Europäisches Erbe als Friedensvision
Hugo von Hofmannsthal und Max Reinhardt beginnen bei den Salzburger Festspielen und in Wien nach dem Schock des Weltkrieges den kulturellen Wiederaufbau. Sie setzen auf eine europäische Dramaturgie, die der Kunst romanischer und slawischer Völker ihre Reverenz erweist. Den Jedermann gab es als „morality play“ schon in England; Carlo Goldonis Komödienspiele waren über halb Europa verbreitet: Mit seinem Diener zweier Herren wird 1924 das Theater in der Josefstadt eröffnet, das der Neureiche Camillo Castiglioni als Kopie eines venezianischen Theaters in ein abbruchreifes Wiener Vorstadthaus einbauen lässt. Die Theaterzensur ist mit Gründung der Republik gefallen; nun machen Bürgerinitiativen Druck gegen Tabuverletzungen: Arthur Schnitzlers Reigen wird abgesetzt.
Neue Oper, neues Volkstheater
Die in der Weltmusik richtungweisende musikalische Moderne fasst nur langsam Fuß. Ernst Kreneks Jonny spielt auf erreicht 1927 immerhin die Bühne des staatlichen Operntheaters. In einer internationalen Theaterausstellung in Wien im Jahr 1924 stellt der Architekt Friedrich Kiesler seine Vision einer „Raumbühne“ vor – eine Alternative zum Guckkasten und den Logen in den Hof- und Bürgertheatern. In den Elendsjahren leistet sich die Republik die Fortsetzung des Hofbühnenbetriebs. Daneben etabliert sich das Kabarett. Revuen wie Wien lacht wieder mit Fritz Grünbaum und Karl Farkas stärken den Durchhaltehumor. 1938 vernichten die Nationalsozialisten dieses Volkstheater neuen Typs. Es überlebt jedoch im Untergrund und in der Emigration.
Autoren: Stefan Karner und Lorenz Mikoletzky, 2008 (wissenschaftliche Ausstellungsleitung)
Der Rest ist Österreich. Geschichte der Republik - Dokumentation zur Ausstellung im Nordico. Museum der Stadt Linz vom 3. Februar-18. April 2010