Die Oberösterreicher tummeln sich wieder auf den Eisbahnen. Eisschießen ist eine beliebte Winterunterhaltung, und wahrscheinlich eine der ältesten. Pieter Bruegels Winterbild („Jäger im Schnee“) im Kunsthistorischen Museum in Wien, das schon fast 450 Jahre alt ist, zeigt neben Schlittschuhläufern und Eishockeyspielern auch eine Gruppe von fünf Männern beim Eisschießen.
Eisschießen, eigentlich müsste es ja Eisstockschießen heißen, ist ein klassenloses Spiel: jeder schießt mit, ob Graf oder Doktor, Maurermeister oder Voest-Arbeiter. Man braucht nicht viel: Einen Stock mit Eisenring, eine blanke Eisfläche und ein paar Mitspieler. Eisschießen ist ein dörfliches Spiel. Seine Kernzonen liegen im bayerisch-österreichischen Raum. Das Kommando auf dem eis hat der „Moar“, der „Meier“, vom lateinischen „Major domus“, den Hausverwaltern, die die Klöster und Herrschaften auf ihren großen Wirtschaftshöfen hatten und die dann häufig zu den größten Bauern in den Dörfern geworden sind. „Mannschaftsführer“, die sportoffizielle Bezeichnung, klingt da viel holpriger, zumal das Spiel inzwischen auch von Frauen recht eifrig betrieben wird. Heutzutage haben die Stockschützen auf Kunsteis- und Asphaltbahnen zwar das ganze Jahr über Saison.. Doch die meisten Schützen sind im Winter im Einsatz, wenn es so richtig kalt ist und man sich das wärmende „Zielwasser“ und das warme Bratl als Belohnung wirklich verdienen kann.
Wirkliche olympische Ehren konnte das Eisschießen nie erreichen. Dort dominiert sein nobler Vetter, das schottische Curling, bei dem etwa 18 Kilo schwere, teekesselähnliche Granitsteine, denen von eifrigen Gehilfen mit kleinen Schneebesen der Weg erleichtert wird, über das Eis geschoben werden. 1936 konnten die Eisschützen zwar bei den Winterspielen in Garmisch-Partenkirchen die Aufnahme dreier Bewerbe durchsetzen. Vorgesehen war allerdings nur ein Demonstrationsschießen. Die Sieger, durchwegs Österreicher, erhielten keine Medaillen, sondern nur einen ehrenden Händedruck. Ähnlich war es auch noch bei den Olympischen Spielen 1964 in Innsbruck. Seit langem aber gibt es Europa- und auch Weltmeisterschaften. Österreich gehört zu den führenden Nationen im Eisstocksport. Die Stockschützen sind eine der stärksten Sportorganisationen des Landes und kein anderes Land hat im Eisschießen so viele Titel errungen wie Österreich. So wünschen wir diesen eifrigen Schützen noch reichlich kalte Tage und das ganze Jahr über ein gutes „Maß und Ziel“.
Roman Sandgruber
Aus der Serie "Alltagsdinge". Oberösterreichische Nachrichten, 14. Jänner 2006