gedichten von Fuchsmagen in Innsbruck gedruckt.

Der Wiener Universitätsprofessor Conrad Celtis (Pickel) (1459/Wipfeld–1508/Wien) – als erster Deutscher 1487 von Kaiser Friedrich III. zum Poeta laureatus gekrönt – führte 1501 in Linz vor König Maximilian I., seiner Gemahlin Bianca Maria und den Söhnen des Herzogs von Mailand sein Festspiel Ludus Diane in modum Comedie auf. In dieses integriert war die Dichterkrönung des Vicentius Longinus Eleutherius (Vinzenz Lang) (?/Freistadt, Schlesien–1502/Wien), der sich als panegyrischer Dichter profiliert hatte. Alle 24 Rollen des fünfaktigen Ludus Diane waren mit zeitgenössischen Humanisten besetzt.

Im Zusammenhang mit dem Tod Kaiser Maximilians I. in der Burg Wels (1519) entstanden, fußend auf einer lateinischen Leichenrede des Hofpredigers Johannes Faber, historische Lieder in deutscher Sprache: eines von dem Wiener Christoph Weiler und zwei von Georg Pleyer aus Wels sowie ein deutsches Epitaphium von Sebastian Tombner.

Ferdinand I. in Linz
1521 hielt Ferdinand I. als Herrscher der österreichischen Länder mit großem Gefolge seinen Einzug in Linz; aus dem Itinerar Ferdinands ergeben sich zahlreiche Aufenthalte in Linz zwischen 1521 und 1559. Unter den Gelehrten, die für Ferdinand I. in Linz tätig waren, sind Caspar Ursinus Velius (um 1493/Schweidnitz–1539/Wien) und Claudius Marius Aretinus (Claudio Mario Arezzo) (um 1500/Syrakus–1575/?) als Dichter nachzuweisen.

An der Hofkapelle Ferdinands I. wirkte in Linz seit 1548 der Komponist Arnold von Bruck (um 1490/Brügge–1554/Linz). Seine deutschen Lieder sind für die Literaturgeschichte von Interesse.

Die Gemahlin Ferdinands I., Anna von Ungarn, hatte in Linz bei Abwesenheit Ferdinands I. zwei Regentschaftsräte zur Seite. Einer davon war Joseph von Lamberg (1489/Ortenegg, Niederösterreich–1554/Laibach), der als Obersthofmeister der Königin fungierte. Er hinterließ eine Autobiografie in deutschen Reimen samt angehängter Ermahnung an seine Kinder und sammelte Material für eine Familienchronik der Lamberger, die schließlich Jakob von Lamberg 1559 zusammenstellte. Außerdem befasste sich Joseph von Lamberg in einer eigenen Schrift mit den Damen des Hofstaates (erschienen 1618 unter dem Titel RosenGarten, herausgegeben von Corona Megiser, der Tochter Hieronymus Megisers.)

Neben Anna von Ungarn lebte auf der kaiserlichen Burg von Linz auch ihre Schwägerin Maria von Ungarn, eine Tochter Philipps I. von Spanien und Witwe Ludwigs II. von Ungarn, die später Statthalterin der Niederlande wurde. Sie neigte dem Protestantismus zu, beschäftigte sich intensiv mit religiösen Fragen und gilt als Verfasserin evangelischer Kirchenlieder.

Erzherzog Matthias in Linz
1581 wies Kaiser Rudolf II. die Linzer Burg seinem Bruder Matthias (Kaiser ab 1612) als Wohnsitz zu. Dieser blieb bis 1593 (ständig nur bis 1590) in Linz und schuf sich dort einen zwar kleinen, aber durch die Gegenwart humanistisch gebildeter Fachleute, Gelehrter, Dichter und Künstler aufgewerteten Hofstaat, dem u. a. Christoph von Schallenberg als Truchsess (ab 1584) angehörte. 1600 berief Kaiser Rudolf II. schließlich die Jesuiten in das leerstehende Linzer Schlossgebäude.

Poetische Leistungen des oberösterreichischen Späthumanismus
In der Zeit des Späthumanismus am Ende des 16. bzw. am Beginn des 17. Jahrhunderts entstanden sowohl epische als auch lyrische und dramatische Werke, wobei verschiedene Berufsgruppen dichterisch hervortaten.

Ärzte als Poeten
Dass Ärzte als Dichter auftraten, war angesichts der humanistischen Ausbildung, die jedem medizinischen Studium vorausging, nicht verwunderlich. Johann Stengelius (Stängl), ein Sohn des Welser Stadtschreibers Martin Stängl, wurde in Weikartshof bei Wels geboren, studierte in Straßburg Medizin und wurde Arzt und Lehrer an der medizinischen Fakultät in Würzburg. Von ihm stammt u. a. die Dichtung Carmen Epaeneticum, ad ... Iulium ... episcopum Herbipolensem (1590).

In Wels warnte der Landschaftsmedicus und Autor von Epigrammen und Eklogen Matthäus Sebicius (Sebisch) (?/Falkenberg, Schlesien–nach 1590/Liegnitz?) die Bevölkerung mit einem Bericht wider die Pestilentzische Kranckheit (1586). Ein Welser Kollege, Johann Schleupner, Doktor der Philosophie und der Medizin sowie Poeta laureatus, schrieb um 1623 eine deutsche Abhandlung über das Fleckfieber.
Der in Linz praktizierende Arzt Christoph Schilling (1534/Frankenstein, Schlesien–1582/Linz) verlegte sich – wie übrigens der evangelischen Prediger zu St. Thomas in Straßburg, der Lambacher Johannes Leitner († 1587/Straßburg) – vorwiegend auf das Dichten im griechischen Idiom.

