Edward Samhaber

Edward Samhaber


Schule und Noviziat
Am 26. Dezember 1846 in Freistadt geboren, kam Edward (Eduard Mathias) Samhaber 1856 nach Kremsmünster, wohin sein Vater – ein Finanzbeamter – versetzt worden war. Im Benediktinerstift Kremsmünster besuchte Samhaber auch das Gymnasium. Zu seinen Lehrern zählten u. a. P. Amand Baumgarten und der spätere Abt Cölestin Josef Ganglbauer, der von 1881 bis 1889 Erzbischof von Wien war.

Nach der Matura trat Edward Samhaber in das Benediktinerstift Melk ein und nahm als Novize den Klosternamen Meinrad an. 1868 verließ er – vielleicht vom liberalen Aufbruch in Österreich motiviert – den Orden aber wieder und begann in der Folge ein Studium an der Universität Wien: Hier inskribierte er an der juridischen und der philosophischen Fakultät. An der Universität war Samhaber u. a. Schüler des bedeutenden positivistischen Mediävisten Wilhelm Scherer (1841–1886), der eindeutig deutschnational gesonnen war. Scherer bzw. die „Scherer-Schule“ prägte Samhabers späteres Werk und seine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Literatur des Mittelalters entscheidend. In diesem Kontext sind auch eine Vernachlässigung der gegenwärtigen Literatur bzw. eine Hinwendung zum „germanisch-deutschen“ Altertum und in ideologischer Hinsicht die Begründung des Mythos vom „Deutschen“ zu sehen.

Tätigkeit in Freistadt und Laibach
Von 1872 bis 1874 wurde Samhaber Supplent (Hilfslehrer) am Gymnasium in Freistadt. 1874 legte er schließlich die Lehramtsprüfung in den Fächern Deutsch, Geschichte und Geographie ab. In der Folge wirkte er, ebenfalls in Freistadt, als Gymnasiallehrer. 1878 verlegte Samhaber seine Wirkungsstätte nach Laibach (Lubljana), wo er als Professor an der Lehrer- und Lehrerinnenbildungsanstalt unterrichtete. Hier wirkte er zehn Jahre, die er selbst zu den glücklichsten seines Lebens zählte. Während dieser Zeit trat Samhaber aber auch durch deutsch-nationalistische Aktivitäten hervor und wurde aufgrund dieser Haltung sowie kirchenkritischer Töne zunehmend untragbar.

Wirken in Linz
1888 wurde Samhaber, der seit den späten 1870er Jahren schriftstellerisch tätig war, auf eigenen Antrag hin nach Linz versetzt, wo er bis 1905 Hauptlehrer an der Lehrer- und Lehrerinnenbildungsanstalt, zeitweilig auch am Mädchenlyzeum tätig war. 1906 trat er, als provisorischer Direktor des Mädchenlyzeums, in den Ruhestand. Seit dieser Zeit widmete er sich auch ausschließlich der literarischen Produkion. Seinen Wohnsitz behielt er weiterhin in Linz, wo er am 27. März 1927 verstarb. Am Barbarafriedhof in Linz wurde er in einem Ehrengrab beigesetzt. An seinem Sterbehaus in der Linzer Dametzstraße 53 wurde im selben Jahr eine Gedenktafel angebracht.

Regionale Wertschätzung
Zu seinen Lebzeiten wurde Samhaber als Dichter hochgeschätzt, die Wertschätzung blieb allerdings eher regional begrenzt. Im Land galt er als „Dichterfürst“ und „großer Regionalautor“. Bereits 1912 wurde an seinem Geburtshaus in Freistadt eine Gedenktafel enthüllt. 1921 wurde ihm das Ehrendoktorat der Universität Graz verliehen; den Plan einer Dissertation hatte er zuvor aufgegeben. Ebenso wurden Samhaber-Abende veranstaltet, seine runden Geburtstage waren Anlass zu eigenen Feiern. 1917 erschien in München eine Biografie Samhabers, deren Verfasser Otto Wilhelm Henke aber weitgehend den autobiografischen Aufzeichnungen des Autors in den Mosaiken folgte. Samhabers Ruhm verblasste allerdings nach seinem Tod relativ rasch,  aufgrund seiner eher regionalen Bedeutung wurde er in der Folge auch als provinziell angesehen.

