Musikgeschichte des Benediktinerstiftes Lambach
Das Stift wurde 1056 durch die Umwandlung des bereits vorhandenen Kanonikerstiftes in ein Benediktinerkloster gegründet. Die Stifter waren die Grafen von Lambach-Wels.
Musikalische Anfänge
Musikalische Nachrichten aus der Gründerzeit von Lambach sind kaum erhalten. Einziger Hinweis mag das Fragment eines Dreikönigsspiels (11. Jahrhundert, wohl in Schwarzach am Main entstanden) sein. Es handelt sich dabei um neumierte lateinische Texte, die von der Erscheinung des Herrn berichten und durch Angabe von „Schola“ und „Cantor“ auf alternierende Aufführungspraxis hinweisen.
Lambacher Skriptorium
In der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts wurde von Abt Pabo (1167–1194) ein Nekrolog mit Hinweis auf eine Klosterschule angelegt. Die Ausbildung von Schriftkundigen fand ihre praktische Anwendung in der Schreibschule, aus der in Lambach eine Fülle wertvoller Handschriften hervorging. Leider mussten viele davon in der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts veräußert werden.
Bereits im Spätmittelalter nahm das gesamte Kloster durch Kriege und Brände – etwa beim Einfall der Bayern 1233 – immer wieder schweren Schaden, was sich auf das Skriptorium auswirkte. Dennoch, in der Lambacher Schreibstube wurden zahlreiche Codices geschaffen. Das erhaltene Graduale mit Sequenziar (Cod. 1698) entstand allerdings nicht vor Ort, sondern vermutlich in Melk. Sehr wohl aus Lambach stammen die beiden Lambacher Rituale (Cml LXXIII bzw. LXXIIIa aus dem 12./13. Jahrhundert), der heute in Berlin verwahrte so genannte Williram und ein zuletzt sich in Garsten befindliches besonders qualitätvoll ausgezeichnetes Missale (beide im 12. Jahrhundet entstanden; Letzteres befindet sich heute unter der Signatur 466 in der Oberösterreichischen Landesbibliothek in Linz).
Musikhandschriften
1469 ist in der Stiftskirche die erste Orgel belegbar (errichtet von Hans Reycher, Salzburg). Um diese Zeit nahm die Schreibschule einen neuen Aufschwung und brachte nun an die 400 Papierhandschriften hervor, darunter ein Missale (Ccl 264). Erwähnenswert ist auch die Sammlung weltlicher deutscher Lieder, die so genannte Lambacher Liederhandschrift (um 1480, seit 1830 an der Österreichischen Nationalbibliothek, Sig. 4696). Als Teil eines Sammelbandes enthält sie hauptsächlich Lieder von „Johann ain Münch“, der vermutlich identisch mit dem Mönch von Salzburg ist. Die Handschrift weist teilweise dieselbe Schreiberhand wie jene der Mondsee Liederhandschrift auf. Wohl das bekannteste Stück aus der Salzburger Liederhandschrift ist der so genannte Martinskanon.
Die Entstehung des Sängerknabeninstituts dürfte dem 1509 gegründeten „Musäum“ gleichkommen. Dass es in Lambach damals schon eine nennenswerte Musikkultur gab, belegt die Tatsache, dass man einerseits Mönche aus anderen Klöstern hierher zur musikalischen Ausbildung schickte, andererseits Lambacher Musikermönche als Aushilfe in fremde Klöster gerufen wurden (1497/1502).
Aus dem Jahr 1593 ist die bekannte Marienklage erhalten, ein musikalischer Dialog zwischen der hl. Maria und dem hl. Johannes, die den Tod Jesu beklagen. Das einzige erhaltene Zeugnis für die Pflege von mehrstimmiger Vokalmusik der Renaissance bildet der Druck eines großformatigen Chorbuchs mit Teilen aus dem Magnus Opus Musicum von Orlando di Lasso (1532-1596). Die große Blütezeit dieser mediterranen und nordfranzösischen Kunst blieb jedoch im transalpinen Raum überschattet von den Wirren der Reformation.
Barocker Orgelbau
Erst Abt Placidus Hieber von Greiffenfels (1640–1678) konnte für Lambach eine neue Glanzzeit einläuteten. Er war ein eifriger Bauherr, aber auch „ein grosser Liebhaber der Music, auch selbsten lange Jahr auf dem Chor ain stattlichen Pass gesungen“. In den frühbarocken Kirchenbau (vollendet 1656) ließ er durch Christoph Egedacher I. aus Straubing eine neue Orgel einbauen (laut Kontrakt mit zwei Manualen und 20 Registern). Das Instrument aus dem Jahr 1657 ist heute weitgehend erhalten, wurde jedoch im 19. Jahrhundert verändert. Aber auch Andreas Putz und Johann Freundt, beide aus Passau, waren im Kloster Lambach mit Werken vertreten: Putz lieferte 1636 ein großes Positiv mit manualem 16´-Register (Fragment erhalten), Johann Freundt ist 1668 mit einem Orgelpositiv belegbar, wobei bis heute nicht geklärt ist, ob es sich um ein selbstständiges Werk handelte oder ob Freundt der großen Egedacher-Orgel das heute noch bestehende Rückpositiv hinzufügte.
