Sprichwörtliche
Redewendungen

Im Gegensatz zum Sprichwort kann die Redensart im Satz verändert und vervollständigt werden. Der direkte Bezug zur Rechtsregel ist verloren gegangen und der ursprüngliche Sinn verdunkelt, nur der Kernbegriff ist noch in Beziehung zur Rechtspraxis. Die Redensarten beziehen sich auf Tatbestand und Strafverfolgung oder auf Praktiken des Strafvollzugs.

Autorin: Ingeborg Geyer


Redewendungen Bedeutung Herkunft
jemanden an den Pranger stellen, jemanden anprangern jemanden bloß stellen, beschuldigen mittelalterlicher Strafvollzug bei Ehr- und Schandstrafe
jemanden mit Schimpf und Schande davonjagen jemanden mit Hohn und Spott vertreiben mittelalterlicher Straffvollzug: z. B. Tragen einer Schandmaske, die die Tat widerspiegelt, oft mit der Ausweisung aus der Stadt verbunden
jemandem die Ehre abschneiden jemanden verleumden Ehrenstrafe in der Volksjustiz: dem Verleumder wurde das lange Gewand abgeschnitten bzw. der Verleumderin die Haare
für jemanden die Hand ins Feuer legen für jemandes Ehre, Redlichkeit bürgen bildhaft nach den mittelalterlichen Gottesurteilen, bei denen der Beschuldigte seine Unschuld beweisen konnte, wenn seine Hand nicht verbrannte oder die Wunden schnell wieder heilten
die Daumenschrauben ansetzen jemanden unter Druck setzen bildhaft nach der mittelalterlichen Folterpraxis
Spießruten laufen müssen sich neugierigen, kritischen bzw. spöttischen Blicken aussetzen müssen ursprünglich römische Militärstrafe, bei der ein Mörder durch eine Doppelreihe von Soldaten laufen musste, die mit Spießen nach ihm stachen; seit dem 17. Jh. übliche Militärstrafe, der Verurteilte lief mit entblößtem Oberkörper durch eine von Soldaten gebildetet Gasse und wurde von ihnen mit Ruten blutig geschlagen.
auf Nadeln sitzen ungeduldig sein Form der Folter: Sitzen auf einem Sessel mit Metallspitzen
auf die Folter spannen im Ungewissen lassen bildhaft nach der mittelalterlichen Folterpraxis
unter den Nägeln brennen ganz dringlich sein bildhaft nach der mittelalterlichen Folterpraxis, durch auf die Fingerspitzen gelegte glühende Kohlen ein Geständnis zu erreichen
auf glühenden Kohlen sitzen ungeduldig sein bildhaft nach den mittelalterlichen Gottesurteilen, bei denen der Beschuldigte seine Unschuld beweisen konnte, wenn seine Hand nicht verbrannte oder die Wunden schnell wieder heilten; tatsächlich eigentlich nur Gehen über glühende Kohlen = Feuerordal
etwas auf die lange Bank schieben bzw. in die lange Truhe legen etwas unerledigt lassen nach der Kammergerichtspraxis, wo die Akten auf einer Bank aufgereiht lagen und die Rückreihung eine Erledigungsverzögerung bedeutete
über jemanden den Stab brechen jemanden verurteilen, sich über jemanden eine unwiderrufliche Meinung bilden im mittelalterlichen Recht brach der Richter nach der Verkündigung des Todesurteils seinen Richterstab
kurzen Prozess machen etwas schnell und unbürokratisch erledigen auf die Länge von Gerichtsverfahren bezogen: seit dem Mittelalter gibt es verschiedene verkürzte Verfahrensformen
zum Kadi laufen vor Gericht gehen zu arab. qadi Richter
jemandem einen Strick drehen jemanden in eine gefährliche Sache, die strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann, verwickeln auf das Todesurteil bezogen: Hinrichtung durch Erhängen
jemandem die Schlinge um den Hals legen jemanden der Unaufrichtigkeit überführen bildlich auf die Hinrichtung durch Erhängen bezogen
jemanden einen Kopf kürzer machen jemanden sehr beschimpfen bzw. durch Vorwürfe einschüchtern auf das Todesurteil durch Hinrichtung mit dem Schwert bezogen
jemanden über die Klinge springen lassen jemanden verraten auf das Todesurteil durch Hinrichtung mit dem Schwert bezogen
jemanden piesacken jemanden quälen mittelalterlicher Strafvollzug: Auspeitschen mit einem Piesack (= Ochsenziemer)
jemanden auf frischer Tat ertappen scherzhaft: jemanden bei einer Tätigkeit überraschen die LGO erlaubte Verhaftungen nur, wenn der Täter bei der Tat oder auf der Flucht erwischt wurde bzw. wenn genügend Indizien vorhanden waren
sich gerädert fühlen sich körperlich erschöpft fühlen bildhaft nach der mittelalterlichen Strafpraxis: Brechen der Knochen mit dem Rad und Aufspannen auf das Rad
