Staatsfinanzen
Die Staatsfinanzen bewegen sich im Spannungsfeld zwischen Finanzierung des Sozialstaates und Einhaltung der Budgetdisziplin. Nach 1945 setzt die von der ÖVP geprägte Wirtschaftspolitik (Raab-Kamitz-Kurs) auf stabile Währung und ein ausgeglichenes Budget. Die Verschuldungsquote nimmt merklich ab. In den 1970er Jahren versucht die Regierung Kreisky dem „Erdölschock“ durch Einsatz des Staatshaushaltes zur Arbeitsplatzbeschaffung und Konjunkturbelebung zu begegnen. Dadurch kommt es zu einem rapiden Anwachsen des Budgetdefizits und der Staatsschuld. Seit 1999 liegt die Bundesschuld im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt konstant bei über 50 Prozent.
„Mir sind ein paar Milliarden Schilling Schulden lieber als ein paar Tausend Arbeitslose.“
Bund – Länder
Die Länder als historisch gewachsene Einheiten sind im Bewusstsein der Österreicher fest verankert. In der Ersten Republik ist der Länderpatriotismus sehr viel stärker ausgeprägt als ein überregionales Österreich-Bewusstsein. Der Gegensatz zwischen Bund und Ländern (Zentralismus/Föderalismus) ist stark ausgebildet. Nach 1945 wird er durch andere Interessen überlagert, bricht manchmal aber trotzdem auf, etwa 1964 in Vorarlberg: Ein Bodenseeschiff soll auf den Namen „Karl Renner“ getauft werden. Nach massiven Protesten der Bevölkerung wird es „Vorarlberg“ genannt. „Anti-Wien“-Aussagen von Landespolitikern sind immer wieder zu hören – oft, um die traditionell „Wien-skeptische“ Stimmung landespolitisch zu nutzen.
Vergangenheit
Die Interpretation und Aufarbeitung der jüngeren Vergangenheit beeinflusst immer wieder die Politik: die Haltung gegenüber der Monarchie, die Bewertung der Verzichtserklärung Otto Habsburgs, die Frage seiner Einreiseerlaubnis, die Affäre Borodajkewycz oder die starke Integration ehemaliger NS-Mitglieder in die großen Parteien und Partei-Vorfeldorganisationen. Die Debatte über die Rolle Kurt Waldheims als Wehrmachtsoffizier, seine Erklärung dazu und die Watchlist-Entscheidung der US-Regierung werden zur Grundsatzdiskussion über die Verantwortung der Kriegsgeneration.
Neue Themen
Die Veränderung der Gesellschaft wirft neue Themen auf. Das wachsende Umweltbewusstsein seit den 1970er Jahren wirkt sich immer mehr auf die Politik aus. Bürgerinitiativen erweitern das Spektrum der demokratischen Mittel. Aus den Protesten gegen die Atomenergie (1978 Zwentendorf) und den Bau des Donaukraftwerks bei Hainburg (1984) geht eine neue Partei – die heutigen Grünen – hervor. Große Bedeutung in der politischen Auseinandersetzung erhält durch Zuwanderung von Gastarbeitern und Aufnahme von Flüchtlingen die Integration von Ausländern. 1993 initiiert die FPÖ in dieser Frage ein stark umstrittenes Volksbegehren.
Autoren: Stefan Karner und Lorenz Mikoletzky, 2008 (wissenschaftliche Ausstellungsleitung)
Der Rest ist Österreich. Geschichte der Republik - Dokumentation zur Ausstellung im Nordico. Museum der Stadt Linz vom 3. Februar-18. April 2010