Die Sagen
Von der Sage zur Wahrheit

Bei der Sage vom Silberlöffel handelt es sich um ein Wandermotiv, sie wird in leicht veränderter Form auch an anderen Orten erzählt. Manchmal lässt sich auch dort ein historischer Hintergrund feststellen.

Mehrere Faktoren trugen dazu bei, dass aus dieser wahren Begebenheit eine Sage wurde. In der Sage des zu Unrecht Verurteilten zeigt sich sicherlich das andere Rechtsbewusstsein des einfachen Volkes, das sich mit einem der ihren solidarisierte und ihn zum Helden machte, auch wenn man vielleicht noch wusste, dass er ein Dieb gewesen war. Auch  trug sich der Prozess um Balthasar Ganglmaier zu einer Zeit des Umbruches im Rechtsverständnis zu. Jahre später sollte unter Joseph II. die Todesstrafe verhängt werden und schon zur Zeit der letzten Hinrichtung empfand man die Strafe als zu streng und damit also als ungerecht. Dieser Gedanke verdichtete sich dann zu der Tradierung der tatsächlichen Unschuld des Gehängten. Auch hatte man in der Umgebung Tollets wohl gewusst, wer das Blei gestohlen hatte, viele hatten sich durch Hehlerei mitschuldig gemacht. Matthias Reinthaler vom Schilchergut aus Unterstetten, der Balthasar anzeigte, wurde daher vom Volk als Verräter gesehen und in der Sage gleich zu einem grundlosen Verleumder gemacht. Besonders zur Mythenbildung dürfte auch die Tatsache beigetragen haben, dass man vom Galgen tatsächlich auf das Elternhaus des Hingerichteten in Unterstetten sehen konnte und dies die Menschen, die sowieso schon von dem harten Urteil erschüttert waren, noch mehr verstörte.

Autoren: Irene und Christian Keller, 2010

Die Jörger von Tollet und ihre Zeit. Glaube, Macht und Untergang eines protestantischen Adelsgeschlechtes - Dokumentation zur Sonderausstellung im Schloss Tollet im Zuge der OÖ. Landesausstellung 2010.