Das Amtsdeutsch ist keine Sprache. Es ist eine Gesinnung. Heimito von Doderer hat in der „Strudlhofstiege“ sehr feinsinnig das „Zentral-Tax- und Gebührenbemessungsamt“ beschrieben, das „mit dem gemeinen Verstande des Untertanen keine Möglichkeit des Kontaktes“ mehr hatte. Die österreichische Literatur ist voller Beamter, die nicht nur alle Winkelzüge eines beamteten Daseins beherrschen, sondern auch der beamteten Ausdrucksweise in den dichterischen Olymp verholfen haben. Die Realität des Amtsdeutsch ist zwar viel prosaischer. Aber von der Parallelaktion des Sektionschef Tuzzi in Robert Musils „Mann ohne Eigenschaften“ über den Sektionsrat Geyrenhoff in Doderers „Dämonen“ bis zur grotesken Überzeichnung beamteten Kompetenzdschungels bei Fritz Herzmanovsky-Orlando gibt es einen einheitlichen Grundzug: Das Amtsdeutsch mit seinen verschlungenen Konstruktionen, sei es nun „behufs“ oder „bezugnehmend“, „mittels“, „hinsichtlich“, „gegebenenfalls“ oder „dergestalt“. „Der Hofrat „Hinsichtl“ und die Amtsrätin „Rücksichtl“ sind die sprachlichen Ausformungen einer tief sitzenden Mentalität.
„Schluss mit dem Amtsdeutsch“ hieß es vor Jahren in einer schriftlichen Informationsunterlage der Stadt Linz anlässlich einer Initiative „Amtsdeutsch a. D.“ Der Magistrat Linz beschäftigte dabei eine eigene Projektgruppe, die sich ein Jahr lang ausführlich mit dem Thema Sprache und Schreiben auseinandersetzte. Von der Bundesregierung wurde sogar ein eigenes „Amtsdeutsch-Lexikon“ ins Internet gestellt, das sich allerdings inzwischen nicht mehr ausfindig machen lässt, weil es vielleicht nur für den „Amtsgebrauch“ gedacht war oder gar in „Verstoß“ geraten ist. Die Stadt Graz betreibt im Internet einen schon vom Titel her sprachlich ziemlich vertrackten „Business Scout Amtsdeutsch“. Dass die amtlichen Texte dadurch leichter verständlich geworden seien, muss wohl ein frommer Wunsch bleiben. Im Handbuch für die vereinfachte Behördensprache, so lautet das Versprechen, „findet jede/r SachbearbeiterIn Hilfe und Unterstützung im schriftlichen Kontakt mit seinen/ihren KundInnen“. Ein neues Amtsdeutsch, das nicht mehr Beamte und Bürger, sondern „BeamtInnen“ und „BürgerInnen“ mit Binnen-I’s und „gendergerechter“ Ansprache kennt, entspricht zwar einer geschlechtsneutralen Korrektheit, hat aber die Texte für „den/die Bürger/in, der/die um sein/ihr Anliegen einkommt“, nicht gerade leichter verständlich und auf jeden Fall deutlich weniger poetisch gemacht als die vertrauten Floskeln vom „Ausdruck der vorzüglichsten Hochachtung“ oder „der Anerkennung ihrer Mühewaltung“.
Roman Sandgruber
Aus der Serie "Alltagsdinge". Oberösterreichische Nachrichten, 14. April 2007, 33.