Lyriker und Dramatiker
Samhaber wirkte als Dramatiker und Lyriker, daneben auch als Volksbildner, der eine reiche Vortragstätigkeit aufzuweisen hatte, sowie als Literaturhistoriker. Hierbei setzte er sich besonders mit der Literatur des Mittelalters auseinander. Seine größten Erfolge als Dichter stellten lyrische Werke dar, wobei hier Stimmungs- und Naturlyrik, aber auch nationale und Heimatlyrik zu erwähnen sind. Diese Gedichte verfasste Samhaber maches Mal in Mundart nach dem Vorbild Franz Stelzhamers, meist bediente er sich aber der Hochsprache sowie dem Stil der deutschen Klassik. Bekannte Gedichte bzw. lyrische Werke Samhabers sind etwa Elisabeth, Weihnachtstrost, ´s Hoamatland, Viribus unitis (eine Festdichtung) und Schneewittchen. Ein Märchen für die Kinderwelt, das eine Lyrifizierung des bekannten Märchens.

Lobgedicht auf den Pöstlingberg

Auf der Aussichtsterrasse am Pöstlingberg befindet sich eine Granitplatte mit einem Lobgedicht auf den Pöstlingberg von Eward Samhaber.

Auf der Aussichtsterrasse am Pöstlingberg befindet sich eine Granitplatte mit einem Lobgedicht auf den Pöstlingberg von Eward Samhaber:

Trinkt, o Wanderaugen trinkt
Bild an Bild! – Der Abend sinkt –
Weit hinaus es flirrt und flimmert
Über Hügelwald und Feld.
Da und dort ein Kirchturm schimmert
Wie ein Gruß aus andrer Welt.
Auf den Höhen, unbelauscht,
Stolzgehöfte, tannumrauscht;
Tief in Ätherblau getaucht,
Wie mit Purpur überhaucht.
Felsenwand an Felsenwand
Du bist´s, du mein Heimatland!
Sei dir noch so weh und wund,
Seele, hier wirst Du gesund!

Bei seinen Dramen orientierte sich Samhaber ausschließlich an der klassischen Versform, die Sprache kann als klassizistisch bezeichnet werden. In den dramatischen Werken verarbeitete er auch autobiografische Konflikte, wie etwa die Novizenzeit im Stift Melk in dem fünfaktigen Drama Mönch Hucbald. Erlebtes und Erträumtes. Eine lyrisch-dramatische Dichtung. Autobiografische Skizzen veröffentlichte er schließlich im fünften Band der Ausgabe seiner Gesammelten Werke unter dem Titel Mosaiken. Zwei Dramen aus seiner Feder vernichtete Samhaber übrigens: Marina (1869) und Die Wiedertäufer (1886).

Mediävist
Die Versepen Samhabers wiederum stehen seiner wissenschaftlichen Tätigkeit als Mediävist näher als den dichterischen Ambitionen, aktualisieren diese Werke doch meist altgermanische Mythen- und Märchenstoffe. Samhabers bedeutendstes Werk stellt Walther von der Vogelweide (1882) dar, eine poetisch verklärende Biografie des Autors, die auch neuhochdeutsche Übersetzungen seiner bekanntesten Lieder enthält, wobei Samhaber diese in chronologischer Reihenfolge geordnet hat. Zudem ergänzte Samhaber die Lieder Walthers – drucktechnisch abgesetzt – mit anderen Textsorten, etwa dem Tannhäuser, einem Versepos von Julius Wolff (1880). Die intensive Auseinandersetzung mit Walther mündete in mehrere Publikationen: Walther von der Vogelweide (nach einer Vorstufe, 1877), herausgegeben beim Verlag Kleinmayr und Bamberg (Laibach, 1882 bzw. Ausgabe der Umarbeitung, 1884), eine Walther-Schulausgabe (1900) sowie eine revidierte Ausgabe als vierter Band in den Gesammelten Werken (1909/10). Das 1922 entstandene neue Walther-Buch blieb aber Fragment. Gerade die Nachdichtungen Walthers sind im Kontext nationaler Waltherrezeption zu sehen, die den Dichter als „Deutschen“ vereinnahmten und das nationale Bewusstsein fördern sollten.

