Kulinarische Notizen
zur Einführung

Der hl. Benedikt und seine Regel
Der Gründungsvater des christlichen Mönchtums im Westen, der hl. Benedikt von Nursia (um 480–547), hat in seiner bis heute gültigen Regula Benedicti ein Konzept von Zucht und Maß entwickelt, dem auch die Ernährung untergeordnet werden sollte. Benedikts diesbezügliche Regelungen nahmen sehr konkrete Formen an: Verzicht auf Fleisch vierfüßiger Tiere, maximal zwei gekochte Speisen am Tag und beschränkter Weinkonsum. Dabei waren dem stets um Frieden und Ausgleich bemühten Heiligen Kompromisse keineswegs fremd – auch nicht bei den leiblichen Genüssen, wenn er etwa zum Weinkonsum anmerkt: „Zwar lesen wir, Wein passe überhaupt nicht für Mönche. Aber weil sich die Mönche heutzutage davon nicht überzeugen lassen, sollten wir uns wenigstens darauf einigen, nicht bis zum Übermaß zu trinken, sondern weniger.“
Der ursprünglich aus einer gesellschaftlichen Elite stammende hl. Benedikt, der sich auch der körperlichen Arbeit widmete und diese neben dem Gebet zu seinem Lebensmerkmal erhob, wusste wohl um die Notwendigkeit einer schmackhaften und ausreichenden Kost für die arbeitenden Mönche.
Wie aber konnte sich diese Notwendigkeit zu einer veritablen Kunst entwickeln? Welchen Anteil haben die Klöster an der Küchenkunst? Diese Ausstellung hat einige Antworten parat.

Der hl. Bernhard von Clairvaux
Es wird nicht so heiß gegessen, wie gekocht – dieses dem Küchenmilieu entlehnte Sprichwort behält seine Gültigkeit auch hinsichtlich der Entwicklung der klösterlichen Kochkunst. Im Laufe der Jahrhunderte hat das benediktinische Motto „Ora et labora (et lege)“ (= Bete und arbeite – und lies) wie auch die alte Ordensregel des hl. Benedikt Abänderungen, Aufweichungen und mitunter selbst Entstellungen erfahren müssen, wie dies etwa aus kritischen Stellungnahmen des Hochmittelalters zu entnehmen ist: „Ich frage mich … verwundert, wie es möglich ist, dass unter Mönchen eine solche Ausschweifung in Speise und Trank … Fuß fassen konnte.“
Was hier der hl. Bernhard von Clairvaux (um 1090–1153) angeprangert, wirft ein Schlaglicht auf diese kulinarische Seite des Klosterlebens, die in der Folge die gesamte abendländische Kochkunst mitprägen sollte. Denn Essen war längst ein Prestigefaktor und Zeichen der Standeszugehörigkeit geworden - sowohl hinsichtlich Quantität als auch Qualität. Dies zeigt sich etwa beim Brot, dem heiligsten aller Nahrungsmittel, das seine besondere Heiligung als Gebildbrot erfuhr. Kipfel, Wecken, Brezeln und Torten waren nur dem „Herrenmund“ vorbehalten. Je höher man in der Hierarchie saß, umso heller fiel auch das Brot aus – für das Brot der Äbte wurden in den Klöstern sogar besondere Siebe hergestellt, um das weiße Mehl noch feiner zu sieben. Mit Kalk wurde der Farbton des Brotes „nachgebessert“. Und dies galt nicht nur für das Brot …

Kulinarische Klöster
Um das Jahr 1000 schrieb Ekkehard IV. im Kloster St. Gallen seine Benedictiones ad mensas, eine gereimte Übersicht über fast alle damals auf die Tafel kommenden Speisen, aus denen bereits die kulinarische Vielfalt in den Klöstern hervorgeht. Er schwärmte etwa vom Bärenfleisch als köstlicher Delikatesse und sah darin auch keinen Verstoß gegen das benediktinische Verbot, Fleisch von Vierfüßern zu essen. Sein spitzfindiges Argument: Die Bären würden immer auf zwei Beinen umherzugehen pflegen … Murmeltiere rundeten das Wildbret der Festtafel ab, auf der auch Fasan und Singvögel aufgetischt wurden.
Ekkehard IV. erwähnt unter anderem auch den Pfau, empfiehlt ihn jedoch ob seines zähen schwer verdaulichen Fleisches mäßig zu konsumieren (was diesem Geflügel auch seine Rolle als Symbol des ewigen Lebens eintrug, da seine Unverwüstlichkeit mit der Standfestigkeit der Kirche verglichen wurde). Seinen Verzehr dürften die Mönche allerdings auch als Reverenz gegenüber der antiken römischen Küche verstanden haben, galt der Pfau doch bereits im antiken Kochbuch des großen römischen Gourmets und Autors Apicius als besonderer Leckerbissen, der allerdings den Herrentischen vorbehalten war.
Dieses Detail verweist auf das Weiterleben antiker Traditionen auch in Essensangelegenheiten, wobei wir dieses Wissen vor allem den Klosterbibliotheken verdanken: Sie bewahrten diese „kulinarischen Partituren“ über Jahrhunderte. Sie wurden seit dem Mittelalter zudem als brauchbare Kücheninstruktionen wieder vermehrt in Betracht gezogen.
Auf diesen Quellen basieren beispielsweise die Überlegungen eines Thomas von Aquin über die leibgeistigen Zusammenhänge im Menschen. Vielfach bestimmten heilkundliche, diätetische Rücksichten die Zubereitung der Nahrung, wie sie schon der griechische Arzt Hippokrates einforderte: „Deine Nahrung sei dir Medizin und die Medizin deine Nahrung.“
Neben dem Gemüsegarten bildete daher der klösterliche Kräutergarten nicht nur eine bedeutende Säule im Küchenalltag, sondern auch die Apotheke Gottes, aus der die Benediktineräbtissin Hildegard von Bingen (1098-1179) genauso wie – Jahrhunderte danach - der nicht minder populäre Kräuterpfarrer und Prämonstratenser Hermann Josef Weidinger (1918-2004) ihre gesundheitsfördernden Rezepturen bezogen.

