Die Wahrheit:
Balthasar Ganglmayr

STANDPUNKT: "Das Stehlen ist halt durch meine Liederlichkeit und weilen ich gern mit liederlicher Gesellschaft ins Tanzen und Kögelscheiben gangen bin, verursacht worden. Auch war halt der Lohn gar gering."

Balthasar Ganglmayr, Sohn des Sebastian Ganglmayr vom Angermaiergut in Niederunterstetten, 32 Jahre alt, wurde von einem Nachbarn, dem Reinthaler Matthias vom Schilchergut, angezeigt, der schon länger gesuchte Bleidieb zu sein. Im Mai 1739 wurde er ins Verlies des Landgerichtes Tollet, das sich im Schloss nach dem inneren Tor auf der rechten Seite befand, gesperrt und vier gütlichen Verhören durch die Grundobrigkeit unterzogen. Auch seine Brüder, der 18-jährige Matthias Ganglmayr und der 24-jährige Andree Ganglmayr, Wirt auf der Taverne zu Unterstetten, sowie deren Schwager Zacharias Hofinger wurden inhaftiert.
Balthasar versucht nicht zu leugnen. Er berichtet, dass er dreimal durch ein Gitter in das Eiserne Gewölbe des Schlosses eingedrungen sei und verschiedene Bleirohre, Eisenstangen und alte Musketenrohre gestohlen habe. Auch zwei Messingteile des Brunnens, ein Bleirohr der wertvollen herrschaftlichen Wasserkunst und eiserne Riegel von den Toren des Fasangartens habe er entwendet. Vom eisernen Rechen im Mühlbach bei der „Häzmühle“ (Steinmühle, Stein 3) habe er eine Eisenstange gestohlen, sodass die ganzen Fische davongeschwommen seien. Auch einige Bekannte habe er in den letzten 10 Jahren bestohlen, ein Vergehen, das sich allerdings als verjährt herausstellen sollte.
Nach seinen Motiven für die Diebstähle des Bleis und Eisens gefragt, meinte er, er habe es dem Weizhofer, einem Handelsmann in Neumarkt verkauft, damit dieser es dem Kaiser aufheben solle, der daraus Kugeln für seine Soldaten im Türkenkrieg gießen könne. Auch sei sein Lohn in der herrschaftlichen Bestandsbleicherei in der Tolleterau sehr gering gewesen und er sei doch so gerne zum Tanzen und Kegelscheiben gegangen.

Die Akten der Verhöre wurden nach Linz geschickt, wo zwei Advokaten das Urteil fällten. Nach der oberösterreichischen Landgerichtsordnung waren 25 fl. die Grenze bei Diebstahl, unter der man von der Todesstrafe absehen konnte, der Schätzwert des durch Balthasar gestohlenen Gutes betrug das Doppelte, auch wenn er bei weitem diesen Preis beim Verkauf nicht erzielt hatte. So unterschrieb der Land- und Bannrichter Dr. Kirchstetter das Todesurteil.

Am Gerichtsplatz von Tollet wurde extra ein Galgen errichtet, der Freimann (Scharfrichter) Bonifaz Sindhöringer reiste an, um den Verurteilten zu hängen. Viele Menschen kamen zur Hinrichtung am 26. November 1739, Balthasar war bei den meisten beliebt gewesen. Allgemein hatte man gerechnet, dass er wegen seines freimütigen Geständnisses der Hinrichtung entgehen würde. Besonders betroffen waren die Menschen, dass Balthasar vom Galgen am Tidmasberg aus im Tal unten seinen elterlichen Hof sehen konnte.

Balthasars Brüder und sein Schwager, die bei den Einbrüchen dabei gewesen waren oder Diebsgut verkauft hatten, hatten mehr Glück. Sie unterschritten bei ihren Vergehen die Grenze von 25 fl. oder sogar von 10 fl. und kamen so mit einer Strafe durch die Grundherrschaft davon.

Autoren: Irene und Christian Keller, 2010

Die Jörger von Tollet und ihre Zeit. Glaube, Macht und Untergang eines protestantischen Adelsgeschlechtes - Dokumentation zur Sonderausstellung im Schloss Tollet im Zuge der OÖ. Landesausstellung 2010.