Die Österreicher wissen, wenn sie vom „Häusl“ sprechen, recht genau, was darunter gemeint ist. Ein eigenes Häuschen für die notwendigen körperlichen Verrichtungen war Teil des generellen Zivilisierungs- und Verhäuslichungsprozesses, der schon im Mittelalter einsetzte. Die mittelalterlichen Burgen und Klöster hatten Abtritte, die in die Burggräben oder vorbeiführenden Flüsse mündeten. In den mittelalterlichen Städten erfreuten sich Nachttöpfe weiter Verbreitung, die häufig, wie zahlreiche Streitereien belegen, aus den Fenstern auf die Köpfe vorbeigehender Passanten entleert wurden. Aber auch im 17. Jahrhundert war man noch nicht besonders fein. Wiener Hofordnungen kritisierten, dass man in der Hofburg unverschämt und ohne alle Scheu, den Bauern gleich, auf den Gängen und vor den Türen und Fenstern „seine Nothdurft ausrichte“ und die Herzogin von Orléans berichtete über die hygienischen Bedingungen im Schloss von Versailles: „Die Wachleute, die in den Korridoren vor unseren Gemächern aufgestellt sind, pissen in alle Ecken.“ Für Standespersonen wurde die Toilette in die Zimmer getragen, in Gestalt des „Stuhls“, einer Art Kiste mit Lehne und einer Öffnung in der gepolsterten Sitzfläche. Die Diener schafften dieses Möbelstück herbei, sooft die aristokratische Notdurft es erforderte.
Nur allmählich machte man in den Schlössern und Städten ernsthafte Versuche, statt der Senkgruben, die von Zeit zu Zeit geräumt werden mussten, ein Kanalsystem anzulegen. In Bauernhäusern waren eigens angelegte Abtritte bis ins 19. Jahrhundert meist unbekannt. Dort wurde der Stall oder der Misthaufen oder einfach ein hinter Gebüsch versteckter Platz für solche Verrichtungen benutzt. Die vollständige „Einhausung“ dieser vordem wenig oder gar nicht verborgenen Verrichtungen vollzog sich im 18. und 19. Jahrhundert. Es war zum Prinzip geworden, sämtliche Häuser mit Toiletten auszustatten, zuerst in frei stehenden Häuschen, dann auf den Gängen, zuletzt in jede Wohnung integriert und durch versperrbare Türen auch der familiären Öffentlichkeit entzogen.
1778 entwickelte der Engländer Joseph Bramah die erste funktionierende „Ventiltoilette“ mit Wasserspülung. Es war dies zwar nicht das erste Patent dafür, aber das erste, das gewerblich hergestellt und vermarktet wurde. Ein Besuch im oberösterreichischen WC-Museum in Gmunden („Klo & so“) gibt einen bleibenden Eindruck von der Fülle der Sitzgelegenheiten und designerischen Lösungen, die seit dem späten 19. Jahrhundert für das privateste Örtchen entwickelt wurden: vom feinsten Meißener Porzellan bis zum simplen Holzbrett.
Roman Sandgruber
Aus der Serie "Alltagsdinge". Oberösterreichische Nachrichten, 26. August 2006, 35.