Die Sage:
Die unterirdischen Gänge von Tollet

DIE SAGE: Die unterirdischen Gänge von Tollet
DIE WAHRHEIT: Erdställe, rätselhafte Anlagen aus der Besiedlungszeit

Aus: Adalbert Depiny: Oberösterreichisches Sagenbuch, 1932
Von Gallspach ging ein unterirdischer Weg nach Schlüsselberg und St. Valentin in der Gemeinde Pichl. Überhaupt waren die festen Schlösser der Gegend wie Tollet und Parz durch solche Gänge verbunden.

Diese Sagen gibt es nicht nur von den Schlössern in der Umgebung Grieskirchens, sondern von unzähligen, ja fast von allen Schlössern nicht nur in Oberösterreich sondern auch in vielen Teilen Europas.

Die Wahrheit
Die Wahrheit ist, dass es sich bei diesen Gängen, die der Sage nach oft auch von Bauernhaus zu Bauernhaus oder von einer Kirche irgendwohin führen, nicht um Verbindungsgänge handelt, sondern um lauter einzelne Anlagen, die zwar einen Eingang, aber meist keinen anderen Ausgang hatten. Vermutlich befanden sich solche rätselhaften Gänge sowohl unter Schloss Parz und auch unter Schloss Schlüsselberg sowie unter Schloss Tollet. Sicher weiß man, dass in näherer Umgebung des Schlosses vier Erdställe vorhanden waren oder sind, vermutlich gibt es aber noch weit mehr von ihnen, die nur noch auf ihre Entdeckung warten.

Der Name Erdstall hat nichts mit einem Viehstall zu tun, in ihm steckt, wie in "Burgstall", das mittelhochdeutsche Wort "stal", das Stelle bedeutet. Es waren also Stellen, Orte in der Erde. In manchen Gegenden werden sie als "Schratzellöcher" bezeichnet. Es sind von Menschenhand geschaffene Höhlen, mit einer Länge von meistens 30 bis 40 Metern.

Die wichtigsten Merkmale der Erdställe
Sie stehen meist in Verbindung mit Häusern, Kirchen oder Schlössern oder zumindest mit deren ehemaliger Lagestelle. Sie wurden nach einem bestimmten System angelegt, dennoch ist jeder Erdstall ein Unikat, mit speziellen Besonderheiten. Gemeinsam ist ihnen meist ein Einstiegsschacht, der senkrecht in die Tiefe führt, niedere Gänge, die man gebückt passieren muss, Kriechgänge und enge Schlupflöcher. Die Engstellen sind das typische Merkmal für einen Erdstall. Ist keine solche vorhanden, so handelt es sich um eine andere Art von künstlicher Höhle, z. B. um einen Keller oder einen Stollen. Viele Erdställe besitzen eine oder auch mehrere Kammern, manche verfügen über Rundgänge. Fast überall findet man Sitznischen, Sitzbänke und Lampennischen. Es gab auch Luftröhren mit 6 cm bis 18 cm Durchmesser. Verschlussvorrichtungen waren aus Stein oder Holz, in vielen anlagen fand man Bauschächte.  
Das Alter der Erdställe war lange umstritten. Von den Steinzeitmenschen über die Kelten und Römer waren fast alle Völker im Verdacht, diese Anlagen gebaut zu haben. Der Bau der typischen Erdställe wird heute in die Zeit der Besiedlung, um das Jahr 1000, datiert. Oft stehen sie in Zusammenhang mit mittelalterlichen Wehranlagen und Kirchen oder sehr alten Bauernhöfen.

Auch die in den Erdställen um Tollet gemachten Funde ermöglichen eine Einordnung der Erdställe etwa in die Zeit zwischen 1100 und 1350. Scheinbar rodete man die Wälder, machte die Äcker des neuen Landes urbar, baute Befestigungsanlagen, Kirchen, Bauernhöfe und  gleichzeitig legte man Erdställe an.

Autoren: Irene und Christian Keller, 2010

Die Jörger von Tollet und ihre Zeit. Glaube, Macht und Untergang eines protestantischen Adelsgeschlechtes - Dokumentation zur Sonderausstellung im Schloss Tollet im Zuge der OÖ. Landesausstellung 2010.