ChristophSchilling

Christoph Schilling wurde 1580 von den adeligen Ständen ob der Enns als Landschaftsmedicus und -physicus nach Linz berufen. Neben seiner ärztlichen Praxis befasste sich Schilling mit Griechisch, Latein und Theologie. Unter den Verfassern humanistischer Dichtungen in altgriechischer Sprache gebührt Schilling wegen seiner vollendeten Beherrschung der lyrischen Gattungen der Antike ein hoher Rang: Zeitgenossen gingen in ihrer Bewunderung für ihn sogar so weit, dass sie ihn mit Homer verglichen.

Christoph Schilling, den Christoph von Schallenberg u. a. zu seinen Lehrern in der Dichtkunst zählte, stammte aus Schlesien. Bis zum 13. Lebensjahr besuchte er die Schule in seiner Heimatstadt Frankenstein, dann die Lateinschule zu St. Stephan in Wien. Ab 1555 bildete er sich an der Universität Wittenberg unter der Anleitung Philipp Melanchthons in humanistischen und theologischen Disziplinen weiter.

Nach Abschluss seiner Studien arbeitete er als Erzieher in einem Patrizierhaus und als Lehrer an der evangelischen Elisabethschule in Breslau; dann ging er als Hofmeister junger polnischer Edelleute nach Wittenberg zurück, wo er den Magistergrad erwarb. Nachdem er ein halbes Jahr die Universitäten der bedeutendsten Städte Deutschlands bereist hatte, wurde er der erste Rektor des Hirschberger Gymnasiums. Da er sich dem Calvinismus zugewandt hatte, wurde er 1566 nach einem Konflikt mit dem Pastor von Hirschberg entlassen.

Er suchte daraufhin Zuflucht bei dem calvinistischen Kurfürsten Friedrich III. von der Pfalz. Dieser betraute ihn mit der Einrichtung und Leitung des Pädagogiums in Amberg, eines Seminars für reformierte Theologen. Nach theologischen Streitigkeiten unter den Lehrern musste Schilling sein Rektorsamt zurücklegen, worauf ihn der Kurfürst zum Rektor des Heidelberger Pädagogiums ernannte. Neben dieser Tätigkeit befasste sich Schilling mit dem Studium der Medizin. 1575 enthob ihn der Kurfürst seines Rektorsamtes und übertrug ihm den Lehrstuhl für Griechisch an der Universität Heidelberg. Doch kaum ernannt, bewarb sich Schilling an der Artistenfakultät um die freigewordene Professur für Physik, die er auch erhielt. Unter dem streng lutherischen Nachfolger des Kurfürsten Friedrich III. – Ludwig von der Pfalz – sah sich Schilling als Calviner genötigt, von Heidelberg wegzugehen. Er beschloss, seine inzwischen gegründete Familie vorübergehend in Heidelberg zurückzulassen und sein Medizinstudium im Ausland fortzusetzen. Zu diesem Zweck begab er sich 1578 nach Padua und ein Jahr darauf nach Frankreich, wo er Ende 1579 an der Akademie von Valence zum Doktor der Medizin promoviert wurde.

Nach kurzem Aufenthalt bei seiner Familie in Heidelberg wurde er 1580 von den adeligen Ständen ob der Enns als Landschaftsmedicus und -physicus nach Linz berufen. Hier musste er allerdings ein volles Jahr auf die Auszahlung seines ersten Gehaltes warten. Gleichzeitig war er ständig den Anfeindungen des rivalisierenden Landschaftsarztes Dr. Bartolomeo Paravicini ausgesetzt. Dazu kamen noch familiäre Schwierigkeiten, sodass er den Dichter Georg Calaminus an den biblischen Dulder Hiob erinnerte. Die vielen Schicksalsschläge unterhöhlten Schillings Gesundheit derart, dass er bereits im dritten Jahr seiner Tätigkeit als obderennsischer Landschaftsarzt starb. Calaminus nahm sich der Hinterbliebenen an.

Neben seiner ärztlichen Praxis hatte Schilling sich wie in seinem ersten Lebensabschnitt weiterhin mit Griechisch, Latein und Theologie befasst. Gedichte in den klassischen Sprachen sind die Frucht dieses Strebens nach Gelehrsamkeit. Unter den Verfassern humanistischer Dichtungen in altgriechischer Sprache – einer von der Forschung kaum beachteten Sparte – gebührt Schilling wegen seiner vollendeten Beherrschung der lyrischen Gattungen der Antike ein hoher Rang: Zeitgenossen gingen in ihrer Bewunderung für ihn sogar so weit, dass sie ihn mit Homer verglichen.

