19. Jahrhundert

Musik im 19. Jahrhundert in Oberösterreich


Wie andernorts auch zeigt sich in Oberösterreich ein vielfältiges Bild: Neben bestehenden klösterlichen bzw. kirchlichen und adeligen Musiktraditionen steht das 19. Jahrhundert im Zeichen einer starken Aufwärtsentwicklung der bürgerlichen Musikkultur. Überall aufscheinende Vereine und Musikschulen, öffentliche Konzerte unterschiedlicher Richtung und Qualität, Opern- und Operettenaufführungen sowie Neugründungen für den wachsenden Musikalienmarkt dokumentieren die große Bedeutung der Musik im bürgerlichen Bildungskanon.

Komponisten aus kirchlichem Umfeld
Nach den josephinischen Restriktionen bewegte sich die klösterliche bzw. kirchliche Musikpraxis innerhalb der Pflege klassisch-frühromantischer Werke hauseigener Komponisten sowie einer – personenbezogen unterschiedlich ausgeprägten – Auseinandersetzung mit dem Cäcilianismus. Markante Beispiele hiezu sind etwa die Ausbildung einer Schubert-Tradition im Stift St. Florian, P. Gunther Kronecker als Komponistenpersönlichkeit im Stift Kremsmünster oder die „cäcilianistische Wende“ im Stift Lambach unter P. Magnus Köll. Überdies traten verstärkt weltliche Einflüsse – u. a. aus dem zeitgenössischen Opernrepertoire – in der klösterlichen Hausmusik hinzu. An Domen und Stadtpfarrkirchen spielten qualifizierte Musiker, die auch selbst komponierten, eine gewichtige Rolle (z. B. Johann Baptist Schiedermayr in Linz).

Musikalische „Dilettanten“
Mit dem Bedeutungsverlust adeliger Musikunternehmungen – in Linz etwa der Kapelle des Fürsten Carl Auersperg oder früher Opernproduktionen durch Christoph Wilhelm II. von Thürheim – kam es zu einem Aufschwung des bürgerlichen Konzertlebens. Neben einzelnen Salons, engagierten „Musik-Dilettanten“ und Mäzenen – unter ihnen Franz Xaver Glöggl, Prof. Luigi Tomazzoli und die Familie Spaun in Linz, Sylvester Paumgartner in Steyr, Leopold von Zenetti in Enns oder Ferdinand Traweger in Gmunden – steht hier in erster Linie das Musikvereinswesen im Zentrum.

Den Anfangspunkt in Oberösterreich setzte die Gesellschaft der Musikfreunde in Linz im Jahre 1821; ab den frühen dreißiger Jahren entstanden dann laufend Vereine, die vor allem den Gesang im Männerchor pflegten. Einerseits repräsentierten die öffentlichen Aufführungen der musikalischen Gesellschaften das kulturelle bürgerliche Standesbewusstsein, andererseits galt eine allgemeine Geschmackserziehung im Sinne „klassischer“ Musik als bedeutsames Ziel. Nicht zuletzt wurden auch soziale Funktionen durch diverse Benefizveranstaltungen erfüllt.

Das Musikleben in Enns – maßgeblich geprägt von der vielseitigen Musikerpersönlichkeit Leopold von Zenetti – zeigt die typische Struktur in Kleinstädten: Der Geselligkeits-Verein, zu dem der Thurnermeister als Mitbegründer zählt, bestand aus knapp zwanzig Mitgliedern und bot ein Repertoire, das neben den damals führenden Männerchorkomponisten auch Werke von Felix Mendelssohn Bartholdy beinhaltete. Die Aufführung klassischer Instrumentalmusik war die Hauptaufgabe der Vereinten Musikfreunde von Enns und St. Florian (ebenfalls unter Beteiligung von Thurnermeistern und Mitgliedern der Familie Zenetti): Diese Gruppe brachte im städtischen Theater u. a. Werke von Wolfgang Amadeus Mozart, Ludwig van Beethoven oder Carl Maria von Weber zu Gehör. Zu den verschiedenen Tanzveranstaltungen erklangen neueste Walzer von Joseph Lanner und Johann Strauß.

Im Bereich des Männergesanges standen gesellige, gemeinschaftsbildende, aber ebenso deutschnationale Ideale im Vordergrund. Die Vereinsexplosion (besonders nach dem Vereinsgesetz von 1869) bewirkte, dass in kleineren Städten oft mehrere derartige Institutionen mit sozial differerierenden Mitgliederschichten nebeneinander bestanden, die zum Teil auch zusammenwirkten. Beiträge zum Konzertleben kamen darüber hinaus von Kapellen der Bürgercorps.

Städtische Theater
Wichtigen Anteil an der Musikkultur hatten im Weiteren die städtischen Theater. Die Spielpläne aus Linz, Wels oder Steyr (das heutige Alte Theater) weisen eine Bandbreite von Weltliteratur über Schwank bis hin zu Oper und Operette auf. Häufiger aufgeführt wurden romantische Opern, italienisches Repertoire, Singspiele und Operetten, etwa von Jaques Offenbach.

