Neue Freiheit
auf den Bühnen

Bert Brecht: Staatsbürgerschaft, Scala, Boykott
Politisches Theater steht auch im republikanischen Österreich nicht hoch im Kurs. Schon bald nach dem Krieg kämpfen Kommunisten und Antikommunisten für oder gegen das dramatische Werk des Bert Brecht. Schauspieler und Regisseure kehren aus dem Züricher Exil heim nach Wien und gründen das „Neue Theater in der Scala“ im Bezirk Wieden. Leopold Lindtberg zeigt dort 1948 Brechts Mutter Courage und ihre Kinder mit Therese Giese und Karl Paryla. Der Komponist Gottfried von Einem verschafft Brecht die österreichische Staatsbürgerschaft. Westliche Stützen an der Kulturkampffront des Kalten Krieges wie Friedrich Torberg und Hans Weigel rufen zum Brecht-Boykott auf, der bis tief in die 1960er Jahre vom Burgtheater befolgt wird.

Tschechisches Exiltheater in Wien
Aus humaner Solidarität zieht unter Direktor Achim Benning politisches Theater in die „Burg“ ein. Von 1976 bis 1986 werden die neuen Stücke des tschechischen Dichters Václav Havel uraufgeführt – trotz geringer Begeisterung beim Publikum, dafür aber unter internationalem Beifall. Havel wird in seiner Heimat verfolgt und nach Veröffentlichung der Bürgerrechts-„Charta 77“ eingekerkert, seine Manuskripte jedoch finden ihren Weg in den Westen. Der tschechische Dramatiker Pavel Kohout wird während eines Aufenthaltes in Österreich ausgebürgert und bekommt sofort die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen. Bennings Nachfolger Claus Peymann beschließt, kein tschechisches Exiltheater mehr aufzuführen, und so emigriert dieses nach Zürich.

„Erregungen“ in Burg und Oper
In der literarischen „Österreich-Beschimpfung“ wird oft ein Ausdruck von Hassliebe gesehen, doch ihre Motive sind so unergründlich wie naheliegend. Anders als im Fall der Ersten Republik, können sich die Schriftsteller mit der Zweiten Republik nach 1945 identifizieren. Diese Uniformität im Bekenntnis, oft verbunden mit dem Verdrängen der blamablen Vergangenheit, animiert zur Gegenrede. Im „Bedenkjahr 1988“ kommt es vor der Premiere von Thomas Bernhards Heldenplatz zu Protesten, nachdem ein Magazin delikate Textpassagen veröffentlicht hat. Die nächste Erregung folgt, als Staatsoperndirektor Ioan Holender 1998 erstmals den von Rudolf Eisenmenger gestalteten Eisernen Vorhang mit einem zeitgenössischen Bild von Kara Walker kaschieren lässt.

Autoren: Stefan Karner und Lorenz Mikoletzky, 2008 (wissenschaftliche Ausstellungsleitung)

Der Rest ist Österreich. Geschichte der Republik - Dokumentation zur Ausstellung im Nordico. Museum der Stadt Linz vom 3. Februar-18. April 2010