In Linz wirkte auch Martin Stopius (?/Aelst, Flandern – 1586/Linz), Autor medizinischer Traktate, seit 1555 Landschaftsarzt. 1562 wurde er vom Kaiser mitsamt seinen Brüdern in den Adelsstand erhoben. Einer von diesen, Nicolaus Stopius (?/Aelst – 1568/Venedig), der wie Martin Stopius zeitweise in Linz wohnte, trat auch als Dichter hervor. Von welch nachhaltiger Wirkung das 1617 über Auftrag der obderennsischen Stände von Philipp Persius (1569/Ellrich, Herzogtum Lüneburg–1644/Ortenburg) herausgegebene Pestilenzbüchlein (1621) gewesen sein muss, geht daraus hervor, dass es bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts immer wieder nachgedruckt wurde. Persius trat 1598 in den Dienst der Stände ob der Enns als Landschaftsphysicus in Freistadt. Von dort übersiedelte er 1623 nach Linz, wo er ein Haus erwarb. Spätestens 1628 muss Persius – er war überzeugter Protestant und Mitglied der Stammtischrunde Johannes Keplers – Linz verlassen haben. Am Hof des Grafen von Ortenburg fand er seine Zuflucht. Er dichtete wie sein Kollege Dr. Paul Claus Epithalamien (Hochzeitsgedichte).

Juristen als Poeten
Die Poesie der Rhetoriker, Juristen und Staatswissenschaftler ist ebenso wie die der Mediziner eine Frucht ihrer humanistischen Schulbildung.
Johann Baptist Rexius d. J. (um 1560/Wien–1598/Freistadt) – er hatte an den Universitäten Bologna (1588), Siena und Padua Rechtswissenschaften studiert – fertigte eine deutsche Übersetzung der lateinischen Prosa-Ilias von Lorenzo Valla und Raphael de Volaterra an. Sprachstil und Vorstellungswelt des Übersetzers wirken erfrischend anschaulich und volkstümlich. Rexius zeichnet seine Götter- und Heroenwelt mit naiv-realistischem Gegenwartsbezug. Seine  Helden sprechen wie Menschen ähnlichen Schlages aus seiner Umgebung.

Der Oberösterreicher Tobias Kirchmair setzte sich intensiv mit dem kirchlichen und bürgerlichen Recht auseinander und schrieb Epigramme. 

Tobias Kirchmair

In Straßburg begann Tobias Kichmair damit, kirchliches und bürgerliches Recht „nach dem Beispiel der Ärzte methodisch zu sezieren“. Das Resultat war die Anatome corporis utriusque iuris (1608). Dass Tobias Kirchmair mit Wenzel Kirchmair – dem Freistädter Ratsherrn und ersten Gemahl der Frau des Dichters Georg Calaminus – verwandt war, ist anzunehmen.

Sein Vater, Vogt der Burg Schaunberg, ließ Tobias Kirchmair im Land bis zur Universitätsreife ausbilden und holte ihn nach Abschluss der Schulausbildung an die Burg zurück. Der Tod der Ehefrau und der eigene schlechte Gesundheitszustand bewogen den Vater, seine Stellung aufzugeben und sich auf seine Besitzungen in Freistadt zurückzuziehen. Sechs Jahre lang studierte Tobias Kirchmair an die Akademie Straßburg. Der Tod des Vaters zwang ihn, in die Heimat zurückzukehren. Er wirkte als Hofmeister des Johann Gottfried von Greiffenberg zu Seisenegg (1575–1641), der später der Vaters der Barockdichterin Catharina Regina von Greiffenberg (1633–1694) werden sollte. Als dessen Hofmeister setzte er in den folgenden drei Jahren seine Studien an der Straßburger Akademie fort. Im Lauf von drei weiteren Jahren lernte er Italien durch ausgedehnte Reisen gründlich kennen. Nach Österreich zurückgekehrt, bot sich ihm die Gelegenheit, die Adeligen Georg Christoph Zinzendorf und Johann Andreas Trautmannsdorf an die Universität Tübingen zu begleiten. Nach einem weiteren einjährigen Aufenthalt an der Akademie Straßburg führte ihn eine Studienreise nach Frankreich und in die umliegenden Länder. Zwei Jahre später kehrte er wieder nach Österreich zurück, reiste nach Prag und wandte sich, da er am Prager Hof nicht unterkommen konnte, ein viertes Mal nach Straßburg. Hier begann er damit, kirchliches und bürgerliches Recht „nach dem Beispiel der Ärzte methodisch zu sezieren“. Das Resultat war die Anatome corporis utriusque iuris (1608). Dass Tobias Kirchmair mit Wenzel Kirchmair – dem Freistädter Ratsherrn und ersten Gemahl der Frau des Dichters Georg Calaminus – verwandt war, ist anzunehmen, weil ein Gedicht Tobias Kirchmairs in den Anhang zu Georg Calaminus' Ausgabe von Helis und Casus Freidekianus aufgenommen wurde.

Als weitere dichtende Juristen sind Eustachius Raid (vermutlich aus Steyr), Wolf Ehrenreich Raid und der Steyrer Sigismund Raid sowie Johann Wider (1583/Vöcklabruck–1630/Nürnberg) zu nennen. Letzterer diente als Hauslehrer bei Hillebrand Jörger von Tollet und übernahm nach kurzer Tätigkeit als Advokat in Linz die Leitung der Schule von Grieskirchen. Er wechselte in den geistlichen Stand und wurde evangelischer Pfarrer in Steinerkirchen bei Wels und Zell bei Zellhof. 1624 musste er mit Frau und Kindern nach Regensburg auswandern. Wie sein Neffe Christoph Wider (1588/Vöcklabruck–1668/Regensburg) trat Johannmit Gelegenheitsdichtungen hervor.

