Das Kapitel widmet sich der Zeit der beginnenden Reformation, als Wolfgang IV. Jörger und seine Frau Dorothea auf Schloss Tollet herrschten.
Wolfgang, der hoch in der Gunst Kaiser Maximilians stand, war mit Schloss Köppach und seit 1514 auch mit dem Schloss Tollet belehnt. Geschickt wusste er seinen Besitz zu vermehren und fungierte als Bankier des Adels und des Kaisers. Als Kämmerer und Truchsess von Kaiser Maximilian I. zählte er zu Lebzeiten des Kaisers zu dessen Begünstigtem und wurde schließlich – gegen den Willen des Herrenstands – zum „Hauptmann ob der Enns“ ernannt, obwohl er "nur" dem Ritterstand angehörte.
Der Konflikt mit dem Herrenstand jedoch führte nach dem Tode Kaiser Maximilians I. zur Absetzung Wolfgang IV. Jörger im Jahre 1521 durch Kaiser Ferdinand I., dem es letztlich aber gelang, die beiden Streitparteien zu besänftigen und Wolfgang in Wien in den Hofrat zu berufen. Wolfgang IV. Jörger starb schon kurze Zeit später im Jahre 1524.
Wolfgangs Frau Dorothea war die Tochter Hans Ramings, des kaiserlichen Burghauptmannes zu Bruneck in Tirol. Nach dem Tode Wolfgangs kümmerte sich Dorothea um ihre sechs gemeinsamen Kinder und da sie schon längere Zeit die Verfallserscheinungen des katholischen Glaubens kritisch beäugte, legte sie maßgeblich den Grundstein der religiösen Überzeugung der Jörger.
So wollten Dorothea und ihr Sohn Christoph II, die beide mit Martin Luther in Briefkontakt standen, die Verbreitung der protestantischen Glaubenslehre in Österreich auch allgemein unterstützen. Ein auf ihr Gesuch von Luther entsandter Prediger - Michael Stifel - wurde zum ersten Prädikanten in Oberösterreich.
Michael Stifel, der auch einer der bekanntesten Mathematiker seiner Zeit war, stand im Briefkontakt zu Leonhard Kaiser/Lienhart Keyser, der in Waizenkirchen als Pfarrvikar wirkte und seit etwa 1524 Luthers Lehre verbreitete. Kaiser wurde angezeigt und inhaftiert - er widerrief und leistete einen Eid, die Lehre Luthers nicht mehr zu verbreiten, konnte sich aber aus Gewissens- und Glaubengründen letztlich nicht daran halten. Nach seiner Rückkehr ins bayerische Innviertel wurde er neuerlich verhaftet und zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt.
Der Wunsch ein Exempel zu statuieren schlug gänzlich fehl. Anstatt die Protestanten abzuschrecken, liefen nun immer mehr Menschen der neuen Lehre zu und sahen in Kaiser einen Märtyrer für den Glauben.
Autoren: Irene und Christian Keller, 2010
Die Jörger von Tollet und ihre Zeit. Glaube, Macht und Untergang eines protestantischen Adelsgeschlechtes - Dokumentation zur Sonderausstellung im Schloss Tollet im Zuge der OÖ. Landesausstellung 2010.