Rechtssprichwörter sind eine Sonderform der Sprichwörter in vollständigen Sätzen. Die ursprüngliche Bedeutung im Zusammenhang mit dem Recht ist verblasst. Die Sprichwörter haben daher oft ihren ursprünglichen Sinn verloren und beziehen sich auf grundsätzliche Werte und das Weltbild. Die Sprichwörter gehen auf eine (historische) Rechtsregel zurück.
Autorin: Ingeborg Geyer
Rechtssprichwörter | Bedeutung | Herkunft |
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Aller guten Dinge sind drei. | bildhaft für glückliche Zusammentreffen oder mehrmalige Anläufe, eine Sache zu erledigen | die Zahl drei bezieht sich auf: drei feste Gerichtstermine im Jahr, dreimal wird eine Partei geladen, wenn sie beim dritten Mal nicht da ist, tritt Säumnis ein, dreistufige Erhöhung Richterstuhl, Pranger |
Der Daumen ist eine Drittelhand, die Hand ein halbes Leben. | bildhaft für die Wichtigkeit der Unversehrtheit der Gliedmaßen | Leibesstrafe im mittelalterlichen Recht; die Verstümmelung erfolgte oft in Analogie zur Straftat = Spiegelstrafe |
Briefe sind besser als Zeugen. | schriftliche Zeugnisse haben mehr Rechtswirksamkeit als Zeugenaussagen | |
Gelegenheit macht Diebe. | leichtsinniger Umgang mit beweglichem Eigentum ist fahrlässig (und mindert heute den Versicherungsschutz) | |
Wo kein Kläger, da kein Richter. | bildhaft für Streitbeilegung ohne Gerichtsverfahren | ältere Rechtsordnungen wie z. B. der Sachsenspiegel verbieten es dem Richter, ohne Klageerhebung einen Prozess einzuleiten (siehe auch: auf frischer Tat ertappen) |
Gnade geht vor Recht. | sinnbildlich für Begnadigung | bezieht sich auf das Richten nach Gnade bzw. das Gnadenbitten im älteren deutschen Strafrecht |
Recht muss Recht bleiben. | bildhaft für die Unumstößlichkeit der Gesetze: allgemeiner Rechtsgrundsatz | |
Recht haben und Recht kriegen sind zwei Paar Schuhe. | über die Subjektivität/Objektivität der Gerichtsbarkeit und der Rechtsauslegung | |
Recht haben ist nicht immer Recht kriegen. | über die Subjektivität/Objektivität der Gerichtsbarkeit und der Rechtsauslegung | |
Alte Gewohnheit ist stärker als Brief und Siegel. | die älteren Rechtssordnungen beruhen auf dem Gewohnheitsrecht | |
Fürs Denken kann man niemanden henken. | Gedanken sind frei | ohne die reale Erfüllung der Tatbestandsmerkmale keine Verurteilung |
Wer kein Geld hat, zahlt mit der Haut. | nur der Reiche kann es sich richten | Geldstrafe anstelle einer Körper- und Leibesstrafe: „zweigeleisiges Strafrecht“ |
Stiehlst du nicht, so hängst du nicht. | man hat nichts zu befürchten, wenn man sich nichts zu Schulden kommen lässt | die traditionelle Strafe für schweren Diebstahl war Hängen (Opfer an den Windgott) |
Man muss beide Seiten hören. | Kläger und Beklagter haben gleiche Anhörungsrechte |
Autoren: Ingeborg Geyer und Gernot Kocher
Schande, Folter, Hinrichtung. Rechtsprechung und Strafvollzug in Oberösterreich. Ausstellung der OÖ. Landesmuseen im Schlossmuseum Linz und Mühlviertler Schlossmuseum Freistadt vom 8. Juni bis 2. November 2011.