Die Auseinandersetzung mit Fragen im Zusammenhang mit idealer Staatsform, Fürstensouveränität, Bürgerrechten und Widerstand beschäftigte auch die Vertreter der protestantischen Resistenz gegen die landesfürstlichen Absolutismusbestrebungen auf geistiger akademischer Ebene. Dies wird am Beispiel des Carl Jörger (1584/Wien–1623/Passau) deutlich. Der oberösterreichischen Landadelige studierte in Padua, Tübingen und Straßburg. 1605 wurde er Landrat (Rechtsexperte) der obderennsischen Stände, 1614 Verordneter des Herrenstandes. Jörger bemühte sich um einen Zusammenschluss der evangelischen Stände Österreichs, Mährens und Ungarns. 1619/20 kämpfte er als Oberhauptmann ständischer Truppen bei einem Adelsaufstand in Oberösterreich. In der Folge floh er nach Italien. Er starb während einer Festungshaft in Passau. Seine solide rhetorische Ausbildung befähigte ihn dazu, noch im Gefängnis ein Trostlied zu dichten.

Christoph Hueber (1523/Linz–1574/ebd.) studierte in Wittenberg, wo er Luther und Melanchthon begegnete. Nach dem Tod seines Vaters erbte Hueber dessen Haus am Linzer Hauptplatz. Er heiratete die Linzer Bürgerstochter Margarethe Dürr, wurde Bürger der Stadt und rückte in den Stadtrat auf. Bei seinem Tod hinterließ er eine Bibliothek von 200 Bänden. Schon seine Eltern, Adrian und Margaretha Hueber, hatten 1521 ein Familienbuch angelegt; Christoph Hueber führte dieses Buch fort. Dass sich Christoph Hueber überdies in fiktionaler Prosa versuchte, zeigt das eigenartige Werk Ein Sendbrieff/ oder trew vnd nothwendige Supplication/ der Obersten/ sampt einer gantzen Gemein der heiligen Stadt Jerusalem/ an die hochlöblich Deudsche Nation, 1549).

Pädagogen als Poeten
Reichhaltig ist das dichterische Schaffen der im Land ob der Enns im Zeitalter des Späthumanismus tätigen Pädagogen.

Neben seinen lateinischen Steyrer Annalen schrieb der katholische Schulmeister Wolfgang Lindner (um 1560/Wien?–1623/Steyr) theologische Prosa in deutscher Sprache sowie Schuldramen. 1603 berief ihn der Abt des Stiftes Garsten als Schulmeister nach Steyr an die lateinische Pfarrschule.
Jacob Tydaeus (Tyde, 1572/Pyritz, Pommern–1655/Altdorf bei Nürnberg) arbeitete er bis 1600 als Privatlehrer in Linz, 1604 übersiedelte er nach Steyr als Konrektor der dortigen Lateinschule. 1615 berief man ihn als Rektor an die Stadtschule von Wels. Das Reformationspatent von 1624 zwang Tydaeus, nach Regensburg auszuwandern. Schließlich wurde er Dekan der philosophischen Fakultät Altdorf und 1639/49 Rektor. Tydaeus hinterließ u. a. handschriftliche Kommentare zur Ars poetica, zu den Satiren des Horaz und den Verrinen des Cicero sowie Interpretationen zu Vergils Aeneis und rhetorische Schriften.
Der Steyrer Schul- und Rechenmeister Caspar Thierfelder (um 1530/Freiburg, Sachsen–1594/Steyr) richtete im Vorwort seines Büchleins Arithmetica Oder Rechenbuch (1587) eine eigene Vorrede „An den Kunstliebenden Leser“; darin setzt er sich in Gedichtform mit der pädagogisch richtigen Vermittlung der Mathematik auseinander: Die Rechenkunst wird dabei als vergnüglicher Dialog dargeboten.

Jodok Castner aus Haslach veröffentlichte anlässlich des Todes Kaiser Ferdinands I. Lamentationes und eine Trauer-Ekloge Daphnis (1565). Der Autor ist 1557 als Student in Padua nachzuweisen. Er war Präzeptor des Herzogs von Bayern und des Kurfürsten von Köln; schließlich soll er in den Jesuitenorden eingetreten sein. Sein Bruder Gabriel Castner (?/Haslach–1575/?) weilte zu Studien in Padua (1554) und Bologna (1555) und wurde Rektor der Poetenschule von München, für die er einen Schulplan erstellte. Er lieferte dichterische Beiträge zu diversen Basler und Münchner Publikationen.

Zum Dank für die gastliche Aufnahme bei seiner Durchreise durch Oberösterreich schrieb der in Regensburg als Gymnasiallehrer wirkende  Thomas Wegelin (1577/Augsburg–1629/Straßburg) für die obderennsischen Adeligen Wolfgang Jörger von Tollet und Gundacker von Polheim und Parz ein Geburtstags- (Natalitium) bzw. ein Huldigungsgedicht (Alloquium). Dem Achaz Hohenfelder zu Aistersheim widmete ein Epicedium (Trauergedicht) und einen Tumulus (Grabinschrift).

Weitere Autoren von Gelegenheitsdichtungen sind Christoph Adam Fernberger, Paul Flusshart (1583/Bodendorf–1648/Vestenthal, Niederösterreich), Christoph von Landau (Inhaber der Burg Haus im Mühlviertel) und Christoph Pfefferl (?/Steyr–1603/ebd.).

