Schraube

„Gestern ham ma a Schraufn kriegt“, war der einsilbige Kommentar des schon schwer kranken Julius Raab nach seiner Niederlage im Präsidentschaftswahlkampf von 1963. Die internen Kommentare nach der jüngst vergangenen Wahl könnten in verschiedenen Lagern vielleicht ähnlich ausgefallen sein. Es ist nicht recht einsichtig, warum dieses einfache Ding, die Schraube, zu dieser Nebenbedeutung gekommen ist. Mit ihr wird überhaupt mancherlei assoziiert: von der „geschraubten“ Rede bis zum „sich schrauben“ und der sprichwörtlichen Simplizität einer „Schraubenfabrik“. Dabei war die Erfindung der Schraube eine zivilisatorische und technikhistorische Großtat. Allerdings muss man von vielen verschiedenen Erfindungen sprechen.

Zuerst kam die archimedische Schraube zum Heben von Wasser und sonstigen flüssigen oder rieselnden Stoffen. Ob wirklich Archimedes, der genialste Mathematiker der Antike, sie erfand, sei dahingestellt. Ganz unabhängig davon wurde die Press-Schraube entwickelt: Mit ihr arbeiteten die Wein-, Most-, Öl- und später auch Druckerpressen. Ein Schraubstock gehörte in jede Werkstatt. Und Daumenschrauben und Würgbirnen zeigt jede besser bestückte Folterkammer. Erst sehr viel später wurde das erfunden, was heute das Alltagsdasein der Schraube ausmacht: die Befestigungsschraube. Aus der Antike und dem Mittelalter sind nur etwa 20 Exemplare davon bekannt, und da nur an teuren Schmuckstücken. Erst am Ausgang des Mittelalters begann ihr großer Boom: Die Ritter wurden in ihre teuren Rüstungen förmlich hineingeschraubt. Und ab dem 17. Jahrhundert wurde die Befestigungsschraube zum industriellen Massengut. Damals tauchte auch das heute gebräuchliche deutsche Wort dafür auf. Vorher sprach man von „Schnecken“. Dass das Wort vom lateinischen „srofa“ für Schwein herzuleiten sei, weil das Gewinde geringelt sei wie ein Sauschwanz, ist aber kaum stichhaltig. Ende des 18. Jahrhunderts wurde der Begriff „Schraubenmutter“ geprägt. Das analog dazu eingeführte Wort „Schraubenvater“ für den Bolzen ist hingegen wieder verschwunden. Offensichtlich wurde es als zu deutliche sexuelle Anspielung verstanden. Die Schraube jedenfalls ist in unserer technischen Welt unverzichtbar geworden, von den Schiffsschrauben, Propellern und Turbinen bis zum nahezu unüberblickbaren Schraubensortiment der Bau- und Handwerkermärkte. Sie hat die Welt verändert, wie einst schon Archimedes selbstbewusst behauptete: „Gebt mir eine Schraube und einen festen Punkt, und ich werde die Erde aus den Angeln heben.“

Roman Sandgruber

Aus der Serie "Alltagsdinge". Oberösterreichische Nachrichten, 7. Oktober 2006, 40.