Wie man einen Erdstall baut
Ein Versuch in Tollet

Konsulent Josef Weichenberger wagte sich 1985 an einen äußerst interessanten Versuch, der viele neue Erkenntnisse über Erdställe bringen sollte. Nachdem man im Vergleich mit mittelalterlichen Bergbaumethoden, dem Bau römischer Katakombenanlagen und Höhlenwohnungen verschiedene Erkenntnisse über die Möglichkeiten zum Bau eines Erdställes und über die möglicherweise vorhandenen Werkzeuge gewonnen hatte, wollte man eine Versuchserdstall graben. Als geeigneten Platz dafür suchte man Tollet aus. Ganz in der Nähe des Fundortes des Wiesinger Erdstalles begann man am 15. Juni 1985 mit den Arbeiten, an denen sich auch Franz Wiesinger, der Grundbesitzer, beteiligte. Das Material, mit dem die Erdstallbauer es zu tun hatten war Schlier, ein sehr festes und hartes Material. Gearbeitet wurde hauptsächlich mit Schlägl und Eisen, bzw. mit einer Keilhaue.
Nach dem ersten, anstrengenden 8 Stunden- Tag war der Gang erst einige Zentimeter tief. Beim zweiten Versuch arbeitete das Team schon mit mehr System und hatte auch schon etwas Übung in der Handhabung der ungewöhnlichen Werkzeuge. Das Team mit Schlägel und Eisen schlug terrassenförmig das Erdreich ab. Die mit den Keilhauen Arbeitenden dagegen hieben eine senkrechte Rinne ein, die dann breiter ausgeschlagen wurde.

Der Versuch zeigt, dass im harten Schlier der Vortrieb mit Schlägel und Eisen besser funktionierte. An einem Tag mit 10 Arbeitsstunden kam man etwa 15 bis 20 Zentimeter voran. In einer Woche hätte man so einen Meter Gang geschafft. Die Arbeit war äußerst kraftraubend, man musste gebückt arbeiten und die Luft war zum Teil schlecht. Nach zwei Metern schlug das Bauteam eine Lichtnische in die Wand. Als Beleuchtungskörper verwendete man eine Original- Tonlampe aus dem 13. Jahrhundert. Der Teil der Lampe mit dem Docht sah aus der Wand hervor und leuchtete ihn gut aus, was die weiteren Arbeiten erheblich erleichterte. Die kleinen Nischen, die sich immer wieder in Erdställen finden, dürften daher genau diesem Zweck gedient haben.
Die stündliche Menge des Abraumes der entstand, beträgt bei einem 1,40 Meter hohen Gang 15 dm, das sind ca. 1 ½ Füllungen eines 10 l Kübels. Diese Menge konnte man im weiteren Verlauf des Ganges durch den Bauhilfsschacht nach außen schaffen.
Schwierig war, die Richtung des Ganges beizubehalten, vielleicht entstand dadurch der manchmal schlangenlinienförmige Verlauf oder der Richtungswechsel in Erdställen.

In weicherem Material als dem Schlier ging der Erdstallbau natürlich schneller vor sich, die Erdställe in der Umgebung Tollets sind aber alle aus Schlier herausgearbeitet, ihre Bauzeit dürfte also dementsprechend lang gedauert haben.

Autoren: Irene und Christian Keller, 2010

Die Jörger von Tollet und ihre Zeit. Glaube, Macht und Untergang eines protestantischen Adelsgeschlechtes - Dokumentation zur Sonderausstellung im Schloss Tollet im Zuge der OÖ. Landesausstellung 2010.