Von der Monarchie zur Republik

Die außerordentliche, ja zeitweise sogar dominierende Bedeutung des Handels im oberösterreichischen Wirtschaftsleben im späten 19. Jahrhundert kommt darin zum Ausdruck, dass von 1871 bis 1900 die Präsidenten der Handels- und Gewerbekammer für das Erzherzogtum Österreich ob der Enns dem Kaufmannsstand angehörten: Josef Hafferl, Franz Reininger und Johann Ev. Wimhölzel, dann aber Industrielle diese Funktion einnahmen. Auch unter den Vizepräsidenten waren die Handelsleute prominent vertreten. Von 1861 bis 1918 bildete die Kammer eine Wahlkurie im Landtag, der drei Sitze zustanden. Im damaligen Reichsrat war die Kammer von 1861 bis 1907 (Einführung des allgemeinen Wahlrechtes) durch einen Abgeordneten vertreten.
1908 gründeten Kammer, Gewerbeverein und Linzer Genossenschaftsverband das Gewerbeförderungsinstitut, das schließlich 1920 in die Kammerorganisation eingegliedert wurde und das als Vorläufer des Wirtschaftsförderungsinstitutes gilt.

Mit dem Handelskammergesetz vom 25. Februar 1920, das aus den Handels- und Gewerbekammern „Kammern für Handel, Gewerbe und Industrie“ machte, wurde an Stelle der bis dahin eher informellen Unterteilung in Handel und Gewerbe eine Gliederung in drei Sektionen, für Handel, für Gewerbe und für Industrie vorgenommen. Der Steuerzensus für das Wahlrecht wurde aufgehoben. Es gab nunmehr einen Präsidenten und drei Vizepräsidenten, von jeder Sektion einen. 1922 wurde das vom Oberösterreichischen Gewerbeverein gemeinsam mit der Handelskammer begründete „Gewerbeförderungs-Institut” in die alleinige Zuständigkeit der Kammer überführt und unter der Bezeichnung „Gewerbeförderungs-Institut der Kammer für Handel, Gewerbe und Industrie in Linz“ auf die Erfordernisse der Weiterbildung in allen Bereichen der Kammertätigkeit ausgeweitet.

Bis 1898 hatte die Kammer im dritten Stock des Linzer Rathaus residiert, war dann in das neue Gebäude des Kaufmännischen Vereins übersiedelt, aber immer auf der Suche nach einem eigenen Gebäude. Das Kaufmännische Vereinshaus war zugleich Sitz des Kaufmännischen Vereins, der „Kammer für Handel, Gewerbe und Industrie“ und des Oberösterreichischen Automobil-Clubs.

1919 war Ludwig Gottlieb zum Vorsitzenden des Kaufmännischen Vereins gewählt worden, 1923 bis 1936 der angesehene Linzer Kaufmann Hans Estermann (Fa. Landa). Auch zwischen dem Automobilclub und der Kammer bestand eine enge personelle Verflechtung. Schon seit dem späten 19. Jahrhundert war die Kammer um ein eigenes Gebäude bemüht. 1908, zeitgleich mit der Übersiedlung in das Gebäude des Kaufmännischen Vereins, kam es zur Gründung eines Baufonds für ein eigenes Kammergebäude. 1914 waren die Pläne fertig und die Aufträge schon vergeben, doch verhinderte der Ausbruch des 1. Weltkrieges die tatsächliche Bauausführung. Die Schwierigkeiten der Zwischenkriegszeit und der 2. Weltkrieg machten eine Realisierung unmöglich.

In der Zeit des Ständestaates stellte sich die Frage der Einbindung der Kammerorganisation in das Schema der nach Hauptberufsgruppen gegliederten Bünde. Auch lebte vereinzelt wieder der Gedanke auf, die einzelnen Sektionen der Kammer völlig zu trennen und zu verselbstständigen. Im Winter 1935/36 wurde die bisherige Kammerorganisation durch die „Oberösterreichische Landeskammer für Industrie, Gewerbe, Handel, Verkehr und Finanzen“ ersetzt. Mit dem Handelskammergesetz vom 30. Juni 1937 wurden die bisher selbstständigen Fachorganisationen in die Kammerorganisation einbezogen.

Nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich wurde die „Oberösterreichische Landeskammer für Industrie, Gewerbe, Handel, Verkehr und Finanzen” in eine „Industrie- und Handelskammer“ umgewandelt, die spätere „Gauwirtschaftskammer“, der eine „Handwerkskammer“ angeschlossen war.

Autor: Roman Sandgruber