Epische Dichtung
Der in Steyr tätige Schulrektor Georg Mauritius d. Ä. wählte als biblischen Epenstoff die Conversio D. Pauli Apostoli (1565). Der in anderem Zusammenhang noch zu nennende Hans Cyriak von Polheim und Wartenburg betätigte sich auch auf dem Gebiet der epischen Dichtung.

Einen peripheren Bereich der Epik bilden auch die Reisedichtungen in Form von Itinerarien oder Hodoeporica sowie Städte- und Landschaftsbeschreibungen in gebundener Sprache. Der Wanderhumanist Caspar Bruschius (1518/Schlaggenwald, Böhmen–1557/ermordet bei Windsheim, Franken) pflegte das Reisegedicht mit besonderer Vorliebe. Einen Bezug zu Oberösterreich hat sein Iter Anasianum.

Weitgehend unbekannt geblieben ist ein handschriftlich erhaltenes Hodoeporicon, in dem der junge Job Hartmann Enenkel seinem Vater 1592 die Anreise zum Universitätsstudium in Jena in Hexametern schildert. Das in epische Verse gekleidete Städtelob erfreute sich bei den Humanisten deshalb großer Beliebtheit, weil Widmungen solcher Gedichte von den jeweiligen Stadtvätern meist freundlich aufgenommen und mit Geldgeschenken honoriert wurden. In diesen Zusammenhang fügen sich Caspar Bruschius mit seinem Lobspruch auf Linz (Encomium Linzianae civitatis) und Urban Paumgartner mit seinem Aristeion.

Historische Themen wurden meist in enkomiastischer (lobpreisender) Absicht episch gestaltet. In diesem Zusammenhang sind Georg CalaminusCasus Freideckianus und Rudolphis sowie Georg Mauritius' Epos über den Untergang der Stadt Jerusalem (1564) anzuführen.

Ansonsten ist für den epischen Bereich nur noch das Epos Melanurus (1598) des Hans Seegger (1560/Dietach?–1617/Schleißheim) erwähnenswert. Das lateinische Hexameter-Epos – es ist den österreichischen Ständen gewidmet – hat die Rückeroberung von Raab (Györ) aus den Händen der Türken durch Adolf von Schwarzenberg zum Thema.

Beiträge zum Gebiet der weltlichen Spruchdichtung und Gnomik stammen von Matthäus Zuber und Hieronymus Megiser.

Das Drama im späthumanistischen Oberösterreich (ohne Linzer Landschaftsschule)
Comoediae sind in Linz schon vor 1560 belegt, als sich der Schulmeister der städtischen Lateinschule, Lucas Fabinus, in diesem Metier versuchte.
In Steyr hatte das protestantische Schultheater unter dem Schulmeister Thomas Brunner mit alljährlich neu einstudierten Aufführungen bereits Fuß gefasst.
Im Laufe des 16. Jahrhunderts legte das Schuldrama des Späthumanismus  seine Funktion als scholastisches Erziehungsmittel ab und wurde zu einer Leistungsschau, die primär der Unterhaltung eines breiteren Publikums diente. Im gesamten Raum der österreichischen Erblande besannen sich die Schulmeister und Kantoren auf die Werbewirksamkeit öffentlicher Theateraufführungen, waren doch Wohl und Wehe einer Bildungsinstitution nicht zuletzt vom Zustrom neuer Schüler mit zahlungsfähigen Eltern aus den Ständen des Adels und des Bürgertums abhängig.
Aus den historischen Quellen lässt sich erschließen, dass das Schultheater an Stadtschulen, Stiftsschulen und selbst an kleineren Landschulen regelmäßig gepflegt wurde.

Der Ennser Kantor Christoph Nuding verfasste wahrscheinlich eine Griseldis; der Sukzentor (Gehilfe des Kantors) Leopold Wiener führte 1561 an der protestantischen Lateinschule in Kremsmünster ein Stück auf; auch im katholischen Stift fanden zwischen 1603 und 1608 Schulaufführungen statt. Georg Moller inszenierte zwei Theaterstücke an der Klosterschule von Lambach, der Schulmeister am Stift Ranshofen eine Coena Domini. Die Schule am Stift Garsten führte einen Dialogus ... Magdeburgensis auf; Wolfgang Lindner brachte mit seinen Garstener Schülern in Steyr und Garsten seine Dialoge Opferung Isaaks und Der barmherzige Samariter auf die Bühne; neun Weihnachts- und Passionsdialoge sind zwischen 1609 und 1618 nachgewiesen.

Evangelische Schuldramen
Am besten überliefert sind die evangelischen Schuldramen. Seit Martin Luther in seinem Sendschreiben An die Ratsherren aller Städte deutsches Lands, daß sie christliche Schulen aufrichten und halten sollen die Gründung und Erhaltung von Schulen in die Hand der Kommunen gelegt hatte, wurde die Spieltätigkeit österreichischer Schulen mit protestantischen Schulmeistern gleichzeitig auch eine Angelegenheit der mehrheitlich protestantischen Bürger in den größeren Städten und Märkten.

Steyr hatte das Glück, im Jahre 1558 in Thomas Brunner (Pegaeus) (um 1535/Landshut–1571/Steyr) einen sprachlich begabten Schüler Philipp Melanchthons zu gewonnen zu haben, der mehrere Dramen verfasste.

