Religionen
in Österreich

Nach dem Ende der Monarchie müssen die Religionsgemeinschaften und -gesellschaften ihre Rollen im Staat mehrmals neu definieren. Ihr Stellenwert in Staat und Gesellschaft ist seit den 1950er Jahren im Zuge der Säkularisierung der westlichen Welt merklich gesunken – ein Phänomen, von dem insbesondere die christlichen Kirchen betroffen sind. Die Zahl der Menschen ohne Bekenntnis steigt. Die Tätigkeit der Kirchen und Religionsgesellschaften ist nach wie vor von sozial-karitativen, spirituellen und missionarischen Werten geleitet. Sie verstehen sich dabei als mitgestaltende Kräfte in einer modernen Gesellschaft.

Judentum
Das Verhältnis der verschiedenen Kultusgemeinden zum Staat basiert in Österreich auf dem „Israelitengesetz“ von 1890. Während des Ersten Weltkrieges steigt im Zuge der Flüchtlingsbewegung aus Galizien die Zahl der Juden in Wien stark an. Nach 1918 bleibt das Judentum hauptsächlich auf Wien konzentriert. Die Wiener jüdische Gemeinde wird in der NS-Zeit größtenteils vernichtet – und bleibt auch in der Folge klein: Zählte sie 1938 noch 185.000 Mitglieder, so sind es heute rund 7000. Erst in den letzten Jahren steigt die Mitgliederzahl wieder geringfügig an.

Christentum
Die größten christlichen Kirchen in Österreich sind die katholische Kirche, die drei evangelischen und die orthodoxe sowie die altorientalischen Kirchen. Das Verhältnis des Katholizismus zum Staat wird durch das Konkordatsabkommen von 1960 geregelt. Es folgen 1961 das „Protestantengesetz“ und 1967 das „Orthodoxengesetz“ sowie später die Anerkennung der altorientalischen und der altkatholischen Kirche. Seit 1958 bilden die christlichen Kirchen den Ökumenischen Rat der Kirchen Österreichs.

Die römisch-katholische Kirche hat 1934 bis 1938 („christlicher Ständestaat“), insbesondere aber in der Nachkriegszeit großen Zulauf. Die absolute Zahl ihrer Mitglieder steigt bis in die 1970er Jahre stetig an. Im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung zeigt sich ein anderes Bild: Da ist der Stellenwert der katholischen Kirche in Staat und Gesellschaft bereits in den 1960er Jahren gesunken.

Die evangelische Kirche hat in der Zwischenkriegszeit regen Zulauf von der Arbeiterschaft, aber auch aus deutschnationalen Kreisen. Diese Tendenz hält noch bis in die 1950er Jahre an. Ab den 1970er Jahren sinken die Mitgliederzahlen, wenn auch weniger stark als bei der katholischen Kirche.

Die orthodoxen Kirchen zählen im Jahr 2001 rund 179.000 Mitglieder. Rund 15.000 Mitglieder hat die alt-katholische Kirche.

Islam
Der Islam ist seit 1912 als Religionsgemeinschaft anerkannt. In der Ersten Republik leben in Österreich nur einige Hundert Personen islamischen Glaubens. Sie sind im Islamischen Kulturverband organisiert. Ab den 1970er Jahren steigt die Zahl der Muslime durch Menschen, die als Gastarbeiter oder Flüchtlinge nach Österreich kommen. 1979 wird die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich gegründet. Heute ist der Islam eine der größten Religionsgemeinschaften in Österreich. Im Jahr 2006 schätzt die Islamische Glaubensgemeinschaft die Zahl der Muslime bereits auf 390.000 bis 400.000. Es wird angenommen, dass der Islam die evangelischen Konfessionen bei der nächsten Volkszählung 2011 offiziell als zweitgrößte Religionsgemeinschaft in Österreich ablösen wird.

Andere Religionsgemeinschaften
Deutlich zugenommen hat die Zahl von Gläubigen nicht-christlicher Konfessionen. So gehören etwa 10.000 Personen der Österreichischen Buddhistischen Religionsgesellschaft an.

Ohne Bekenntnis
Der Anteil der Personen ohne Religionsbekenntnis nimmt in Österreich seit 1910 – bis auf eine Phase der Stagnation in den Jahren von 1951 bis 1961 – ständig zu. Im Jahr 1910 liegt der Anteil der Bekenntnislosen noch bei nicht einmal 0,1 Prozent, 2001 sind es bereits 11,7 Prozent.

Autoren: Stefan Karner und Lorenz Mikoletzky, 2008 (wissenschaftliche Ausstellungsleitung)

Der Rest ist Österreich. Geschichte der Republik - Dokumentation zur Ausstellung im Nordico. Museum der Stadt Linz vom 3. Februar-18. April 2010