Das Linzer Programm von 1926 und der Korneuburger Eid von 1930
Zwei zutiefst ideologisch geprägte Druckwerke formen die politische Debatte der Zwischenkriegszeit: Der nur eine Seite umfassende Korneuburger Eid der niederösterreichischen Heimwehr, welcher kurz, prägnant und eindeutig antidemokratisch ist – „Wir verwerfen den westlichen demokratischen Parlamentarismus und den Parteienstaat!“ – und das Linzer Programm, welches anlässlich des gesamtösterreichischen Parteitages der Sozialdemokratie im Linzer Volksgartensaal publiziert wird. Es bejaht vor dem Hintergrund marxistischer Wirtschaftstheorie und in der Überzeugung, dass der Arbeiterklasse die führende Position im Staatswesen zukommen werde, in fünf Kapiteln die bestehende, pluralistische Demokratie. Kapitel I und II befassen sich mit der Theorie des Kapitalismus und des Klassenkampfes. Kapitel III, Der Kampf um die Staatsmacht, enthält zwei inkriminierende Sätze, die der Heimwehr und anschließend der Regierung Dollfuß als Vorwand zur Ausschaltung der Sozialdemokratie dienen können. Sie sind konditional (= für den Fall, dass …) formuliert:
„Wenn es aber trotz allen diesen Anstrengungen der sozialdemokratischen Arbeiterpartei einer Gegenrevolution der Bourgeoisie gelänge, die Demokratie zu sprengen, dann könnte die Arbeiterklasse die Staatsmacht nur noch im Bürgerkrieg erobern.“
„Wenn es aber trotz allen diesen Anstrengungen der sozialdemokratischen Arbeiterpartei einer Gegenrevolution der Bourgeoisie gelänge, die Demokratie zu sprengen, dann könnte die Arbeiterklasse die Staatsmacht nur noch im Bürgerkrieg erobern.“
„Wenn sich aber die Bourgeoisie gegen die gesellschaftliche Umwälzung, die die Aufgabe der Staatsmacht der Arbeiterklasse sein wird, durch planmäßige Unterbindung des Wirtschaftslebens, durch gewaltsame Auflehnung, durch Verschwörung mit ausländischen gegenrevolutionären Mächten widersetzen sollte, dann wäre die Arbeiterklasse gezwungen, den Widerstand der Bourgeoisie mit den Mitteln der Diktatur zu brechen.“
Wesentlich weniger bekannt sind die Kapitel IV und VI. Letztere behandeln den Übergang von der kapitalistischen in die sozialistische Gesellschaftsordnung und die sozialistische Internationale. Das Kapitel IV handelt von den nächsten konkreten Aufgaben der Parei, darunter viele, die 80 Jahre später noch diskutiert werden:
Abschaffung des Bundesstaates zu Gunsten einer demokratischen Lokalverwaltung |
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Wahl von Richtern durch das Volk |
Asylrecht für politische Flüchtlinge |
Eine Aufhebung internationaler Schutzzölle |
Beseitigung bürokratischer Hindernisse |
Ausbau des Mieterschutzes |
Verstärkung staatlicher Einflüsse zur Bekämpfung von Monopolen |
Gemeinnütziger Wohnungsbau |
Abbau von Verbrauchsteuern, Schaffung steuerfreier Minima, dagegen Ausbau eines progressiven Steuersystems |
Betriebliche Mitbestimmungsrechte |
Ausbau der sozialen Sicherungssysteme |
Gleichberechtigung der Frauen |
Aufklärung über und Bereitstellung von Verhütungsmethoden durch die Krankenkassen |
Schutz von Schwangeren |
Unentgeltlichkeit und Demokratisierung des Schulwesens |
Ausdehnung der Schulpflicht, Schülerhöchstzahlen |
Förderung Begabter aller Klassen beim Besuch höherer Schulen |
Religionsfreiheit (Betrachtung von Religion als Privatsache) |
Aber: Bekämpfung autoritärer religiöser Institutionen |
Völlige Trennung von Kirche und Staat |
Förderung von Volkssport und Volksbildung |
Quelle: www.marxists.org/deutsch/geschichte/oesterreich/spoe/1926/linzerprog.htm
Aufstrebender Nationalsozialismus
In der Bevölkerung genießen nicht nur die bereits etablierten Parteien Sympathien, sondern zunehmend auch die Nationalsozialisten. Auffällig werden die Nationalsozialisten zunächst hauptsächlich durch Aufmärsche und Terrorakte.
Der Rest ist Österreich. Geschichte der Republik - Dokumentation zur Ausstellung im Nordico. Museum der Stadt Linz vom 3. Februar-18. April 2010