(Oster)Eier

Zum Osterfest gehören die Eier: bunt gefärbt und reich verziert. Eier haben für den Menschen eine besondere Bedeutung: sie waren nicht nur eine besondere Delikatesse in der Tristesse der Ernährung früherer Zeiten, sondern auch ein bevorzugtes Symbol der Welterklärung und Weltdeutung. Ist jemand reich, so besitzt er viele Eier, sagt man umgangssprachlich. 1331 ist ein reicher Linzer Bürger bezeugt:
Er besaß eines der repräsentativsten Häuser am Linzer Hauptplatz, das heute der Sitz der Bank Austria-Creditanstalt ist. Sein Name war Christian Ayrimsmalcz, was, wenn man die etwas vertrackte Schreibweise auflöst, nichts anderes bedeutet wie Eier im Schmalz oder „Christian Eierspeise“. Wenn ein Mensch sehr gut angezogen hat, pflegt man zu sagen, er sei wie aus dem Ei gepellt. Über ungelegte Eier solle man sich einem anderen Spruch zufolge nicht den Kopf zerbrechen und man trifft das Gelbe vom Ei, ärgert sich über Eierköpfe und geht manchmal wie auf Eiern.

Eier sind Symbole der Lebenskraft und Fruchtbarkeit. Die vierzigtägige Fastenzeit bezog sich früher auch auf den Genuss von Eiern. Das anschließende Osterfest wurde mit einem umso ausgiebigeren Eier- und Fleischverbrauch gefeiert. Das war nicht nur Ausdruck der Festesfreude, sondern passte auch in die Saison. Im Frühling begannen die Hühner, so lange sie dem Rhythmus der Natur, und nicht einer industrialisierten Stallhaltung überlassen waren, wieder vermehrt Eier zu legen. Eier wurden saisongemäß billiger. Um nach der langen Enthaltsamkeit der Fastenzeit den Körper nicht zu sehr zu strapazieren, wurde im 12. Jahrhundert die österliche Segnung von Eiern und Fleisch eingeführt.

Das Ei war eine besondere Gabe, so viel wert wie ein Laib Brot. Es ist heilig wie das Brot. Die Symbolik ist überwältigend: Das Leben kommt aus einem Ei, das so leblos und tot erscheint und aus dem - für die früheren Menschen unerklärlich und deshalb ein „Wunder“ - das Wunder Leben schlüpft. Eiersymbole sind daher im Brauchtum aller Völker aller Erdregionen vorhanden. Die Schöpfungsmythen vieler Völker enthalten daher das Motiv der Herkunft oder Auferstehung aus dem Ei heraus, von altindischen und altägyptischen Traditionen bis zur Kalevala, dem mythischen Urlied der Finnen. Diese weite Verbreitung zeigt, wie tief dieses Symbol den Menschen ins Unterbewusstsein gepflanzt ist. Der heilige Augustinus griff daher nur uralte Mythen auf, wenn er das Ei als Symbol für Christi Geburt und Auferstehung deutete und in die christliche Ostersymbolik aufnahm.

Roman Sandgruber

Aus der Serie "Alltagsdinge". Oberösterreichische Nachrichten, 7. April 2007