Die Dramen Thomas Brunners

Brunner entschloss sich, in seinen Dramen die deutsche Sprache zu verwenden. Er setzte sich so über den eigentlichen pädagogischen Zweck des Schultheaters hinweg, nämlich die Schüler im gesprochenen Latein zu üben. Seine Stücke waren primär für lateinunkundige Bevölkerungsschichten gedacht, lag doch dem Autor besonders die Stärkung der Mitbürger im Glauben am Herzen.

Brunner entschloss sich, in seinen Dramen die deutsche Sprache zu verwenden. Wenn er sich als Leiter einer Lateinschule über den eigentlichen pädagogischen Zweck des Schultheaters hinwegsetzte, nämlich die Schüler im gesprochenen Latein zu üben, so zeigt das, dass seine Stücke primär für lateinunkundige Bevölkerungsschichten gedacht waren und dass dem Autor besonders die Stärkung der Mitbürger im Glauben am Herzen lag. Und tatsächlich folgen Brunners „Historien“ Jacob (1566), Heirat Isaacs (1569) und Tobias (1569) treu den Texten der Bibel, verzichten auf jegliche konfessionelle Polemik und drücken das Anliegen eines tief frommen, gottergebenen Mannes aus.

Mit Dramatik im modernen Sinn haben Brunners Bühnenstücke noch wenig zu tun; er trachtete vielmehr danach, in einer durch Dekoration und Schauspieler illustrierten Erzählung die Geschichte jeweils einer biblischen Persönlichkeit bis in alle Einzelheiten zu verfolgen. Zum Unterschied von vielen seiner Zeitgenossen lehnte sich Brunner nie an schon vorhandene Dramatisierungen an. Der Aufbau der Brunnerschen Dramen hält sich an das Schema Prolog – Handlung, eingeteilt in Akte und Szenen – Epilog mit Nutzanwendung. Die Metrik beschränkt sich auf gereimte Knittelverse. In der getreuen Umsetzung der biblischen Berichte, der ansatzweisen Charakterisierung der handelnden Personen und dem Dazuerfinden von Engels- und Teufelsauftritten, komischen Dienereinlagen und Festbanketten bewies Brunner ein beachtliches künstlerisches Gespür. Besondere Beachtung verdient der bühnenwirksame Einsatz des Teufels, der in keinem seiner Stücke fehlt.

Der Teufel ist hier nicht wie im Drama des ausgehenden Mittelalters ein lustiger Spaßmacher; auch erscheint er nicht unbedingt als dämonische Verkörperung eines bestimmten Lasters: In Brunners Dramen agiert er meist eher boshaft als wirklich böse und ist häufig der Geprellte. Er sinnt entweder auf Unheil oder er erhält die Funktion des Einflüsterers und gibt der biblischen Bühnengestalt verwerfliche Gedanken ein, ohne von ihr ganz Besitz ergreifen zu können.

Nachfolger Brunners als Rektor der protestantischen Steyrer Lateinschule wurde Georg Mauritius (Mauricius) d. Ä. (1539/Nürnberg–1610/ebd.).

Georg Mauritius

1570 folgte Mauritius der Berufung nach Steyr, wo er 20 Jahre lang als Rektor der Lateinschule wirkte. Die lateinischen Dichtungen des gelehrten Mauritius haben bisher wenig Beachtung gefunden. Allerdings scheint in ihnen zumindest ebenso viel künstlerische Substanz zu stecken wie in seinen deutschen Bühnenstücken, die sich vorwiegend als Bearbeitungen oder Ausgestaltungen älterer Dramen von Thomas Naogeorg, Rudolf Walther, Ambrosius Sachse, Hans Sachs und anderen herausgestellt haben.

Mauritius schloss seine 1558 an der Universität Wittenberg begonnenen Studien 1562 mit dem Magisterium ab, anschließend blieb er als Dozent an der philosophischen Fakultät. Nachdem er 1569 in Nürnberg die Tochter des evangelischen Theologen Dr. Caspar Cruciger geheiratet hatte, folgte er im Jahr darauf der Berufung nach Steyr, wo er 20 Jahre lang für 200 Gulden Gehalt als Rektor der Lateinschule wirkte.
Gleich im ersten Jahr seiner Wirksamkeit in Steyr wurde die Schule vom Hochwasser der Enns überschwemmt, ein Ereignis, das Mauritius in einem deutschen Gedicht schildert. Nach dem Tod seiner ersten Frau ging Mauritius in Steyr noch zwei weitere Ehen ein: 1584 mit Gertraud, einer Tochter des Steyrer Predigers Mag. Johann Schreyer, und 1595 mit jener Elisabeth, von der es heißt, sie habe als „schöne Rectorin“ ein liederliches Leben geführt.
Im Jahre 1600 musste sich Mauritius wiederholten kaiserlichen Mandaten und Befehlen des obderennsischen Landeshauptmannes beugen und das Land verlassen. Eine Valediction (Abschiedsrede) in lateinischer und deutscher Fassung erinnert an dieses einschneidende Ereignis im Leben des Gelehrten und Dichters.