Fastenküche - Festküche
Klosterküche meint jedoch auch Fastenküche: Das von den Ordensvätern nach biblischem Vorbild verordnete Fasten führte in der Folge zu einer intensiven Auseinandersetzung mit fleischloser Kost, die allerdings schon im Mittelalter mit allerlei kulinarischen Kunstgriffen umgangen wurde.
Zum anderen galt es die großen kirchlichen Feste auch gebührend mit Leckerbissen aus der Küche zu feiern. Bei alledem musste der klösterliche Küchenmeister die vorhandenen Nahrungsressourcen für die damals noch vollen Klöster so einteilen, damit es zu keinem Engpass kommen konnte. Es nimmt daher nicht wunder, dass uns die ersten und auch einige der bedeutendsten Kochbücher aus Klöstern oder kirchlichen Kreisen überliefert wurden. Die Ausstellung gewährt auch einen Blick auf den Werdegang einiger der berühmtesten Kochbuchautoren wie den berühmten Papstkoch der Spätrenaissance, Bartolomeo Scappi (1570), oder den Salzburger Hofkoch im Dienste der Salzburger Fürstbischöfe, Conrad Hagger (1718). Beide zogen all ihre kulinarischen Register, wenn an die Klosterküche der Auftrag zu einem Festmahl an kirchlichen Feiertagen, bei hohen Besuchen oder Jubiläen erging, das schließlich im Barock zu einem opulenten Schmaus für alle Sinnen werden sollte.

Wertvolle Exponate
Die Qualität dieser üppigen Feste für Gaumen und Augen lassen kostbare Gemälde von (Küchen-)Stillleben und Festtafeln wie auch alte wertvolle Kochbücher, die von Köchen im Dienste der Kirche verfasst wurden, noch heute erahnen.
Tafel- und Küchengerät des Barock veranschaulicht den technologischen Wandel im Küchenalltag, historische Speisezettel aus dem 16. und 17. Jahrhundert beleuchten die Menüfolgen von damals. Sie reichen von einer „Dunstlsuppen mit ain pratnen Reinancken, Ruebm und kochtem Reysch“, die man etwa im Stift Mondsee am Karfreitag 1538 zu Tisch brachte bis zu „Saladt, Hennen Supen, gepratten hossen, Versodne hennen, Eingepükhts Fleischl in Limoni, Pramb hennen, Khell Khraudt, Junge Ganns, Khelberns Prattens, gebratten Copaun, Schweiners Wiltprädt in Mandlgeschörb, gedempfte Ganns, Vegl gepratten, Pachnes, Gerstn, Quitten und Gänse“, die in Mondsee zu Martini 1632 serviert wurden.

Fortleben klösterlicher Küchentradition
Vom Kochen im Dunstkreis von Kirche und Klöstern zeugen aber auch einzelne historische Gerichte wie Kapuzinerstrudel, Karmelitertorte, Ketzersuppe, Martinigansl, Minoritensuppe oder die ursprünglich pikanten Nonnen Förtzel, die im Barock zum beliebten Marzipankonfekt aufstiegen. Viele dieser Rezepte sollten in der Folge die Kochbücher füllen und so die Köstlichkeiten der Klosterküche zum Nachkochen gleichsam freigeben. Bis ins späte 19. Jahrhundert bestätigen die in unzähligen Auflagen erschienenen Kochbücher von Stifts- und Klosterköchinnen den ungebrochenen Enthusiasmus für eine Kunst, die von den Klosterküchen wesentliche Anregungen bezog.

Autor: Hannes Etzlstorfer, 2007

Kulinarisches Kloster. Zwischen Festmahl und Fastenküche - Dokumentation zur Ausstellung im Stift Schlägl/Meierhof vom 25. Mai bis 30. September 2007.