Gesundheit
und Bevölkerung

Situation 1918
Nach Kriegsende herrschen katastrophale gesundheitliche Zustände: Ungenügende Hygiene, Seuchen, Unter- und Mangelernährung sowie Medikamente- und Ärztemangel senken die Lebenserwartung. Besonders hoch ist die Sterblichkeit bei Säuglingen. Tausende Kriegsversehrte, die wegen fehlender Erwerbsmöglichkeiten zum Betteln gezwungen sind, prägen das Straßenbild. Eine Virusepidemie, die „Spanische Grippe“, macht auch vor Österreich nicht Halt. Europaweit sterben daran mehr Menschen als zuvor im Ersten Weltkrieg.

Internationale Hilfe
Nach Kriegsende hungern viele Österreicher. In Wien erreicht die Ernährungskrise im Jänner und Februar 1919 ihren Höhepunkt. Österreichische Parteien und Organisationen rufen die Welt zur Hilfe auf. Ab dem Frühjahr 1919 setzen ausländische Hilfsmaßnahmen wie die amerikanische Kinderhilfsaktion ein.

Die Gesundheit als wichtigstes Gut der Republik
Die „Wiener Krankheit“ (Tuberkulose) ist die häufigste Todesursache in den ersten Jahren der Republik. Mangelerkrankungen als Folge der weit verbreiteten Unterernährung kosten unzähligen Menschen das Leben. Österreichische Ärzte, Unternehmer, Forscher und Sozialpolitiker helfen, wo es möglich ist. Ein stufenweiser Aufbau des Gesundheits- und Wohlfahrtswesens sowie die Errungenschaften der Zweiten Wiener Medizinischen Schule können die Situation in den Städten langsam verbessern.

Julius Tandler

geb. 1869 in Iglau/Jihlava, heute Tschechische Republik, gest. 1936 in Moskau

geb. 1869 in Iglau/Jihlava, heute Tschechische Republik, gest. 1936 in Moskau
Als Sozialpolitiker setzt sich Julius Tandler für den Ausbau des Fürsorgewesens, die Bekämpfung der hohen Säuglingssterblichkeit und der Tuberkulose ein. Zwischen 1919 und 1934 werden in Wien viele Kindergärten, Schulzahnkliniken und Kinderübernahmestellen eingerichtet. Er fordert aber auch die Vernichtung von „unwertem Leben“, die „Euthanasie“.

Gesundheitsversorgung
Nach 1945 beginnt Österreich mit dem Aufbau eines umfassenden Gesundheitssystems. Vor allem durch Vorsorgeuntersuchungen soll der Gesundheitszustand der Bevölkerung verbessert werden. Ein dichtes und leistungsfähiges Netz an Ärzten und Krankenanstalten wird über das ganze Land gespannt.

Gesundheit und Bevölkerung
Die großen Verluste an Menschenleben durch den Ersten Weltkrieg können in der Ersten Republik nicht ausgeglichen werden. Es kommt sogar zu einem massiven Geburtenrückgang bei gleichzeitiger Abwanderung. Zwar sind die Opferzahlen des Zweiten Weltkrieges noch größer, doch ist die Entwicklung nach diesem gegenläufig: Der Babyboom der 1960er Jahre und die zunehmende Attraktivität Österreichs als Immigrationsland fördern den Bevölkerungszuwachs. Der Anstieg seit den späten 1990er Jahren ist auf Zuwanderung zurückzuführen. Dennoch befindet sich Österreich auf dem Weg zu einer überalterten Gesellschaft.

Autoren: Stefan Karner und Lorenz Mikoletzky, 2008 (wissenschaftliche Ausstellungsleitung)

Der Rest ist Österreich. Geschichte der Republik - Dokumentation zur Ausstellung im Nordico. Museum der Stadt Linz vom 3. Februar-18. April 2010