Stiftsorganisten und Klosterkomponisten
Während der Barockzeit waren auch komponierende Stiftsorganisten in Lambach tätig. Bedeutsam sind Beniamin Ludwig Ramhaufski (~ 1632-1694) aus Prag, Joseph Balthasar Hochreither (1669–1731) aus Salzburg, Maximilian Röll (~ 1700–~1752) aus St. Martin/Innkreis und Josephus Tischer (?–?). P. Romanus Weichlein (1652-1705) gehörte dem Lambacher Konvent an und war Violinvirtuose und Komponist im Umfeld von Heinrich Ignaz Franz Biber. Weichlein wirkte bis 1691 als Musikpräfekt im Kloster Nonnberg in Salzburg.
Theater- und Musikkultur
Unter Abt Amandus Schickmayr (1746–1794) wurde die bendiktinische Theatertradition neu belebt, er ließ 1770 aus persönlicher Leidenschaft („excessivus amator musicae“) das Stiftstheater „in neuen Stand setzen“.
Sein Mitbruder P. Maurus Lindemayr (1723–1783), bekannt als Begründer der oberösterreichischen Mundartdichtung, verfasste im Zuge seines reichen literarischen Gesamtwerks mehrere Opernlibretti. Die Musik dazu schrieb meist Joseph Langthaller (1722-1790), dessen familiäre Wurzeln u. a. nach Traunkirchen führten und der seine Ausbildung im Stift Kremsmünster genoss.
Kontakte zu den Mozarts
Ab 1768 waren auch Leopold und Wolfgang Amadeus Mozart mehrmals in Lambach zu Gast, denn Vater Leopold verband mit Abt Amandus eine langjährige Freundschaft. Er widmete ihm 15 Symphonien (fast alle verloren). Erhalten blieb die so genannte Neue Lambacher Symphonie (G-Dur, heute Stadtarchiv Augsburg). Auch Sohn Wolfgang wartete dem gastfreundlichen Abt mit einer Sinfonie aus seiner jugendlichen Feder auf (bekannt als Alte Lambacher Symphonie, KV 45a, komponiert 1766 in Den Haag, 1768 für die Lambacher Widmung umgearbeitet). Neben den Mozarts pflegte Johann Michael Haydn regen Kontakt zu Lambach; auch er widmete Abt Amandus einige Werke (u. a. die Missa St. Amandi), seine Frau trat im Stiftstheater als Sängerin auf.
Um im späten 18. Jahrhundert der radikalen josephinischen Auflösungswelle zu entgehen, bekam das Kloster die Auflage, große Besitzungen zu verkaufen und die barocken Lebensformen aufzugeben. Dadurch verlor Lambach nach vielen „goldenen Jahren“ seine kulturelle Identität und stürzte in eine neue Krise.
Cäcilianismus
Das 19. Jahrhundert begann mit den Verwüstungen durch die Truppen Napoleons (1805/1809), deren verheerendes Ausmaß kaum vorstellbar ist. Der Chronist berichtet, dass etwa im Instrumentenarchiv „nur eine einzige Bratsche unversehrt geblieben“ wäre.
Mitte des 19. Jahrhundets wurde die Kirchenmusik durch Abt Theoderich Hagn (1859–1872) nach dem Leitbild des Cäcilianismus neu organisiert. Als Hauskomponisten traten nun P. Magnus Köll und P. Bernhard Grüner hervor. Das Sängerknabenkonvikt erlebte einen letzten Aufschwung, ehe es 1927 aufgelöst wurde. Mit P. Erhard Danzer übernahm der letzte Konventuale die Geschicke der Kirchenmusik (Regens chori ab 1927).
Musikarchiv
Sein Nachfolger, Hermann Lang (1907–1992), stammte aus Wien und mit ihm bekleidete der erste Laie in Personalunion sämtliche musikbezogenen Ämter (ab 1945 Organist, Regens chori, Musikarchivar und Professor am Stiftsgymnasium). Auf ihn geht u. a. die Neuordnung der Musiksammlung zurück, er legte auf Basis der alten Kataloge (1768/1823) eine Zettelkartei an, die schließlich 1980 von seiner Schwiegertochter Gerda Lang zu einem Nominalkatalog ausgearbeitet wurde. Prof. Lang machte seinem Ruf alle Ehre durch die strenge Führung des Kirchenchores, mit dem er neben den vielen liturgischen Verpflichtungen auch Konzerte veranstaltete. Sehr viel lag ihm auch an der Förderung seines musikalisch hochbegabten Sohnes Peter Lang (geb. 1946), der später am Salzburger Mozarteum studierte und nach Begründung einer internationalen Pianisten-Karriere dorthin auch als Professor für Klavier berufen wurde. Seit 1985 obliegt die Kirchenmusik Herbert Nöbauer (Organist und Chorleiter).
Barockes Stiftstheater
Im Lindemayr-Gedenkjahr 1983 wurde das barocke Theater vollkommen restauriert. Es ist das einzig erhaltene Klostertheater Österreichs. Seit 2003 wird es unter der engagierten Intendanz von Günther Morgen regelmäßig bespielt. Für das Musikarchiv zeichnet seit 2001 der Autor dieses Textes verantwortlich. Es zählt zu den wertvollsten Musikaliensammlungen des Landes und umfasst ca. 4000 Katalognummern, weitere 4000 Werke (vorwiegend aus dem 19. Jahrhundert) sind noch nicht katalogisiert. In jüngster Zeit widmente man sich besonders der Aufarbeitung der Werke Joseph Balthasar Hochreithers.
Autor: Peter Deinhammer, 2008