1918–1938

Schweiz
Die Schweiz hält während des Ersten Weltkrieges einen neutralen Kurs. Nach Kriegsende beteiligt sie sich an humanitären Hilfsaktionen für hungernde Kinder in Wien, aber auch an internationalen Kreditaktionen zur Sanierung der österreichischen Wirtschaft. In Vorarlberg wird im Mai 1919 eine Volksabstimmung zur Einleitung von Verhandlungen über den Anschluss des Landes an die Schweiz abgehalten – über 80 Prozent sprechen sich dafür aus. Die Schweiz zeigt allerdings kein Interesse an solchen Bestrebungen. Sie befürchtet eine Störung des Gleichgewichts zwischen Sprachen und Religionen im eigenen Land. Später steht ein Anschluss an die Schweiz nicht mehr zur Diskussion. Das Modell der international garantierten Neutralität der Schweiz wird bereits in der Zwischenkriegszeit als mögliches Vorbild für Österreich diskutiert.

Tschechoslowakei
Am 28. Oktober 1918 wird in Prag die Tschechoslowakei gegründet. Der Vertrag von Saint-Germain-en-Laye legt die neuen Grenzen zu Österreich fest: Sie entsprechen etwa den historischen Grenzen der böhmischen Länder. Innerhalb der tschechoslowakischen Staatsgrenzen leben damit neben den knapp zehn Millionen Tschechen und Slowaken über drei Millionen Deutsche. Der Vertrag von Lana (1921) enthält die gegenseitige Anerkennung der Grenzen zwischen Österreich und der Tschechoslowakei. Dies ermöglicht eine Annäherung, an der Österreich vor allem aus wirtschaftlichen Gründen interessiert ist und die in der Tschechoslowakei auf Zustimmung stößt, weil sie am Status quo in Mitteleuropa festhalten möchte. Versuche, die Staaten Mitteleuropas wirtschaftlich wieder stärker miteinander zu verbinden (Tardieu-Plan), scheitern.

Jugoslawien
Jugoslawien entsteht am 1. Dezember 1918 als Königreich SHS (Serben, Kroaten und Slowenen) unter serbischer Oberhoheit – ab 1929 Königreich Jugoslawien. Auf seinem Territorium leben laut der Volkszählung von 1921 mindestens 500.000 Personen, die Deutsch als ihre Muttersprache angeben. Umgekehrt gibt es in Österreich eine slowenische Volksgruppe. Das Verhältnis der beiden Staaten zueinander wird davon stark beeinflusst. Durch die Grenzziehung 1919 wird ein aufeinander abgestimmter Wirtschaftsraum durchtrennt. Sowohl Österreich als auch das Königreich SHS verlieren wichtige Absatzmärkte. Erst in den 1920er Jahren wird mittels Handelsverträgen und Zollerleichterungen versucht, die alten Märkte wieder zu erschließen. Außenpolitisch bildet Jugoslawien mit der Tschechoslowakei und Rumänien die Kleine Entente. Diese orientiert sich an Frankreich.

Ungarn
Nach dem Zerfall der Habsburgermonarchie wird Ungarn zunächst Republik, unter Béla Kun vorübergehend eine kommunistische Räterepublik und schließlich zu einem autoritär geführten Staat unter dem Reichsverweser Miklós Horthy. Im Frieden von Trianon verliert Ungarn 1920 zwei Drittel seines Staatsgebiets, darunter das westungarische Burgenland mit Ausnahme von Ödenburg/Sopron. Die Beziehungen zwischen Österreich und Ungarn normalisieren sich rasch. 1934 wird durch die Römischen Protokolle mit Italien und Österreich die Zusammenarbeit auf eine vertragliche Grundlage gestellt. Die ungarische Außenpolitik zielt auf eine Revision des Vertrages von Trianon ab, womit sie auf Konfrontationskurs zur Kleinen Entente geht.

Italien
Nach Kriegsende werden Italien unter anderem Südtirol und das Kanaltal bis Pontafel/Pontebba zugesprochen. Die Italienisierung dieser Gebiete führt zu Konflikten mit Österreich, die jedoch von wirtschaftlichen und (sicherheits-)politischen Interessen überlagert werden. Unter Bundeskanzler Engelbert Dollfuß wendet sich Österreich außenpolitisch Italien zu. Die Römischen Protokolle 1934 sollen eine enge politische und kulturelle Zusammenarbeit ermöglichen. Während des Juliputsches 1934 lässt Benito Mussolini Truppen am Brenner aufmarschieren. Noch will er Hitler-Deutschland nicht als Nachbarn. Ab 1936 orientiert sich die italienische Außenpolitik jedoch an Deutschland. Österreich verliert seinen Verbündeten.

Deutschland
Der Anschluss ist der zentrale Gedanke in den Beziehungen Österreichs zu Deutschland. Der Vertrag von Saint-Germain-en-Laye verbietet diesen jedoch. Trotzdem erfolgt schon in den 1920er Jahren eine schrittweise Annäherung etwa durch eine teilweise Rechtsvereinheitlichung. Eine projektierte Zollunion scheitert 1931. In Lausanne wird das Anschlussverbot 1932 bekräftigt. Ab 1933 zielt Adolf Hitlers Politik auf die Eingliederung Österreichs in das Deutsche Reich ab. Engelbert Dollfuß versucht gegenzusteuern. 1936 anerkennt Hitler formal Österreichs Unabhängigkeit, das sich aber zu einer außenpolitischen Anlehnung an Deutschland verpflichtet. Nach dem Treffen von Berchtesgaden (12. Februar 1938) erhöht Hitler den Druck auf Österreich, der einen Monat danach in den „Anschluss“ mündet.

Autoren: Stefan Karner und Lorenz Mikoletzky, 2008 (wissenschaftliche Ausstellungsleitung)

Der Rest ist Österreich. Geschichte der Republik - Dokumentation zur Ausstellung im Nordico. Museum der Stadt Linz vom 3. Februar-18. April 2010