„Mocca Faux“, falschen Kaffee, nannten die Franzosen den Kaffee-Ersatz - daraus wurde in Deutschland der „Muckefuck”. Die Möglichkeit, den Kaffee durch Rösten billigerer und heimischer Stoffe zu imitieren, ist fast so alt wie das Kaffeetrinken selber. Dafür eignete sich vieles: neben der bitter schmeckenden Wurzel der Zicchorie oder Wegwarte, die in Größe und Aussehen der Zuckerrübe ähnelt und deren österreichisches Hauptanbaugebiet sich rund um Katsdorf entwickelte, kamen alle möglichen Kerne und Samen in Frage: Eicheln, Bucheckern, Kastanien, Roggen, Gerste, Hafer, Rüben, Kartoffeln, Hagebutten, Kletzen, Feigen. Weit verbreitet als Kaffeeersatz war auch die vom Volk als Feldbohne bezeichnete Lupine. Ihre kleinen, fast kugelrunden Samenkörner wurden getrocknet und wie Kaffeebohnen geröstet. In vielen Bauerngärten wurde ein Feld mit Lupinen angebaut.
Linz war einmal die Kaffeeersatzhauptstadt Österreichs. Julius Titze hatte hier 1868 die „Erste oberösterreichische Feigenkaffee-Fabrik“ begündet. 1879 folgte die Ludwigsburger Kaffeemittelfabrik des Carl Heinrich Franck mit einer Niederlassung in Linz, die bald zur größten Kaffeemittelfabrik der Habsburger Monarchie aufrückte. Titze, Franck & Kathreiner, Linde, das Image dieser Marken war groß. Auch bei Kindern, die sehnsüchtig auf die beigepackten kleinen Nippesachen warteten. In Krieg und Wirtschaftskrise boomte der Kaffeeersatz: „Von Firma Franck / ein Göttertrank / Drum Heil und Sieg! Und Kriegers Dank!“, reimte man im Ersten Weltkrieg. Die Titzetante wurde als Reklamefigur so populär, dass Jura Soyfer in sie die gesamte Fragilität der Weltwirtschaftskrise verpacken wollte: „Ein bisserl bitter / und a bisserl Zucker, / dann schluckt das Bittere / der ärmste Schlucker. / A Tröpferl Dummheit / Und a Schipperl Lug, / a Körndl Wahrheit is / da mehr als g’nug. / A bisserl echt und recht viel Ersatz, / ja, das Rezept is a wahrer Schatz …“
Franck wurde für Linz zu einem Symbol. Durch die patriarchalische Betriebskonzeption, durch umfangreiche Sozialleistungen und durch den Bau von Arbeiterwohnhäusern, Kleinkinderschule und Kindergartengebäude wurde ein Viertel geschaffen, das mit dem Niedergang und ende der Kaffeemittelerzeugung viel an Glanz verlor. 1966 wurde die neobarocke Franck-Villa demoliert, das Viertel verkam zusehends. Inzwischen erlebt es eine Renaissance. Wo einst die Villa stand, residiert jetzt der ORF, der Kindergarten ist Teil von Raiffeisen, die Wohnhäuser werden renoviert, das ganze Viertel soll im Kulturhauptstadtjahr aufleben und aufblühen.
Roman Sandgruber
Aus der Serie "Alltagsdinge". Oberösterreichische Nachrichten, 28. April 2007, 36.