Mauritius kehrte in seine Heimat Nürnberg zurück, wo er Rektor der Schule zum Heiligen Geist wurde. In dieser Zeit ließ Mauritius seine in Steyr aufgeführten deutschen Schuldramen drucken (1607). Von manchen Literarhistorikern grundlos abqualifiziert, haben die lateinischen Dichtungen (die epischen Dichtungen De universali excidio Hierosolymae, 1564; De natura et officiis angelorum, 1565 und Conversio Divi Pauli Apostoli, 1565, sowie dichterische Psalmen- und Bibeltextversionen, Epithalamien [Dichtung, zu einer Hochzeit vorgetragen], Gratulationsgedichte, Propemptica, Epicedien, Epitaphien und Elegien) des gelehrten Mauritius bisher wenig Beachtung gefunden. Allerdings scheint in ihnen zumindest ebenso viel künstlerische Substanz zu stecken wie in seinen deutschen Bühnenstücken, die sich vorwiegend als Bearbeitungen oder Ausgestaltungen älterer Dramen von Thomas Naogeorg, Rudolf Walther, Ambrosius Sachse, Hans Sachs und anderen herausgestellt haben.

Zu seinen Werken für das Steyrer Schultheater (alle 1606–1607 gedruckt) zählen die biblischen Dramen Haman, Nabal, David und Goliath, Ezechias, Josaphat, Fall und Wiederbringung des menschlichen Geschlechts und Die Weisen aus dem Morgenlande, ferner die Komödien Von dem Schulwesen, Von allerley Ständen und Grisoldis – die letztgenannte eine Bearbeitung eines italienischen Novellenstoffes.

In allen Fällen, in denen sich Mauritius vorhandener Stücke bediente, ist allerdings sein schöpferischer Anteil groß genug, dass man nicht von Plagiaten sprechen darf. Mauritius' Stärke lag in der Kunst der Charakterisierung seiner Bühnengestalten. In zahlreichen Nebenfiguren stellte er äußerst gelungene Typen vor, die z. T. eine wirkungsvolle Komik entfalten. Große Sorgfalt verwendete er auch auf die psychologische Durchdringung der Hauptfiguren. Im Aufbau zeigen seine Dramen allerdings wenig Geschlossenheit und Folgerichtigkeit.

Georg Mauritius d. J. (1570/Wittenberg–1631/Nürnberg), der in Steyr aufgewachsen war, fertigte eine lateinische Übersetzung der Grisoldis seines Vaters an; diese erschien unter dem Titel Comoedia Grisoldis, 1582 Germanice scripta et Stiria in Austria acta ... nunc vero in Academiae Altorfinae usum latine conuersa (1621). Mauritius d. J. rückte an der Akademie Altdorf 1623 zum ordentlichen Professor für Rhetorik und Poesie und 1631 zum Rektor auf. Wie sein Vater hinterließ auch er eine respektable Anzahl lateinischer Gedichte.

Literarisch-musikalische Konnexe
Ambros Wilflingseder (?/Braunau am Inn–1563/Nürnberg) wurde 1550 zum Kantor und 1562 zum Diakon zu St. Sebald in Nürnberg ernannt. Sein auf die Schulmusik abgestimmtes Werk Musica Teutsch/ der Jugendt zu gut gestelt (1561) war die erste einer Reihe ähnlicher Publikationen im deutschen Sprachraum. Am eingehendsten befasste er sich darin mit Mensuraltheorie, ein Kapitel, das er in seinen Erotemata musices practicae (1563) noch erweiterte und mit Beispielen erläuterte. Außerdem liegen von Wilflingseder vor Der LXIII. Psalm ... In gesangsweiß gestelt (o. J.) und das Kirchenlied Gott du mein Gott und Heiland bist.

Eine Anleitung zum Komponieren verfasste der gleichfalls in Braunau am Inn geborene Musiker Christoph Hitzenauer. Nachdem er in Wien in den Jesuitenorden eingetreten war, tauchte 1580 in Stuttgart auf und bekannte sich zum Protestantismus. Nach Abschluss seines Studiums in Tübingen unterrichtete er am Gymnasium illustre in Lauingen, wo er 1585 als erstes Werk die musikalische Kompositionslehre Ratio componendi im Druck herausbrachte. Ausdrücklich nimmt Hitzenauer darin auf die Materie der „musica poetica“ Bezug. Noch im selben Jahr veröffentlichte er in Lauingen Außerlesene sehr liebliche geistliche Gesäng, mit drey stimmen gants artlich componirt.

Bei dem evangelischen Prädikanten und kaiserlichen Poeta laureatus, dem sächsischen Pfarrerssohn Elias Ursinus (1579/Könnern–1628/Regensburg), tritt der Zusammenhang zwischen literarischem und musikalischem Interesse klar zutage. 1611 mit der Tochter des Reichraminger Hammerherrn Franz Heyden verehelicht, war er von 1618 bis 1625 – unter dem Schutz der Freiherrn Jörger von Tollet stehend – als Prediger in Hernals beschäftigt und musste 1627 nach Regensburg ins Exil gehen. Neben mehreren lateinischen und deutschen Gedichten hat Ursinus ein Christlich Valet Lied ... Pilgram von Syntzendorf zu sonderlichem Trost gemacht (Linz 1619) verfasst und dieses auch musikalisch bearbeitet. Es handelt sich bei dieser Publikation um den ersten selbstständigen Musikdruck, der in Oberösterreich hergestellt wurde.