jemanden zu Tode schinden jemanden sehr schlecht behandeln, misshandeln, ausbeuten auf die Leibes-/Todesstrafe bezogen, dem Verurteilten die Haut bei lebendigem Leib abzuziehen
jemanden brandmarken jemanden öffentlich bloßstellen mittelalterlicher Straffvollzug: Einbrennen des Stadtzeichens und des Sinnbilds seiner Tat, z. B. Münze (Falschmünzer), oft mit der Ausweisung aus der Stadt verbunden. Brandmarken wurde dann verwendet, wenn die angedrohte Körperstrafe nicht vollzogen wurde, etwa bei Ablöse durch Geld, bei Wiederholung leichte Erkennbarkeit und dann tatsächlicher Vollzug; manchmal auch Brandmarkung im Gesicht mit entsprechenden sozialen Folgen
ein Schlitzohr sein ein gefinkelter Mensch, ein Schelm sein mittelalterlicher Strafvollzug ?
jemandem etwas einbläuen jemandem etwas eindringlich mitteilen mittelalterlicher Strafvollzug: Auspeitschen mit einem Pleuel (= Holzprügel)
den Kopf aus der Schlinge ziehen bildlich für gute Ausreden finden auf das Todesurteil durch Hinrichtung durch Erhängen bezogen
eine Galgenfrist haben scherzhaft: noch kurze Zeit für eine bestimmte Tätigkeit haben auf die Frist zwischen Verurteilung und Vollstreckung bezogen
eine Henkersmahlzeit bekommen scherzhaft: noch einmal ein gutes Essen serviert bekommen auf die letzte Mahlzeit, die dem zum Tode Verurteilten serviert wird
ein heißes Eisen anfassen eine unangenehme, gefährliche Tätigkeit aufgreifen bzw. ein kontroversielles Thema anschneiden bildhaft nach den mittelalterlichen Gottesurteilen, bei denen der Beschuldigte seine Unschuld beweisen konnte, wenn seine Hand nicht verbrannte oder die Wunden schnell wieder heilten
Fersengeld geben heimlich verschwinden,feige davonlaufen aus der mittelalterlichen Rechts-sprache: Bußgeld , Entschädigungs-geld zahlen für rechtswidriges Verlassen
den Schelm im Nacken haben durchtrieben, gefinkelt sein mittelalterlicher Strafvollzug: z. B. Tragen einer Schandmaske, die die Tat widerspiegelt, oft mit der Ausweisung aus der Stadt verbunden
die Feuerprobe bestehen bildhaft nach den mittelalterlichen Gottesurteilen, bei denen der Beschuldigte seine Unschuld beweisen konnte, wenn seine Hand nicht verbrannte oder die Wunden schnell wieder heilten
einen Freibrief besitzen ein Privileg auf etwas Bestimmtes haben kein Eingriff fremder Richter, aber auch Freiheit von Einquartierung und Steuer (Freihäuser in Städten)
seine Haut zum Schinder tragen sich unangenehmen Vorkommnissen aussetzen bezogen auf die mittelalterliche Leibesstrafe des Auspeitschens
die reinste Heimsuchung eine glatte Verführung, Eintreffen eines sehr unangenehmen Vorkommnisses mhd. heimsuoche das feindliche Eindringen in ein Haus, Hausfriedens-bruch
etwas auf seinen Buckel nehmen Verantwortung übernehmen Haftung für jemanden übernehmen
für jemanden seinen Buckel hinhalten Verantwortung übernehmen Haftung für jemanden übernehmen
jemandem einen Denkzettel verpassen "Gedenkzettel" war die schriftliche Übermittlung der Klage oder Vorladung zu Gericht
jemanden bis aufs Blut quälen bezogen auf mittelalterliche Foltermethoden oder Leibesstrafen
die Zunge herausreißen/abschneiden mittelalterlicher Strafvollzug, z. B. bei Eidbruch
jemanden zur Schau stellen für ein begangenes Delikt den Täter der Öffentlichkeit als Strafe oder Zusatzsstrafe präsentieren, oft sogar mit Musik (Abschreckung)
jemanden wassern jemandem den Kopf ins Wasser tauchen mittelalterlicher Strafvollzug des Bäckerschupfens: bei zu geringem Brotgewicht oder schlechter Brotqualität
jemanden eintunken jemandem Schaden zufügen, jemanden verleumden mittelalterlicher Strafvollzug des Bäckerschupfens: bei zu geringem Brotgewicht oder schlechter Brotqualität
jemandem eine peinliche Frage stellen jemandem eine unangenehme Frage stellen Anwendung der Folter: die peinliche Frage zur Erzielung eines Geständnisses anwenden

Autoren: Ingeborg Geyer und Gernot Kocher

Schande, Folter, Hinrichtung. Rechtsprechung und Strafvollzug in Oberösterreich. Ausstellung der OÖ. Landesmuseen im Schlossmuseum Linz und Mühlviertler Schlossmuseum Freistadt vom 8. Juni bis 2. November 2011.