Krawatten

7000 Seidenkrawatten und 4500 Seidenschals mit dem Logo der österreichischen EU-Präsidentschaft hat die Bundesregierung anfertigen lassen, als kleine Geschenke für die offiziellen EU-Delegationen und Kongressgäste, neben Mozartkugeln, Sachertorten, Handtüchern, Kaffeehäferln und Stofftaschen.

Vielleicht ist dieses Krawattengeschenk ein subtiles Signal des einstigen Mascherlträgers Schüssel an seine europäischen Kollegen, die ihm seinerzeit mit den Sanktionen das Mascherltragen vergällten. Vielleicht ist es auch ein Hinweis auf die europäische Identität. Global gesehen gelten Krawatten ja als Symbol der Europäisierung: Kemal Atatürk, der große Begründer der modernen, europäisierten Türkei, schrieb 1924 den Türken neben dem Verbot des Fez und des Schleiers auch das Tragen von Krawatten vor. Iranische Diplomaten hingegen, auch wenn sie in ganz westlicher Manier Hemd und Anzug tragen, betonen mit dem offenen Hemd die Distanz zum Westen. Oder sind die Krawatten ein Anklang an das Freud-Jahr? Die Psychoanalyse interpretierte sie ja als Symbol für den Penis und das Krawattenabschneiden in der Weiberfasnacht als symbolische Entmannung. Sigmund Freud vermutete im Krawatten-Luxus die Sublimierung entsprechender Ängste.

In den Kriegen des 17. Jahrhunderts waren die nachlässig über die Brustpanzer geknüpften „kroatischen“ Halstücher populär geworden. Seit 1650 ließen sich die europäischen Edelleute statt der riesigen Spitzenkrägen überall mit den geknoteten Tüchern porträtieren. Die Frauen hingegen legten Hals und Brust wieder frei: Männer- und Frauenmode unterschieden sich nunmehr auch an Hals und Brust. Der Männerhals war fest verschlossen, der Frauenhals bis zum Dekolletee einladend offen.

Die kompliziert gebundenen Krawatten konnten Status, Bildung und Wohlstand anzeigen. Die Krawatte wurde etwas Besonderes. Sie trennte, wie man so schön sagt, die Arbeiter des Kopfes und die Arbeiter der Faust, sie trennte biedere Bürger und alternative Geister, jung gehaltene Trachtenträger und gealterte Hippies, sie trennte aber auch Männer und Frauen. Damenkrawatten konnten sich als Zeichen der Emanzipation nie wirklich durchsetzen. Eng geschlossene Krägen und lange Krawatten gelten immer noch als staatstragend. Die Revolutionäre hingegen hatten die Öffnung der steifen Krägen, die jede freie Bewegung mühselig machten, immer wieder im Programm, von den Sansculotten der Französischen Revolution über die 1848er bis zu den 1968ern und den aufmüpfigen Geistern der Gegenwart. Oder wollen sie es sich doch nur ein bisschen bequemer machen?

Roman Sandgruber

Aus der Serie "Alltagsdinge". Oberösterreichische Nachrichten, 21. Jänner 2006