Musikalische Kompetenz
Eine zweite Achse zwischen Musik und Literatur bildete sich aus der Praxis der humanistischen Pädagogik heraus. Mit dem Schulwesen verbundene Berufe wie Kantor und Schulmeister waren ihrem Wesen nach sowohl auf sprachliche als auch auf musikalische Kompetenz hin ausgerichtet. Wollte jemand im Schulbereich des späthumanistischen Österreich unterkommen, dann musste er nicht nur für den Unterricht, sondern auch für die Kirchenmusik taugen. Das galt im Besonderen für die Kantoren, die das bürgerliche Element in der Musik und der Dichtkunst des späthumanistischen Oberösterreich eindrucksvoll repräsentieren.

Genannt sei hier Andreas Holdringer. Der ehemalige Amstettner Kantor trat 1579 den Dienst als evangelischer Prädikant in Freistadt an. In einem lateinischen Bettelgedicht wendet er sich an einen gebildeten Gönner, verfügte er doch selbst über wenige finanzielle Mittel. Die Provenienz des Dokuments legt nahe, dass es sich bei dem Adressaten um den Dichter Christoph von Schallenberg handelt.

Unter den neun lateinischen Motetten, die sich von Abraham Schüssling  erhalten haben, befindet sich eine, in der er sein kompositorisches Können in idealer Weise mit einer selbst gedichteten Huldigungsadresse an die Stadt Gmunden verbindet. Schüsslings Lebensweg führte ihn als Kantor und Schulmeister von Vöcklabruck in die Wachau nach Weißenkirchen (1601–1603) und von dort ins Exil nach Württemberg. Ein enger Freund Schüsslings war Andreas Pleninger (1555/Regensburg–?), Organist in Gmunden, dessen Orgeltabulatur uns Schüsslings Motetten überliefert hat.

Der Organist, Komponist, Historiker, Meteorologe und Dichter Johann Rasch (Rassius) (um 1540/Pöchlarn–um 1612/Wien) wurde (wahrscheinlich als Sängerknabe) im Kloster Mondsee ausgebildet, in das er danach auch als Kleriker eintrat. Nach juristischen Studien immatrikulierte er 1565 an der Universität Wien, wo er Astronomie und Mathematik studierte. Seit 1570 versah Rasch die Organistenstelle an der Wiener Schottenkirche. Er verfasste mehrere Chroniken und eine österreichische Genealogie. Ein Historibuech des lands ob der Enns, für das er 1605 von den obderennsischen Ständen 20 Taler erhielt, wurde wahrscheinlich nie ausgeführt. In mehreren Werken beschäftigte er sich mit astronomisch-astrologischen und meteorologischen Themen; dazu kommen die großteils gereimten polemischen Schriften Fasten Reim bzw. Fasten Lob (1584), Kirch Gottes (1589), Vier Stuck Nichts Wehrt (1589) und Ketzer Katz (1591). 1570 legte Rasch eine Sammlung alter katholischer Kirchenlieder an. An sonstigen musikalischen Werken Raschs kennt man Motetten, ein Salve Regina, Cantica quaedam ecclesiastica, Cantiunculae pascales ad abbatem Gärstensem und In monte olivarum (alle 1572 in München gedruckt).

Den Weg von Oberösterreich nach Bayern hat Leonhard Paminger (1495/Aschach–1567/Passau) eingeschlagen, dessen Doppelbegabung für Musik und Literatur dank des Herausgeberfleißes seiner Söhne Balthasar, Sophonias und Sigismund hinlänglich dokumentiert ist. Der Sohn eines Beamten der Grafen von Schaunberg genoss ab 1513 an der Universität Wien eine Ausbildung, die es ihm ermöglichte, 1516 eine Stelle als Lehrer und Kantor am Stift zu St. Nikola in Passau zu erlangen. Hier rückte er bereits 1529 zum Rektor auf – eine Position, die er 1557 wegen seines Bekenntnisses zum Protestantismus aufgeben musste. Er blieb jedoch bis zu seinem Tod als Sekretär des Klosters St. Nikola im Dienst. Pamingers literarische Produktion besteht aus Gedichten – gesammelt in Poematum libri duo (1587) – und Publikationen zu religiösen Themen. Die in seinem Nachlass vorhandene deutsche Bearbeitungen lateinischer Komödien von Plautus, Terenz, Macropedius u. a. sind verlorengegangen. Außer den von seinen Söhnen herausgegebenen vier Bänden mit über 700 kirchenmusikalischen Vokalwerken (Motetten, Hymnen, Antiphonen, Sequenzen, Evangelienvertonungen, Psalmen und deutsche Kirchenlieder) zeugen auch einige sporadisch überlieferte Madrigale von seinem musikalischen und literarischen Können.

Wahrscheinlich ein Schüler Leonhard Pamingers war Erasmus Rothenpucher (um 1525/Braunau am Inn–1586/Nürnberg). Er wirkte von etwa 1548 bis 1574 an der Schule zu St. Egiden in Nürnberg. Seine Diaphona amoena (1549) gehören ebenso wie seine Bergkreyen (1551) zu den wichtigsten Sammlungen zweistimmiger Gesänge im 16. Jahrhundert. Als Denkmal seiner rhetorischen Bildung hat Rothenpucher eine Oratio paraenetica (1551) der Nachwelt hinterlassen, während er sich als Dichter durch einen Beitrag zu Sophonias Pamingers Gedichtsammlung und mit einer Elegia de morte Leonhardi Pamingeri verewigt hat.

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Autor: Robert Hinterndorfer, 2011