Bedeutende Komponisten
Der bedeutendste Komponist Oberösterreichs ist ohne Zweifel Anton Bruckner. Neben ihm existiert jedoch eine Reihe von Künstlern, welche die Musiklandschaft auf vielfältige Weise mitbestimmt haben. Stellvertretend sollen im Folgenden genannt sein:

Name Tätigkeiten Geburtsort/
Wirkungsstätte
Franz Xaver Bayer Regens chori, Orchesterleiter und Bruckner-Förderer Steyr
Johann August Dürrnberger Dirigent, Lehrer an der Präparandie Pernstein/Linz, Steyr
Franz Hölzlhuber Musiker, Komponist, Maler und Dichter Steyr/Wien
P. Gunther Kronecker einer der bedeutendsten Stiftskomponisten des 19. Jahrhunderts Kremsmünster
Ludwig Paupié Organist, Chormeister und Komponist Wels
Josef Vockner Organist und Komponist Ebensee
Karl Waldeck (Dom-)Organist und Komponist St. Thomas am Blasenstein/Linz
Leopold von Zenetti Organist, Komponist, Pädagoge Enns

In anderer Weise hat der Innviertler Franz Xaver Gruber (1787–1863) mit seinem Lied Stille Nacht für internationalen Ruf gesorgt.

Unter den in Oberösterreich langjährig wirkenden Musikern sei der bei Oberplan geborene Johann Evangelist Habert (1833–1896) erwähnt: Er wirkte als Stadtpfarrorganist und Regens chori in Gmunden und war wichtigster Repräsentant des gemäßigten, „österreichischen Weges“ im Cäcilianismus. Auch der Organist und Kirchenmusikkomponist Robert Führer verbrachte Jahre seines unsteten Lebens u. a. in Gmunden und Ried im Innkreis.

Musikalische Gäste im Salzkammergut
Ebenso bildete das Land einen Anziehungspunkt für zahlreiche Gäste. Sie hielten sich bevorzugt im Salzkammergut mit Zentrum Bad Ischl auf. Erwähnt seien hier Johannes Brahms (1833–1897), Franz von Suppé (1819–1895) oder Johann Strauß Sohn (1825–1899). Franz Schubert musizierte in mehreren oberösterreichischen Orten wie Linz, Steyr und Gmunden gemeinsam mit dem berühmten, aus Steyr gebürtigen Hofopernsänger Johann M. Vogl. Am Ende des Jahrhunderts verbrachte schließlich ein anderer berühmter Künstler, Gustav Mahler, als Ferienkomponist mehrere Sommer in Steinbach am Attersee, wo er sich seiner Zweiten und Dritten Sinfonie widmete.

Bürgerliche Mäzene
Welch enormes Engagement bürgerliche Mäzene aufzubringen imstande waren, dokumentiert ein Erinnerungsbericht Albert Stadlers über den Salon Paumgartners in Steyr:
„Der erste Stock enthielt seine Wohnung mit einem eigenen dekorierten Musikzimmer für fast tägliche Übungen und kleinere Abendgesellschaften. Im zweiten Stock befand sich ein mit Emblemen der Kunst geschmückter Salon für die größeren und zahlreich besuchten Produktionen um die Mittagszeit. […] Ein großer Musikalienkasten barg einen wahren Schatz von klassischen und zum Teil auch modernen Werken. Jeder echte Tonkünstler und Musikfreund fand in seinem Hause Zutritt, freundliche Aufnahme und oft noch mehr.“

Musikalienhandel und Instrumentenbau
Handel und Gewerbe mussten nun auf den vermehrten musikalischen Bedarf in der bürgerlichen Gesellschaft reagieren. So gründete Glöggl 1830 in Linz eine Musik-, Kunst- und Instrumentenhandlung; dreißig Jahre später trat Joseph L. Kränzl mit einem Musikalienverlag in Ried hervor. Zuweilen übernahmen auch Buchhändler wie Friedrich E. Eurich in Linz dieses Geschäft.

Durch die neuen Entwicklungen im Zuge der Industrialisierung änderte sich auch die allgemeine Situation im Instrumentenbau. Nach wie vor blieb die Maultrommelerzeugung in Molln ein florierendes Gewerbe mit internationaler Geltung; Anfang des 19. Jahrhunderts waren knapp über dreißig Meister mit dieser Produktion beschäftigt.

Auf dem Gebiet des Geigen- und Lautenbaues wirkte der aus Füssen eingewanderte Meinrad Frank in Linz; 1873 eröffnete dort Eduard Heidegger eine Saiteninstrumentenfabrik und Saitenmacherei. Unter den Blasinstrumentenbauern sei Carl Doke in Linz erwähnt.

Orgelbau
Die reiche oberösterreichische Orgeltradition wurde fortgeführt: Neben Neubauten (u. a. in St. Marienkirchen bei Schärding oder Spital am Pyhrn) wurden viele Orgeln zum Teil gravierend umgestaltet, etwa in der Stiftskirche von Kremsmünster oder in der Stadtpfarrkirche sowie der Kirche der Vorstadtpfarre Wels. Ebenso in diese Zeitspanne fallen die Umbauten der Chrismann- Orgeln im so genannten Alten Dom zu Linz, im Stift St. Florian und in der Stadtpfarrkirche Steyr, an denen Anton Bruckner maßgeblich beteiligt war. Der oberösterreichische Orgelbau ist vor allem durch die Familie Breinbauer aus dem Innkreis (Sohn Leopold d. Ä. in Ottensheim) vertreten. Durch eine Niederlassung in Braunau ergibt sich eine direkte Verbindung zur „Fügener Linie“ der Orgelbauerdynastie Mauracher.

Autor: Erich Wolfgang Partsch, 2008