Parlament
und Regierung

Erste Wahlen
Die Wahlen zur konstituierenden (verfassungsgebenden) Nationalversammlung am 16. Februar 1919 bringen einige Neuerungen: Erstmals sind Frauen stimmberechtigt und erstmals gilt das Verhältniswahlrecht, das kleineren Parteien eine angemessene Vertretung sowie mehr Mitsprache in Körperschaften und Regierungsorganen sichern soll. Trotz der Vielzahl von politischen Gruppierungen, die sich der Wahl stellen, und trotz der Ablehnung des demokratischen Parlamentarismus durch die KPÖ bestätigt der Urnengang einen längerfristigen Trend: Die drei Parteienlager der österreichischen Reichshälfte der Monarchie bleiben im Wesentlichen erhalten. Auf die Sozialdemokraten entfallen 72 Mandate, auf die Christlichsozialen 69 Mandate und auf die früher stärkeren deutschnationalen Parteien 26 Mandate. Der Wahlkampf selbst zeigt bereits antisemitische Züge und erste Trennlinien zwischen den politischen Lagern.

Bei der ersten Wahl zur Nationalversammlung machen 84 Prozent der 3,5 Millionen Bürger Gebrauch von ihrem demokratischen Stimmrecht. Im März 1919 tritt die Konstituante zusammen, deren zentrale Aufgabe in der Ausarbeitung einer Verfassung für den neuen Staat besteht. Unter der Leitung des Staatskanzlers Karl Renner (Sozialdemokrat) und des Vizekanzlers Jodok Fink (Christlichsozialer) gelingt es, wichtige Grundlagen der Republik zu schaffen, die teilweise bis heute Gültigkeit haben.

Räte
Wie in Russland, Ungarn oder Bayern entsteht auch in Österreich eine starke Rätebewegung. Sie kümmert sich um die Alltagssorgen der Menschen. An ihren Wahlen nehmen Hunderttausende teil. Den Sozialdemokraten und den Christlichsozialen gelingt es – etwa durch das Betriebsrätegesetz – den Einfluss der kommunistischen Räte zurückzudrängen. Die Räteorganisationen gehen schließlich in der Sozialdemokratie auf.

Friedrich Adler

geb. 1879 in Wien, gest. 1960 in Zürich

geb. 1879 in Wien, gest. 1960 in Zürich
Friedrich Adler, Sohn des großen „alten Mannes“ der Sozialdemokratie Viktor Adler, gilt seit seinem Attentat auf k. k. Ministerpräsident Karl Stürgkh im Jahre 1916 als Hoffnungsträger der mit Lenin sympathisierenden Linken. Adler lehnt jedoch die Kommunisten und das „russische Modell“ ab. Von 1923 bis 1940 ist er Generalsekretär der Sozialistischen Arbeiter-Internationale.

Autoren: Stefan Karner und Lorenz Mikoletzky, 2008 (wissenschaftliche Ausstellungsleitung)

 

Der Rest ist Österreich. Geschichte der Republik - Dokumentation zur Ausstellung im Nordico. Museum der Stadt Linz vom 3. Februar-18. April 2010