Apfel

Der Apfel regiert wieder in Oberösterreich. Ein neuer Mostschänkenführer ist den oberösterreichischen Mostschädeln auf der Spur und geleitet zu den besten Mostheurigen des Landes. Ein erfrischendes Sommervergnügen! Seit Eva Äpfel aß, hänge viel an dieser Frucht, schrieb einst Lord Byron. Dabei stimmt das gar nicht, denn im Paradies stand, wenn schon ein Baum, so kein Apfel-, sondern ein Feigenbaum. Aus dem Apfel als Symbol der Verführung entstand nach und nach der Apfel als Symbol der Macht. Kaiser und Könige hielten neben dem goldenen Zepter einen vergoldeten „Reichsapfel“ als Zeichen ihrer Weltherrschaft. Die ägyptische Göttin Isis soll einst einen Apfel halbiert haben, in die rote und grüne Hälfte, rot für die Frau, grün für den Mann. Als der Hirtenjunge Paris der Liebesgöttin Artemis den goldenen Apfel zusprach, löste er damit den Trojanischen Krieg aus. Wilhelm Tell schoss den Apfel vom Kopf seines Kindes und gab damit den Startschuss für den Aufstand der Schweizer gegen die habsburgische Herrschaft. Und die böse Stiefmutter reichte Schneewittchen die vergiftete Hälfte des rotbackigen Apfels. Als die Türken 1683 gegen Wien zogen, war es ihr Ziel, den „goldenen Apfel“ auf der Spitze des Stephansdomes zu erobern.

Der Apfel ist der Gott unter den Früchten: „One Apple a day, keeps the doctor away“, sagt der Engländer. Aus den Bergregionen Asiens stammend, gelangte er über Mesopotamien, Griechenland und das alte Rom nach Europa. Die Früchte der ursprünglichen Holz- oder Waldäpfel waren allerdings nur so groß wie eine Walnuss. Und die Möste daraus waren häufig so bitter und sauer, dass daraus nur ein „Siebenmännermost“ entstehen konnte, bei dem einer trank und sechs ihn halten mussten. Weltweit kennt man inzwischen über 30.000 verschiedene Apfelsorten. Die Pomologie, die Wissenschaft von den Äpfeln, hat wahre Wunder gewirkt. Besonders in den oberösterreichischen Klöstern St. Florian und Kremsmünster haben immer wieder große Pomologen gewirkt und den hervorragenden Ruf des oberösterreichischen Mosts möglich gemacht.

Der Apfel hat einen weiten Weg zurückgelegt, vom Paradies der ersten Menschen bis ins Computerzeitalter unserer Gegenwart. 1976 bauten zwei Schulfreunde, Steve Jobs und Stephen Wozniak, in einer Garage den ersten Personalcomputer zusammen. Ohne lang nachzudenken soll Steve Jobs vorgeschlagen haben, ihn schlicht „Apfel“ zu nennen. So war der „Apple“ geboren, das bekannteste Symbol der computerisierten Gesellschaft.

Roman Sandgruber

Aus der Serie "Alltagsdinge". Oberösterreichische Nachrichten, 15. Juli 2006, 32.