Wissenschaft und Dichtung
Wissenschaftliche Forschung und Dichtung greifen in Walther von der Vogelweide besonders ineinander, genauso wie in den Übertragungen des althochdeutschen Heiland (9./10. Jahrhundert) und des Ludwigsliedes (Ende 9. Jahrhundert), die Samhaber schuf. Daneben übersetzte er auch Werke aus dem Lateinischen von Horaz und Tibull sowie vom Kremsmünsterer Konventualen Simon Rettenpacher (1634–1706). In seiner Funktion als Lehrer gab Samhaber ein Deutsches Lesebuch für Mädchen-Lyzeen und verwandte Lehranstalten (fünf Bände, 1904) und ein Deutsches Lesebuch für österreichische Lehrer- und Lehrerinnenbildungsanstalten (4 Bände, 1911, 1913 und 1917) heraus.

Übertragung aus dem Slowenischen
Aufsehen erregte Samhaber v. a. im Jahr 1880 mit der Herausgabe der Preširenklänge, einer sehr freien Nachdichtung von Texten des als Nationalautor und Begründer der slowensichen Literaursprache gefeierten France Prešeren (1800–1849), wobei das Werk auch Einblick in Leben und Schaffen des slowenischen Lyrikers gewährt. Die freie Übertragung resultierte primär aus den mangelnden Slowenischkenntnissen Samhabers. Doch war seine Intention weniger einer exakte Übertragung ins Deutsche, vielmehr sah der Deutschnationale Samhaber in der Übersetzung einen Dienst an einer vermeintlich weniger entwickelten Kultur im Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn. Die Überlegenheit der deutsch- gegenüber den slowenischsprachigen Gebiete stand für ihn außer Zweifel. Samhaber distanzierte sich später von seiner  Übersetzung der Preširenklänge, was wohl auch auf seine deutsch-nationale Haltung zurückzurführen ist.

National und regional
Samhaber war national gesonnen und überaus wertkonservativ, am zeitgenössischen Literaturdiskurs beteiligte er sich nicht. Er war kein Mitglied in einem Schriftstellerzirkel, führte aber den Vorsitz in der 1897/98 gegründeten Literatur- und Kunstgesellschaft Pan. Für diese hielt Hermann Bahr im Dezember 1899 einen bedeutenden Vortrag über die Provinzliteratur, in dem es auch um eine Standortbestimmung der jungen Schriftstellergeneration in Linz sowie eine ideologische Abgrenzung gegenüber der Literatur aus der Großstadt ging. Dagegen war Samhaber Mitglied in einem Lehrerverein, beim Männergesangsverein Frohsinn sowie bei der Burschenschaft und einer Studentenvereinigung. Für diese Vereinigungen schrieb er auch Texte zu festlichen Anlässen, die als Gelegenheitsdichtungen bezeichnet werden können. Seine Werke veröffentlichte Samhaber nicht in bestimmten Periodika oder überregional bedeutenden Literaturzeitschriften, sondern vorwiegend in regionalen Organen. Auch Briefkontakt hielt er v. a. mit Schriftstellern aus Oberösterreich: Norbert Hanrieder, Maurice Reinhold Stern, Susi Wallner, Enrica von Handel-Mazzetti. Dennoch betonte Samhaber auch seine überregionale Bedeutung, indem er seine Gesammelten Werke 1909/10 beim Verlag Georg Müller in München und Leipzig in fünf Bänden herausgab: Gedichte, Epische Dichtungen, Dramen, Walther von der Vogelweide und Mosaiken. Diese Publikation wurde von seinem Umfeld finanziell unterstützt.

Der Nachlass Edward Samhabers wird heute im StifterHaus verwahrt und wurde von Ralf Georg Bogner und Andreas Brandtner wissenschaftlich erschlossen.

Der Beitrag basiert im Wesentlichen auf:

Andreas Brandtner/Werner Michler (Hg.): Brechnungen – Brücken. Beispiele österreichisch-slowenischer Literaturbeziehungen: Edward Samhaber/France Prešeren/Drango Jančar. Linz 1996 (= Literatur im Stifter-Haus 9)

Andreas Brandtner/Ralf Georg Bogner (Hg.): Interkulturelle Asymmetrie. Edward Samhabers Übertragung des slowenischen Nationalautors France Prešeren. Mit einer Edition der „Preširenklänge“ (1880). Wien [u. a.] 1999 (= Schriften zur Literatur und Sprache in Oberösterreich 6)